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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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lehrten der Journalistik nicht erzählt hätten, daß es bestochen sei, aber tre Be¬
weise sind sie schuldig geblieben, während sie doch sonst in verdienstlicher Weqe
auf juridische Präciston ein großes Gewicht legen, und so weit gehen, den
russischen (wahrscheinlich auch den trojanischen) Krieg nicht als Krieg anzuer¬
kennen, weil die Kriegserklärung nicht correct genug formulirt war.

Die Organe der Regierung kennt jeder Zeitungsleser, und die Schmuz.ge
Geschichte Birch-Clarendon ist von der englischen Presse breit genug erzählt
worden. Wozu demnach fortwährend Anschuldigungen ohne Beweise vorbringen,
und andere verdächtigen, um sich mit dem Glorienschein der Gedankentiefe zu
umgeben? Auf jeden Journalisten ist eine Einwirkung möglich, sie ist möglich
auf jeden Menschen. Bringt Einen mit einem Manne zusammen, der ihm
durch das Gewicht seiner Stellung im Staate oder durch die Überlegenheit
seines Geistes imponirt, so wird er sich von dessen Einfluß schwerlich ganz frei
erhalten, vorausgesetzt, daß er ihm mit tiefgewurzelten Mißtrauen, oder alt
den allerentgegengesetzlesten Ansichten gegenübertrat. Man wird beeinflußt
durch die Ueberlegenheit eines anderen; man eignet sich mehr oder weniger die
Anschauungsweise derer an, mit denen man in Berührung kommt, das liegt
in der Natur eines jeden Menschen. Wenn Diplomaten -- russische, englische oder
japanesische - diese Eigenthümlichkeit der Menschennatur benutzen, und wenn
sie können, auch die Schwächen eines Leitartikelschreibers ausbeuten, so thun
sie, was ihres Amtes ist. Ein Journal aber, das für oder wider einen
Staatsmann Partei nimmt, ist darum noch nicht der Gemeinheit, bestochen
worden zu sein, überwiesen. Ohne Zweifel gibt es Schmuz genug auch in
der englischen Presse, aber daß einer so ohne weiteres bei allen Redacteuren
großer Blätter herumlaufen und ihnen ein paar Wund ^ die Hand stecken
kann, das ist eine Anschauungsweise, die wir -- um höflich zu sein -- zu
refüsiren uns erlauben müssen. -- Wenn ein englischer Correspondent aus
einer deutschen Hauptstadt dergleichen allgemeine Nerdammungöurtheile seinen
englischen Lesern zum Besten gegeben hätte! Wenn der berliner Correspondent
der Times z. B. seine Briefe mit Criminalgeschichten des preußischen Staaieö
und mit Criminalhypothesen aller Deutschen füllen, und daraus Schlüsse aus
den Charakter der deutschen Nation ziehen würde! Solch einen Flederwisch
würden wir ins Tollhaus sperren, wofern die berliner Polizei den seltenen
Takt hätte, ihn nicht auszuweisen. Bei Hydepark soll ein verrückter Maler
wohnen, der Jahr aus Jahr ein große Historienbilder mit Dreck malt. Aber
es ist uns nicht bekannt, daß er je einen Bewunderer seiner Manier ge¬
sunden hat.

DaS Feriren ist überhaupt eine leichte Sache. Der Kritik wirds in dieser
Welt an Tross wol niemals fehlen. Nur schadet sich der Kritiker, wenn er
nach allen Seiten hin mit gleicher Hast dreinschlägt. Wenn im Parlamente


lehrten der Journalistik nicht erzählt hätten, daß es bestochen sei, aber tre Be¬
weise sind sie schuldig geblieben, während sie doch sonst in verdienstlicher Weqe
auf juridische Präciston ein großes Gewicht legen, und so weit gehen, den
russischen (wahrscheinlich auch den trojanischen) Krieg nicht als Krieg anzuer¬
kennen, weil die Kriegserklärung nicht correct genug formulirt war.

