den Hülle des NichtbeachtenS umgeben und unsere Augen aus andere Dinge richten.
Galerieinspectoren, Besitzer von Privatsammlungen, kritische Laternen¬ träger in den Sälen bewunderter Museen, Verfasser von kunsthistorischen Wanderungen, und Kunstorthodore aller Art ahnen bereits, wo unsere Feder hinauSdeutet. Minder Betheiligten mag der Wink dienen, daß der Schaden, von dem wir reden, nicht neuen Datums ist, sondern bereits zur Zeit der Alerandri- ner Kopsschütteln erregte, daß man seitdem von Zeit zu Zeit Versuche gemacht hat, sich seiner zu erwehren, daß man ihn indessen längst als einen unvermeidlichen Hausgenossen betrachtet, der nun einmal mit uns unter demselben Dache zu leben und zu sterben bestimmt scheint, und dem gegenüber ein bewaffneter Friede die einzig durchführbare Haltung geworden ist.
In der That ist es fast unmöglich, ein getreues Bild aller Ver¬ fälschungen zu entrollen, welche uns von den Wänden der trefflichsten Ge¬ mäldepaläste dreiste Unwahrheiten ins Gesicht sagen und unser Auge zu fal¬ schen Urtheilen zu verleiten beflissen sind. Und es wäre eine herbe Arbeit, ließe sich selbst der unmögliche Nachweis führen, daß zahlreiche Copien uns in jenen Räumen als Originale entgegentreten, ja daß wir selbst häufig in der Lage sind, Unbegreiflichkeiten in der Komposition, in der Stimmung, in der Auf¬ fassung mit völligem Unrecht dem nomineller Meister zuzuschreiben, während wir in Wirklichkeit darüber mit einem Nachahmer kecker Art zu rechten hätten, den seine ekleknschen Studien ein paar Schritte über die Grenze der Recht¬ lichkeit hinausführten?
Dennoch hieße es sich in die Rolle des Papageno mit allzugroßer Gut¬ müthigkeit fügen, wollte man das Schweigen auch jenen Falschmünzern auf dem Gebiete bildender Kunst zu Gute kommen lassen, die es dahin ge¬ bracht haben, daß von manchen bedeutenderen Meistern bereits mehr Werke im Umlauf sind, als sie Wochen gelebt haben; ja, daß sich unsere jüngern Künstler durch die staunenswerthe und unerreichbare Fruchtbarkeit ihrer Vor¬ bilder entmuthigen oder gar zu dem Evangelium jener Naturphilosophen bekeh¬ ren lassen, welche die Menschheit auf europäischem Boden als eine dahin¬ schwindende, dem Zwergenthum entgegenschrumpsende Race betrachten.
Sind die Bilder- und Statuenfälscher indessen an sich schon eine Genossen¬ schaft, die Anspruch auf Beleuchtung hat, so darf man den vielen Betrogenen um so weniger eine freundliche Berücksichtigung versagen, als ihnen selten die verdienstlichsten Eigenschaften einer komischen Figur abgehen: große Geneigtheit sich prellen zu lassen, und nicht mindere Bereitwilligkeit den Betrug an sich selbst fortzusetzen, sobald das Geprelltsein offenbar ist.
Im Museo borbonico war es eine Zeitlang (noch vor 18W allen Be¬ suchern zur Pflicht gemacht, die aus der Treppe stehende Minerva zu begrüßen
den Hülle des NichtbeachtenS umgeben und unsere Augen aus andere Dinge richten.
Galerieinspectoren, Besitzer von Privatsammlungen, kritische Laternen¬ träger in den Sälen bewunderter Museen, Verfasser von kunsthistorischen Wanderungen, und Kunstorthodore aller Art ahnen bereits, wo unsere Feder hinauSdeutet. Minder Betheiligten mag der Wink dienen, daß der Schaden, von dem wir reden, nicht neuen Datums ist, sondern bereits zur Zeit der Alerandri- ner Kopsschütteln erregte, daß man seitdem von Zeit zu Zeit Versuche gemacht hat, sich seiner zu erwehren, daß man ihn indessen längst als einen unvermeidlichen Hausgenossen betrachtet, der nun einmal mit uns unter demselben Dache zu leben und zu sterben bestimmt scheint, und dem gegenüber ein bewaffneter Friede die einzig durchführbare Haltung geworden ist.
In der That ist es fast unmöglich, ein getreues Bild aller Ver¬ fälschungen zu entrollen, welche uns von den Wänden der trefflichsten Ge¬ mäldepaläste dreiste Unwahrheiten ins Gesicht sagen und unser Auge zu fal¬ schen Urtheilen zu verleiten beflissen sind. Und es wäre eine herbe Arbeit, ließe sich selbst der unmögliche Nachweis führen, daß zahlreiche Copien uns in jenen Räumen als Originale entgegentreten, ja daß wir selbst häufig in der Lage sind, Unbegreiflichkeiten in der Komposition, in der Stimmung, in der Auf¬ fassung mit völligem Unrecht dem nomineller Meister zuzuschreiben, während wir in Wirklichkeit darüber mit einem Nachahmer kecker Art zu rechten hätten, den seine ekleknschen Studien ein paar Schritte über die Grenze der Recht¬ lichkeit hinausführten?
