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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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der Gewalt ein anderer Widerstand möglich wäre, als ebenfalls ein gewalt¬
samer. Querolles und de Brue, zwei Offiziere, welche ihres dem Könige
Ludwig Philipp geleisteten Eides uneingedenk, sich von Louis Napoleon ge¬
winnen ließen, haben noblörnsnt ^jouv Isur vo. Ercelmanns dagegen, der
seinen Eid nicht vergißt, hat nodlömerit widerstanden.

Persigny wird bei der Affaire von Straßburg als instinctmäßiger Di¬
plomat dargestellt, der alle Fäden des Complottes schlau zusammenfaßt, und
doch heißt es einige Seiten weiter, es habe gar keine Verschwörung bestanden.

Louis Napoleon ist eine historische Person geworden und wer ihn als
solche betrachten will, der darf ihn nicht mit dem Auge eines Höflings ansehen.
Wenn der Verfasser vom Kaiser sagt, er habe nur Schalten in seinem Ge¬
sichte gesehen und kein Licht, so gilt von seinem Buche das Gegentheil. Es
ist ein weißer Lichtfleck, ein blendendes, elektrisches Feuer, das wol eine große
Helle, aber keine abschließenden Schatten gibt. Herr Laguerronniere hätte
unbeschadet seiner Bewunderung für den gegenwärtigen Staatöchcs historischer
und künstlerischer zu Werke gehen können; er hätte wenigstens bei der Dar¬
stellung der Geschichte des Staatsstreiches nicht in dem Maße gegen-die Ge¬
fühle eines jeden Rechtliebenden sich ausdrücken und nicht vergessen dürfen,
wie heftige er selbst sich gegen jene Ereignisse ausgesprochen und wie er
auf jede Gemeinschaft mit denselben verzichtet hatte. Das rasche Gelinge" der
"rettenden That" hat ihn allerdings so rasch bekehrt wie es Europa in Er¬
staunen gesetzt, aber wo bleibt dann die so viel gerühmte Unparteilichkeit?
Der Erfolg spielt bei politischen Handlungen in der Meinung der Welt mu
Recht eine große Rolle, allein der Geschichtschreiber muß kälter sein und darf
sich nicht hinreißen lassen, wie ein gewöhnlicher Zuschauer. Es gibt leider in
Frankreich in allen Classen der Gesellschaft nur zu viel Leute, die alles nach
dem Erfolge beurtheilen und der Verfasser gehört zu diesen. Er verzeiht sogar
dem Könige von Belgien seine freiheitliche Regierungsweise, doch beeilt er
sich hinzuzufügen, um ja jedes unzeitige Gelüste zurückzuweisen, daß derlei
wol nur in einem kleinen Lande wie Belgien habe gelingen können. Ein
brüsseler Localerfolg läßt natürlich noch aus keinen pariser schließen.

Ich beklage mich nicht darüber, daß Louis Napoleon jetzt anVers beur¬
theilt wird als dies unmittelbar "ach dem Staatsstreiche der Fall gewesen ist.
Der Krieg gegen Rußland und die Stellung, welche Frankreich unter des
Kaisers Negierung in Europa wieder erhalten hat, machen schon jetzt Napo¬
leon M. zu einem Charakter, der nicht blos nach seiner frühern Vergangenheit,
sondern nach der gänzlichen Vollbringung seines Tagewerkes wird gerichtet
werden können. Der Geschichtschreiber des zweiten Kaiserreichs -- und mag
dieser, wie er sich verspricht, auch Herr Laguerronniere sein -- wird vielleicht
mil Recht ein anderes Bild von Napoleon entwerfen als seine Gegner erwar-


Grenzlwten. I. 18S7. 38

der Gewalt ein anderer Widerstand möglich wäre, als ebenfalls ein gewalt¬
samer. Querolles und de Brue, zwei Offiziere, welche ihres dem Könige
Ludwig Philipp geleisteten Eides uneingedenk, sich von Louis Napoleon ge¬
winnen ließen, haben noblörnsnt ^jouv Isur vo. Ercelmanns dagegen, der
seinen Eid nicht vergißt, hat nodlömerit widerstanden.

Persigny wird bei der Affaire von Straßburg als instinctmäßiger Di¬
plomat dargestellt, der alle Fäden des Complottes schlau zusammenfaßt, und
doch heißt es einige Seiten weiter, es habe gar keine Verschwörung bestanden.

Louis Napoleon ist eine historische Person geworden und wer ihn als
solche betrachten will, der darf ihn nicht mit dem Auge eines Höflings ansehen.
Wenn der Verfasser vom Kaiser sagt, er habe nur Schalten in seinem Ge¬
sichte gesehen und kein Licht, so gilt von seinem Buche das Gegentheil. Es
ist ein weißer Lichtfleck, ein blendendes, elektrisches Feuer, das wol eine große
Helle, aber keine abschließenden Schatten gibt. Herr Laguerronniere hätte
unbeschadet seiner Bewunderung für den gegenwärtigen Staatöchcs historischer
und künstlerischer zu Werke gehen können; er hätte wenigstens bei der Dar¬
stellung der Geschichte des Staatsstreiches nicht in dem Maße gegen-die Ge¬
fühle eines jeden Rechtliebenden sich ausdrücken und nicht vergessen dürfen,
wie heftige er selbst sich gegen jene Ereignisse ausgesprochen und wie er
auf jede Gemeinschaft mit denselben verzichtet hatte. Das rasche Gelinge» der
„rettenden That" hat ihn allerdings so rasch bekehrt wie es Europa in Er¬
staunen gesetzt, aber wo bleibt dann die so viel gerühmte Unparteilichkeit?
Der Erfolg spielt bei politischen Handlungen in der Meinung der Welt mu
Recht eine große Rolle, allein der Geschichtschreiber muß kälter sein und darf
sich nicht hinreißen lassen, wie ein gewöhnlicher Zuschauer. Es gibt leider in
Frankreich in allen Classen der Gesellschaft nur zu viel Leute, die alles nach
dem Erfolge beurtheilen und der Verfasser gehört zu diesen. Er verzeiht sogar
dem Könige von Belgien seine freiheitliche Regierungsweise, doch beeilt er
sich hinzuzufügen, um ja jedes unzeitige Gelüste zurückzuweisen, daß derlei
wol nur in einem kleinen Lande wie Belgien habe gelingen können. Ein
brüsseler Localerfolg läßt natürlich noch aus keinen pariser schließen.