Die Organe der Regierung kennt jeder Zeitungsleser, und die Schmuz.ge
Geschichte Birch-Clarendon ist von der englischen Presse breit genug erzählt
worden. Wozu demnach fortwährend Anschuldigungen ohne Beweise vorbringen,
und andere verdächtigen, um sich mit dem Glorienschein der Gedankentiefe zu
umgeben? Auf jeden Journalisten ist eine Einwirkung möglich, sie ist möglich
auf jeden Menschen. Bringt Einen mit einem Manne zusammen, der ihm
durch das Gewicht seiner Stellung im Staate oder durch die Überlegenheit
seines Geistes imponirt, so wird er sich von dessen Einfluß schwerlich ganz frei
erhalten, vorausgesetzt, daß er ihm mit tiefgewurzelten Mißtrauen, oder alt
den allerentgegengesetzlesten Ansichten gegenübertrat. Man wird beeinflußt
durch die Ueberlegenheit eines anderen; man eignet sich mehr oder weniger die
Anschauungsweise derer an, mit denen man in Berührung kommt, das liegt
in der Natur eines jeden Menschen. Wenn Diplomaten — russische, englische oder
japanesische - diese Eigenthümlichkeit der Menschennatur benutzen, und wenn
sie können, auch die Schwächen eines Leitartikelschreibers ausbeuten, so thun
sie, was ihres Amtes ist. Ein Journal aber, das für oder wider einen
Staatsmann Partei nimmt, ist darum noch nicht der Gemeinheit, bestochen
worden zu sein, überwiesen. Ohne Zweifel gibt es Schmuz genug auch in
der englischen Presse, aber daß einer so ohne weiteres bei allen Redacteuren
großer Blätter herumlaufen und ihnen ein paar Wund ^ die Hand stecken
kann, das ist eine Anschauungsweise, die wir — um höflich zu sein — zu
refüsiren uns erlauben müssen. — Wenn ein englischer Correspondent aus
einer deutschen Hauptstadt dergleichen allgemeine Nerdammungöurtheile seinen
englischen Lesern zum Besten gegeben hätte! Wenn der berliner Correspondent
der Times z. B. seine Briefe mit Criminalgeschichten des preußischen Staaieö
und mit Criminalhypothesen aller Deutschen füllen, und daraus Schlüsse aus
den Charakter der deutschen Nation ziehen würde! Solch einen Flederwisch
würden wir ins Tollhaus sperren, wofern die berliner Polizei den seltenen
Takt hätte, ihn nicht auszuweisen. Bei Hydepark soll ein verrückter Maler
wohnen, der Jahr aus Jahr ein große Historienbilder mit Dreck malt. Aber
es ist uns nicht bekannt, daß er je einen Bewunderer seiner Manier ge¬
sunden hat.

DaS Feriren ist überhaupt eine leichte Sache. Der Kritik wirds in dieser
Welt an Tross wol niemals fehlen. Nur schadet sich der Kritiker, wenn er
nach allen Seiten hin mit gleicher Hast dreinschlägt. Wenn im Parlamente


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[0031] lehrten der Journalistik nicht erzählt hätten, daß es bestochen sei, aber tre Be¬ weise sind sie schuldig geblieben, während sie doch sonst in verdienstlicher Weqe auf juridische Präciston ein großes Gewicht legen, und so weit gehen, den russischen (wahrscheinlich auch den trojanischen) Krieg nicht als Krieg anzuer¬ kennen, weil die Kriegserklärung nicht correct genug formulirt war. Die Organe der Regierung kennt jeder Zeitungsleser, und die Schmuz.ge Geschichte Birch-Clarendon ist von der englischen Presse breit genug erzählt worden. Wozu demnach fortwährend Anschuldigungen ohne Beweise vorbringen, und andere verdächtigen, um sich mit dem Glorienschein der Gedankentiefe zu umgeben? Auf jeden Journalisten ist eine Einwirkung möglich, sie ist möglich auf jeden Menschen. Bringt Einen mit einem Manne zusammen, der ihm durch das Gewicht seiner Stellung im Staate oder durch die Überlegenheit seines Geistes imponirt, so wird er sich von dessen Einfluß schwerlich ganz frei erhalten, vorausgesetzt, daß er ihm mit tiefgewurzelten Mißtrauen, oder alt den allerentgegengesetzlesten Ansichten gegenübertrat. Man wird beeinflußt durch die Ueberlegenheit eines anderen; man eignet sich mehr oder weniger die Anschauungsweise derer an, mit denen man in Berührung kommt, das liegt in der Natur eines jeden Menschen. Wenn Diplomaten — russische, englische oder japanesische - diese Eigenthümlichkeit der Menschennatur benutzen, und wenn sie können, auch die Schwächen eines Leitartikelschreibers ausbeuten, so thun sie, was ihres Amtes ist. Ein Journal aber, das für oder wider einen Staatsmann Partei nimmt, ist darum noch nicht der Gemeinheit, bestochen worden zu sein, überwiesen. Ohne Zweifel gibt es Schmuz genug auch in der englischen Presse, aber daß einer so ohne weiteres bei allen Redacteuren großer Blätter herumlaufen und ihnen ein paar Wund ^ die Hand stecken kann, das ist eine Anschauungsweise, die wir — um höflich zu sein — zu refüsiren uns erlauben müssen. — Wenn ein englischer Correspondent aus einer deutschen Hauptstadt dergleichen allgemeine Nerdammungöurtheile seinen englischen Lesern zum Besten gegeben hätte! Wenn der berliner Correspondent der Times z. B. seine Briefe mit Criminalgeschichten des preußischen Staaieö und mit Criminalhypothesen aller Deutschen füllen, und daraus Schlüsse aus den Charakter der deutschen Nation ziehen würde! Solch einen Flederwisch würden wir ins Tollhaus sperren, wofern die berliner Polizei den seltenen Takt hätte, ihn nicht auszuweisen. Bei Hydepark soll ein verrückter Maler wohnen, der Jahr aus Jahr ein große Historienbilder mit Dreck malt. Aber es ist uns nicht bekannt, daß er je einen Bewunderer seiner Manier ge¬ sunden hat. DaS Feriren ist überhaupt eine leichte Sache. Der Kritik wirds in dieser Welt an Tross wol niemals fehlen. Nur schadet sich der Kritiker, wenn er nach allen Seiten hin mit gleicher Hast dreinschlägt. Wenn im Parlamente

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/31>, abgerufen am 22.12.2024.