Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wesen mit seinen Rohheiten conterseit, als er ein Gemälde des pompejanischen
Fechtertreibens entwarf.

Wir haben hier übrigens mit den letzten Mohicanern deS Borerthums
abzurechnen gehabt. Die Borer sind, als Männer von Professton eine ver¬
schwindende Race. Jeder Engländer boxt, aber wer für Geld dort oder boren
läßt, ist längst der Verachtung Preis gegeben.

Wettringen ist in England noch ebenso wenig volksthümlich, wie
bei uns. Es vegetirt als fremde Pflanze, welche die englische Luft nicht
zur Entfaltung gelangen läßt. Zwar Enoch Walker wird von Wen. Coterell
herausgefordert, Wettpreis 23 Pf. Se.; eine Gesellschaft von Ringern unter¬
geordneter Stellung in Carlisle läßt hin und wieder von sich hören; ein ge¬
wisser Jsaak G. Täte gilt als erfahrener Richter für Wettringer -- aber
man merkt dem Dinge an, daß von irgend welcher Bedeutung des Wettringenö
in England noch nicht die Rede ist. Könnte man nur aller Welt die Augen
öffnen über die Volkstümlichkeit und Verbreitung des öffentlichen Ringens
in der Schweiz und über seine wohlthätigen Wirkungen auf die männliche Ent¬
wicklung des Volksgeistes! Aber nur die wenigsten Touristen, welche das berner
Oberland bereisten, waren bei Schwingfesten zugegen, und man hat im All¬
gemeinen keine Ahnung davon, was sich aus ihnen machen läßt.

Eine aus dem Festlande zum Glück kaum gekannte Art von Wettstreit
sind in England die Nennen der sogenannten Pedestrians. Das Schnellläuser-
thum hat mit den Pferderennen zu viele Verwandtschaft, alö daß der große
Ausschwung der letzteren nicht seine Rückwirkung geäußert hätte auf die Lieb¬
haberei für menschliche Schnellfüßigkeit. An sich hat ein Wettlauf weder etwas
Rohes, noch etwas dem Manne Unwürdiges Sind auch die Zeiten nicht
mehr, wo die Gunst einer Atalante durch die Geschwindigkeit unserer untersten
Körpertheile zu gewinnen war; haben wir auch wenig Aussicht in Lagen wie
diejenige zu gerathen, aus welcher der hörnerne Siegfried mit so gutem Er¬
folge hervorging; -- es spricht sich in der Schnellfüßigkeit doch ein hohes
Maß körperlicher Gewandtheit aus und als solche schon dürfen wir auf sie
noch heute nicht minderes Gewicht legen, als es Homer und Pindar thaten-

Aber in England handelt sichs bei diesen Schaustellungen um nicht viel
Anderes als um ein Pferderennen zu Fuß; die Preise, das Wetten, das
Halten auf diesen oder jenen Mann wie auf eine Karte im Spiel, der bloße Reiz
des Geldes für die Renner und für die Veranstalter -- dies alles nimmt den
Fußrennen jede Spur von Ähnlichkeit mit den schönen Volksfesten dieser Art
in Griechenland. Auch damals wurden Preise vertheilt, Vasen und andere
Geräthe brachte der Sieger heim, aber der Ruhm war sein Hauptziel und der
Glanz des Triumphs warf einen Wiederschein bis in die oft weit entfernte
Heimath des Preisgekrönten, sie betrachtete sich als Theilhaberin seines Ruhms,


wesen mit seinen Rohheiten conterseit, als er ein Gemälde des pompejanischen
Fechtertreibens entwarf.

Wir haben hier übrigens mit den letzten Mohicanern deS Borerthums
abzurechnen gehabt. Die Borer sind, als Männer von Professton eine ver¬
schwindende Race. Jeder Engländer boxt, aber wer für Geld dort oder boren
läßt, ist längst der Verachtung Preis gegeben.

Wettringen ist in England noch ebenso wenig volksthümlich, wie
bei uns. Es vegetirt als fremde Pflanze, welche die englische Luft nicht
zur Entfaltung gelangen läßt. Zwar Enoch Walker wird von Wen. Coterell
herausgefordert, Wettpreis 23 Pf. Se.; eine Gesellschaft von Ringern unter¬
geordneter Stellung in Carlisle läßt hin und wieder von sich hören; ein ge¬
wisser Jsaak G. Täte gilt als erfahrener Richter für Wettringer — aber
man merkt dem Dinge an, daß von irgend welcher Bedeutung des Wettringenö
in England noch nicht die Rede ist. Könnte man nur aller Welt die Augen
öffnen über die Volkstümlichkeit und Verbreitung des öffentlichen Ringens
in der Schweiz und über seine wohlthätigen Wirkungen auf die männliche Ent¬
wicklung des Volksgeistes! Aber nur die wenigsten Touristen, welche das berner
Oberland bereisten, waren bei Schwingfesten zugegen, und man hat im All¬
gemeinen keine Ahnung davon, was sich aus ihnen machen läßt.