Ich beklage mich nicht darüber, daß Louis Napoleon jetzt anVers beur¬
theilt wird als dies unmittelbar »ach dem Staatsstreiche der Fall gewesen ist.
Der Krieg gegen Rußland und die Stellung, welche Frankreich unter des
Kaisers Negierung in Europa wieder erhalten hat, machen schon jetzt Napo¬
leon M. zu einem Charakter, der nicht blos nach seiner frühern Vergangenheit,
sondern nach der gänzlichen Vollbringung seines Tagewerkes wird gerichtet
werden können. Der Geschichtschreiber des zweiten Kaiserreichs — und mag
dieser, wie er sich verspricht, auch Herr Laguerronniere sein — wird vielleicht
mil Recht ein anderes Bild von Napoleon entwerfen als seine Gegner erwar-


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[0465] der Gewalt ein anderer Widerstand möglich wäre, als ebenfalls ein gewalt¬ samer. Querolles und de Brue, zwei Offiziere, welche ihres dem Könige Ludwig Philipp geleisteten Eides uneingedenk, sich von Louis Napoleon ge¬ winnen ließen, haben noblörnsnt ^jouv Isur vo. Ercelmanns dagegen, der seinen Eid nicht vergißt, hat nodlömerit widerstanden. Persigny wird bei der Affaire von Straßburg als instinctmäßiger Di¬ plomat dargestellt, der alle Fäden des Complottes schlau zusammenfaßt, und doch heißt es einige Seiten weiter, es habe gar keine Verschwörung bestanden. Louis Napoleon ist eine historische Person geworden und wer ihn als solche betrachten will, der darf ihn nicht mit dem Auge eines Höflings ansehen. Wenn der Verfasser vom Kaiser sagt, er habe nur Schalten in seinem Ge¬ sichte gesehen und kein Licht, so gilt von seinem Buche das Gegentheil. Es ist ein weißer Lichtfleck, ein blendendes, elektrisches Feuer, das wol eine große Helle, aber keine abschließenden Schatten gibt. Herr Laguerronniere hätte unbeschadet seiner Bewunderung für den gegenwärtigen Staatöchcs historischer und künstlerischer zu Werke gehen können; er hätte wenigstens bei der Dar¬ stellung der Geschichte des Staatsstreiches nicht in dem Maße gegen-die Ge¬ fühle eines jeden Rechtliebenden sich ausdrücken und nicht vergessen dürfen, wie heftige er selbst sich gegen jene Ereignisse ausgesprochen und wie er auf jede Gemeinschaft mit denselben verzichtet hatte. Das rasche Gelinge» der „rettenden That" hat ihn allerdings so rasch bekehrt wie es Europa in Er¬ staunen gesetzt, aber wo bleibt dann die so viel gerühmte Unparteilichkeit? Der Erfolg spielt bei politischen Handlungen in der Meinung der Welt mu Recht eine große Rolle, allein der Geschichtschreiber muß kälter sein und darf sich nicht hinreißen lassen, wie ein gewöhnlicher Zuschauer. Es gibt leider in Frankreich in allen Classen der Gesellschaft nur zu viel Leute, die alles nach dem Erfolge beurtheilen und der Verfasser gehört zu diesen. Er verzeiht sogar dem Könige von Belgien seine freiheitliche Regierungsweise, doch beeilt er sich hinzuzufügen, um ja jedes unzeitige Gelüste zurückzuweisen, daß derlei wol nur in einem kleinen Lande wie Belgien habe gelingen können. Ein brüsseler Localerfolg läßt natürlich noch aus keinen pariser schließen. Ich beklage mich nicht darüber, daß Louis Napoleon jetzt anVers beur¬ theilt wird als dies unmittelbar »ach dem Staatsstreiche der Fall gewesen ist. Der Krieg gegen Rußland und die Stellung, welche Frankreich unter des Kaisers Negierung in Europa wieder erhalten hat, machen schon jetzt Napo¬ leon M. zu einem Charakter, der nicht blos nach seiner frühern Vergangenheit, sondern nach der gänzlichen Vollbringung seines Tagewerkes wird gerichtet werden können. Der Geschichtschreiber des zweiten Kaiserreichs — und mag dieser, wie er sich verspricht, auch Herr Laguerronniere sein — wird vielleicht mil Recht ein anderes Bild von Napoleon entwerfen als seine Gegner erwar- Grenzlwten. I. 18S7. 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/465>, abgerufen am 23.07.2024.