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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Einen weitern sehr wichtigen Einfluß übte Roy er-Colla rd auf ihn aus,
der seit 1811 als Professor an der tÄeultv <Zg8 lettrks das Studium der Moral¬
philosophie und die wissenschaftliche Begründung der Kritik nach Frankreich
verpflanzte und in politischer Beziehung eine Ausgleichung der Gegensätze
anstrebte. Guizot gehörte neben Cousin zu seinen eifrigsten und geachtetsten
Schülern und nahm noch als junger Mann in der sogenannten Schule der
Doktrinärs, die in der Wissenschaft bereits herrschend war, bevor sie zur Politik
überging, eine hervorragende Stellung ein. Die kleinen Schriften, die er in
jener Zeit veröffentlichte, hauptsächlich politischen Inhalts, wirkten weniger,
als seine Vorträge an der Sorbonne, wie denn überhaupt sein eigentlicher
Beruf die pädagogische Thätigkeit war.

Unmittelbar nach der Restauration wurde er durch die Empfehlung Royer-
Collards im Ministerium angestellt und folgte dem König während der hundert
Tage nach Gent, was ihm später sehr heftige Vorwürfe zuzog. Nach der
zweiten Rückkehr der Bourbons wurde er wieder im Ministerium angestellt;
als aber die ultraroyalistische Reaction nach der Ermordung des Herzogs von
Berry den Sieg davon trug, wurde er aus dem Staatsrath entfernt und nahm
seine Vorlesungen wieder aus. Der Erfolg derselben (namentlich der llisloirs
clss in'ißmss an Aouveenömsnl. rvpresentatif), so wie die Lebhaftigkeit, mit der
Guizot in seinen Broschüren den Terrorismus der Reaction bekämpfte, wurde
der Regierung unbequem, und sie verbot 1824 seine Vorlesungen. Guizot
entwickelte jetzt eine außerordentliche Thätigkeit. In Verbindung mit mehrern
Gelehrten besorgte er die ('olleetion clss mtzmoires rei-rut u I'Kistoire cle ssranos,
clepuis la fonüation ac la monarcdie ^'u8<M'un 13ins siöele (31 Bde. Paris
1832--36) und die ('ollsetion ass wömoirss rslal-ils l'lrig Loire as la Jnvo¬
lution et'^riKleterrs (26 Bde. Paris, 1823 fg.). Neben vielen anderweitigen
Uebersetzungen, Einleitungen und dergleichen, die wir hier übergehen, gab er
Mablys ObservsUons sur 1'ni8l.viro äg ^rarioe (3 Bde. Paris 1823) heraus,
denen er zur Ergänzung und Berichtigung die Essais 8ur l'I>i8tolle als ssrsnos
(Paris, 1824) folgen ließ. Außerdem veröffentlichte er die l-ki8l,vir"z alö la
ivvolulion Z'^nxleterrö (1826). 1827 trat er in die Gesellschaft ^ick<z-loi ki.
1e viel t'malen'g, und war einige Zeit Präsident derselben. Im folgenden Jahre
wurde ihm vom Ministerium Martignac die Wiedereröffnung seines Geschichts-
cursus gestattet. Aus diesen Vorlesungen ging sein bedeutendstes Werk her¬
vor , die M8toirö alö 1" Civilisation er" I^rA^^k clspuis la ernte alö l'ewpil'^
romain M8lin'ir la rvvolntion trau^ise (5 Bde., Paris 1828-30), und die
als Einleitung dienende llistoirs Amnirale et?. Ja "Zivilisation su Mrope. ^^'^
diese Vorlesungen, die übrigens nicht ganz das halten, was der Titel ver¬
spricht, da sie wegen der bald daraus eintretenden politischen Bewegung nur
bis zu den Reformen Ludwig des Heiligen fortgesetzt sind, müssen wir hier


Einen weitern sehr wichtigen Einfluß übte Roy er-Colla rd auf ihn aus,
der seit 1811 als Professor an der tÄeultv <Zg8 lettrks das Studium der Moral¬
philosophie und die wissenschaftliche Begründung der Kritik nach Frankreich
verpflanzte und in politischer Beziehung eine Ausgleichung der Gegensätze
anstrebte. Guizot gehörte neben Cousin zu seinen eifrigsten und geachtetsten
Schülern und nahm noch als junger Mann in der sogenannten Schule der
Doktrinärs, die in der Wissenschaft bereits herrschend war, bevor sie zur Politik
überging, eine hervorragende Stellung ein. Die kleinen Schriften, die er in
jener Zeit veröffentlichte, hauptsächlich politischen Inhalts, wirkten weniger,
als seine Vorträge an der Sorbonne, wie denn überhaupt sein eigentlicher
Beruf die pädagogische Thätigkeit war.

Unmittelbar nach der Restauration wurde er durch die Empfehlung Royer-
Collards im Ministerium angestellt und folgte dem König während der hundert
Tage nach Gent, was ihm später sehr heftige Vorwürfe zuzog. Nach der
zweiten Rückkehr der Bourbons wurde er wieder im Ministerium angestellt;
als aber die ultraroyalistische Reaction nach der Ermordung des Herzogs von
Berry den Sieg davon trug, wurde er aus dem Staatsrath entfernt und nahm
seine Vorlesungen wieder aus. Der Erfolg derselben (namentlich der llisloirs
clss in'ißmss an Aouveenömsnl. rvpresentatif), so wie die Lebhaftigkeit, mit der
Guizot in seinen Broschüren den Terrorismus der Reaction bekämpfte, wurde
der Regierung unbequem, und sie verbot 1824 seine Vorlesungen. Guizot
entwickelte jetzt eine außerordentliche Thätigkeit. In Verbindung mit mehrern
Gelehrten besorgte er die ('olleetion clss mtzmoires rei-rut u I'Kistoire cle ssranos,
clepuis la fonüation ac la monarcdie ^'u8<M'un 13ins siöele (31 Bde. Paris
1832—36) und die ('ollsetion ass wömoirss rslal-ils l'lrig Loire as la Jnvo¬
lution et'^riKleterrs (26 Bde. Paris, 1823 fg.). Neben vielen anderweitigen
Uebersetzungen, Einleitungen und dergleichen, die wir hier übergehen, gab er
Mablys ObservsUons sur 1'ni8l.viro äg ^rarioe (3 Bde. Paris 1823) heraus,
denen er zur Ergänzung und Berichtigung die Essais 8ur l'I>i8tolle als ssrsnos
(Paris, 1824) folgen ließ. Außerdem veröffentlichte er die l-ki8l,vir«z alö la
ivvolulion Z'^nxleterrö (1826). 1827 trat er in die Gesellschaft ^ick<z-loi ki.
1e viel t'malen'g, und war einige Zeit Präsident derselben. Im folgenden Jahre
wurde ihm vom Ministerium Martignac die Wiedereröffnung seines Geschichts-
cursus gestattet. Aus diesen Vorlesungen ging sein bedeutendstes Werk her¬
vor , die M8toirö alö 1» Civilisation er» I^rA^^k clspuis la ernte alö l'ewpil'^
romain M8lin'ir la rvvolntion trau^ise (5 Bde., Paris 1828-30), und die
als Einleitung dienende llistoirs Amnirale et?. Ja «Zivilisation su Mrope. ^^'^
diese Vorlesungen, die übrigens nicht ganz das halten, was der Titel ver¬
spricht, da sie wegen der bald daraus eintretenden politischen Bewegung nur
bis zu den Reformen Ludwig des Heiligen fortgesetzt sind, müssen wir hier


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/370>, abgerufen am 22.07.2024.