Eine aus dem Festlande zum Glück kaum gekannte Art von Wettstreit
sind in England die Nennen der sogenannten Pedestrians. Das Schnellläuser-
thum hat mit den Pferderennen zu viele Verwandtschaft, alö daß der große
Ausschwung der letzteren nicht seine Rückwirkung geäußert hätte auf die Lieb¬
haberei für menschliche Schnellfüßigkeit. An sich hat ein Wettlauf weder etwas
Rohes, noch etwas dem Manne Unwürdiges Sind auch die Zeiten nicht
mehr, wo die Gunst einer Atalante durch die Geschwindigkeit unserer untersten
Körpertheile zu gewinnen war; haben wir auch wenig Aussicht in Lagen wie
diejenige zu gerathen, aus welcher der hörnerne Siegfried mit so gutem Er¬
folge hervorging; — es spricht sich in der Schnellfüßigkeit doch ein hohes
Maß körperlicher Gewandtheit aus und als solche schon dürfen wir auf sie
noch heute nicht minderes Gewicht legen, als es Homer und Pindar thaten-

Aber in England handelt sichs bei diesen Schaustellungen um nicht viel
Anderes als um ein Pferderennen zu Fuß; die Preise, das Wetten, das
Halten auf diesen oder jenen Mann wie auf eine Karte im Spiel, der bloße Reiz
des Geldes für die Renner und für die Veranstalter — dies alles nimmt den
Fußrennen jede Spur von Ähnlichkeit mit den schönen Volksfesten dieser Art
in Griechenland. Auch damals wurden Preise vertheilt, Vasen und andere
Geräthe brachte der Sieger heim, aber der Ruhm war sein Hauptziel und der
Glanz des Triumphs warf einen Wiederschein bis in die oft weit entfernte
Heimath des Preisgekrönten, sie betrachtete sich als Theilhaberin seines Ruhms,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103453"/>
          <p xml:id="ID_1140" prev="#ID_1139"> wesen mit seinen Rohheiten conterseit, als er ein Gemälde des pompejanischen<lb/>
Fechtertreibens entwarf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1141"> Wir haben hier übrigens mit den letzten Mohicanern deS Borerthums<lb/>
abzurechnen gehabt. Die Borer sind, als Männer von Professton eine ver¬<lb/>
schwindende Race. Jeder Engländer boxt, aber wer für Geld dort oder boren<lb/>
läßt, ist längst der Verachtung Preis gegeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1142"> Wettringen ist in England noch ebenso wenig volksthümlich, wie<lb/>
bei uns. Es vegetirt als fremde Pflanze, welche die englische Luft nicht<lb/>
zur Entfaltung gelangen läßt. Zwar Enoch Walker wird von Wen. Coterell<lb/>
herausgefordert, Wettpreis 23 Pf. Se.; eine Gesellschaft von Ringern unter¬<lb/>
geordneter Stellung in Carlisle läßt hin und wieder von sich hören; ein ge¬<lb/>
wisser Jsaak G. Täte gilt als erfahrener Richter für Wettringer &#x2014; aber<lb/>
man merkt dem Dinge an, daß von irgend welcher Bedeutung des Wettringenö<lb/>
in England noch nicht die Rede ist. Könnte man nur aller Welt die Augen<lb/>
öffnen über die Volkstümlichkeit und Verbreitung des öffentlichen Ringens<lb/>
in der Schweiz und über seine wohlthätigen Wirkungen auf die männliche Ent¬<lb/>
wicklung des Volksgeistes! Aber nur die wenigsten Touristen, welche das berner<lb/>
Oberland bereisten, waren bei Schwingfesten zugegen, und man hat im All¬<lb/>
gemeinen keine Ahnung davon, was sich aus ihnen machen läßt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1143"> Eine aus dem Festlande zum Glück kaum gekannte Art von Wettstreit<lb/>
sind in England die Nennen der sogenannten Pedestrians. Das Schnellläuser-<lb/>
thum hat mit den Pferderennen zu viele Verwandtschaft, alö daß der große<lb/>
Ausschwung der letzteren nicht seine Rückwirkung geäußert hätte auf die Lieb¬<lb/>
haberei für menschliche Schnellfüßigkeit. An sich hat ein Wettlauf weder etwas<lb/>
Rohes, noch etwas dem Manne Unwürdiges Sind auch die Zeiten nicht<lb/>
mehr, wo die Gunst einer Atalante durch die Geschwindigkeit unserer untersten<lb/>
Körpertheile zu gewinnen war; haben wir auch wenig Aussicht in Lagen wie<lb/>
diejenige zu gerathen, aus welcher der hörnerne Siegfried mit so gutem Er¬<lb/>
folge hervorging; &#x2014; es spricht sich in der Schnellfüßigkeit doch ein hohes<lb/>