Dennoch hieße es sich in die Rolle des Papageno mit allzugroßer Gut¬ müthigkeit fügen, wollte man das Schweigen auch jenen Falschmünzern auf dem Gebiete bildender Kunst zu Gute kommen lassen, die es dahin ge¬ bracht haben, daß von manchen bedeutenderen Meistern bereits mehr Werke im Umlauf sind, als sie Wochen gelebt haben; ja, daß sich unsere jüngern Künstler durch die staunenswerthe und unerreichbare Fruchtbarkeit ihrer Vor¬ bilder entmuthigen oder gar zu dem Evangelium jener Naturphilosophen bekeh¬ ren lassen, welche die Menschheit auf europäischem Boden als eine dahin¬ schwindende, dem Zwergenthum entgegenschrumpsende Race betrachten.
Sind die Bilder- und Statuenfälscher indessen an sich schon eine Genossen¬ schaft, die Anspruch auf Beleuchtung hat, so darf man den vielen Betrogenen um so weniger eine freundliche Berücksichtigung versagen, als ihnen selten die verdienstlichsten Eigenschaften einer komischen Figur abgehen: große Geneigtheit sich prellen zu lassen, und nicht mindere Bereitwilligkeit den Betrug an sich selbst fortzusetzen, sobald das Geprelltsein offenbar ist.
Im Museo borbonico war es eine Zeitlang (noch vor 18W allen Be¬ suchern zur Pflicht gemacht, die aus der Treppe stehende Minerva zu begrüßen
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[0034]
den Hülle des NichtbeachtenS umgeben und unsere Augen aus andere Dinge
richten.
Galerieinspectoren, Besitzer von Privatsammlungen, kritische Laternen¬
träger in den Sälen bewunderter Museen, Verfasser von kunsthistorischen
Wanderungen, und Kunstorthodore aller Art ahnen bereits, wo unsere Feder
hinauSdeutet. Minder Betheiligten mag der Wink dienen, daß der Schaden,
von dem wir reden, nicht neuen Datums ist, sondern bereits zur Zeit der Alerandri-
ner Kopsschütteln erregte, daß man seitdem von Zeit zu Zeit Versuche gemacht hat,
sich seiner zu erwehren, daß man ihn indessen längst als einen unvermeidlichen
Hausgenossen betrachtet, der nun einmal mit uns unter demselben Dache zu
leben und zu sterben bestimmt scheint, und dem gegenüber ein bewaffneter
Friede die einzig durchführbare Haltung geworden ist.
In der That ist es fast unmöglich, ein getreues Bild aller Ver¬
fälschungen zu entrollen, welche uns von den Wänden der trefflichsten Ge¬
mäldepaläste dreiste Unwahrheiten ins Gesicht sagen und unser Auge zu fal¬
schen Urtheilen zu verleiten beflissen sind. Und es wäre eine herbe Arbeit, ließe sich
selbst der unmögliche Nachweis führen, daß zahlreiche Copien uns in jenen
Räumen als Originale entgegentreten, ja daß wir selbst häufig in der Lage
sind, Unbegreiflichkeiten in der Komposition, in der Stimmung, in der Auf¬
fassung mit völligem Unrecht dem nomineller Meister zuzuschreiben, während
wir in Wirklichkeit darüber mit einem Nachahmer kecker Art zu rechten hätten,
den seine ekleknschen Studien ein paar Schritte über die Grenze der Recht¬
lichkeit hinausführten?
Dennoch hieße es sich in die Rolle des Papageno mit allzugroßer Gut¬
müthigkeit fügen, wollte man das Schweigen auch jenen Falschmünzern
auf dem Gebiete bildender Kunst zu Gute kommen lassen, die es dahin ge¬
bracht haben, daß von manchen bedeutenderen Meistern bereits mehr Werke
im Umlauf sind, als sie Wochen gelebt haben; ja, daß sich unsere jüngern
Künstler durch die staunenswerthe und unerreichbare Fruchtbarkeit ihrer Vor¬
bilder entmuthigen oder gar zu dem Evangelium jener Naturphilosophen bekeh¬
ren lassen, welche die Menschheit auf europäischem Boden als eine dahin¬
schwindende, dem Zwergenthum entgegenschrumpsende Race betrachten.
Sind die Bilder- und Statuenfälscher indessen an sich schon eine Genossen¬
schaft, die Anspruch auf Beleuchtung hat, so darf man den vielen Betrogenen
um so weniger eine freundliche Berücksichtigung versagen, als ihnen selten die
verdienstlichsten Eigenschaften einer komischen Figur abgehen: große Geneigtheit
sich prellen zu lassen, und nicht mindere Bereitwilligkeit den Betrug an sich
selbst fortzusetzen, sobald das Geprelltsein offenbar ist.
Im Museo borbonico war es eine Zeitlang (noch vor 18W allen Be¬
suchern zur Pflicht gemacht, die aus der Treppe stehende Minerva zu begrüßen
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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/34>, abgerufen am 30.12.2024.
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