Maß körperlicher Gewandtheit aus und als solche schon dürfen wir auf sie<lb/>
noch heute nicht minderes Gewicht legen, als es Homer und Pindar thaten-</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1144" next="#ID_1145"> Aber in England handelt sichs bei diesen Schaustellungen um nicht viel<lb/>
Anderes als um ein Pferderennen zu Fuß; die Preise, das Wetten, das<lb/>
Halten auf diesen oder jenen Mann wie auf eine Karte im Spiel, der bloße Reiz<lb/>
des Geldes für die Renner und für die Veranstalter &#x2014; dies alles nimmt den<lb/>
Fußrennen jede Spur von Ähnlichkeit mit den schönen Volksfesten dieser Art<lb/>
in Griechenland. Auch damals wurden Preise vertheilt, Vasen und andere<lb/>
Geräthe brachte der Sieger heim, aber der Ruhm war sein Hauptziel und der<lb/>
Glanz des Triumphs warf einen Wiederschein bis in die oft weit entfernte<lb/>
Heimath des Preisgekrönten, sie betrachtete sich als Theilhaberin seines Ruhms,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0320] wesen mit seinen Rohheiten conterseit, als er ein Gemälde des pompejanischen Fechtertreibens entwarf. Wir haben hier übrigens mit den letzten Mohicanern deS Borerthums abzurechnen gehabt. Die Borer sind, als Männer von Professton eine ver¬ schwindende Race. Jeder Engländer boxt, aber wer für Geld dort oder boren läßt, ist längst der Verachtung Preis gegeben. Wettringen ist in England noch ebenso wenig volksthümlich, wie bei uns. Es vegetirt als fremde Pflanze, welche die englische Luft nicht zur Entfaltung gelangen läßt. Zwar Enoch Walker wird von Wen. Coterell herausgefordert, Wettpreis 23 Pf. Se.; eine Gesellschaft von Ringern unter¬ geordneter Stellung in Carlisle läßt hin und wieder von sich hören; ein ge¬ wisser Jsaak G. Täte gilt als erfahrener Richter für Wettringer — aber man merkt dem Dinge an, daß von irgend welcher Bedeutung des Wettringenö in England noch nicht die Rede ist. Könnte man nur aller Welt die Augen öffnen über die Volkstümlichkeit und Verbreitung des öffentlichen Ringens in der Schweiz und über seine wohlthätigen Wirkungen auf die männliche Ent¬ wicklung des Volksgeistes! Aber nur die wenigsten Touristen, welche das berner Oberland bereisten, waren bei Schwingfesten zugegen, und man hat im All¬ gemeinen keine Ahnung davon, was sich aus ihnen machen läßt. Eine aus dem Festlande zum Glück kaum gekannte Art von Wettstreit sind in England die Nennen der sogenannten Pedestrians. Das Schnellläuser- thum hat mit den Pferderennen zu viele Verwandtschaft, alö daß der große Ausschwung der letzteren nicht seine Rückwirkung geäußert hätte auf die Lieb¬ haberei für menschliche Schnellfüßigkeit. An sich hat ein Wettlauf weder etwas Rohes, noch etwas dem Manne Unwürdiges Sind auch die Zeiten nicht mehr, wo die Gunst einer Atalante durch die Geschwindigkeit unserer untersten Körpertheile zu gewinnen war; haben wir auch wenig Aussicht in Lagen wie diejenige zu gerathen, aus welcher der hörnerne Siegfried mit so gutem Er¬ folge hervorging; — es spricht sich in der Schnellfüßigkeit doch ein hohes Maß körperlicher Gewandtheit aus und als solche schon dürfen wir auf sie noch heute nicht minderes Gewicht legen, als es Homer und Pindar thaten- Aber in England handelt sichs bei diesen Schaustellungen um nicht viel Anderes als um ein Pferderennen zu Fuß; die Preise, das Wetten, das Halten auf diesen oder jenen Mann wie auf eine Karte im Spiel, der bloße Reiz des Geldes für die Renner und für die Veranstalter — dies alles nimmt den Fußrennen jede Spur von Ähnlichkeit mit den schönen Volksfesten dieser Art in Griechenland. Auch damals wurden Preise vertheilt, Vasen und andere Geräthe brachte der Sieger heim, aber der Ruhm war sein Hauptziel und der Glanz des Triumphs warf einen Wiederschein bis in die oft weit entfernte Heimath des Preisgekrönten, sie betrachtete sich als Theilhaberin seines Ruhms,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/320
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/320>, abgerufen am 25.08.2024.