Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.bare Offenbarungen nicht für unglaublicher als andere halten." Auch Plu- Dieselbe Disposition der Gemüther, welche dies Verlangen nach der Ganz auf demselben Boden wie in Frankreich die Romane von den taro- bare Offenbarungen nicht für unglaublicher als andere halten." Auch Plu- Dieselbe Disposition der Gemüther, welche dies Verlangen nach der Ganz auf demselben Boden wie in Frankreich die Romane von den taro- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0301" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103434"/> <p xml:id="ID_1077" prev="#ID_1076"> bare Offenbarungen nicht für unglaublicher als andere halten." Auch Plu-<lb/> tarch (ein Schriftsteller, der bei aller Liebenswürdigkeit äußerst wenig Urtheil<lb/> besaß) war sehr im Zweifel darüber, wo bei der Erzählung von Wundern der<lb/> Historiker die Grenze zu ziehen habe, und eine große Anzahl der Schrift¬<lb/> steller des späteren Heidenthums (die Epikuräer ausgenommen) steht auf demselben<lb/> mittleren Standpunkte: ihre Pietät erlaubt ihnen nicht die Sage ganz zu ver¬<lb/> werfen und ihre Kritik nicht sie ganz zu glauben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1078"> Dieselbe Disposition der Gemüther, welche dies Verlangen nach der<lb/> Heiligenlegende hervorgerufen hatte, schuf auch den reichen Vorrath romantischer<lb/> Epen, in denen das chevalereske Ideal des Mittelalters seinen Ausdruck sand.<lb/> Die Sagen von König Artus, Karl dem Großen, den Nibelungen waren für<lb/> die Engländer, Franzosen und Deutschen des -IT. und 13. Jahrhunderts<lb/> dasselbe, was die .Sagen von Herakles und Theseus, den Argonauten und<lb/> dem trojanischen Kriege für die Griechen gewesen waren. Sie waren weder<lb/> anerkannte Dichtung noch beglaubigte Geschichte, sie waren Erzählungen, wie<lb/> sie von Geistern ausgenommen und festgehalten wurden, die nicht das Ver¬<lb/> langen haben, nach der Evidenz zu forschen und die Nothwendigkeit davon<lb/> nicht einsehen. Die Chronik Turpins wurde bekanntlich nicht nur für echte<lb/> Geschichte gehalten, sondern auch durch eine infallible Autorität, Papst Calir-<lb/> tus II., dafür erklärt. Noch im Jahr -1566 wurde sie in die von Skardius zu<lb/> Frankfurt gedruckte Sammlung der ältesten deutschen Schriftsteller aufgenommen.<lb/> Nun ist zwar Karl der Große eine geschichtliche Persönlichkeit, aber wenn wir<lb/> dieses nicht pures Zeugnisse wüßten, die von der Sage unabhängig sind, so<lb/> hätten wir durchaus keinen Beweis dafür. In der That hat auch der Karl<lb/> der Große der Sage mit dem Karl dem Großen der Geschichte ausser dem<lb/> Namen fast nichts gemein. Der Karl der Große der Sage unternimmt einen Zug<lb/> in das heilige Land, erobert Jerusalem und bemächtigt sich der Dornenkrone<lb/> und anderer Reliquien aus der Zeit Christi. Diese bringt er nach Rom, von<lb/> wo sie aber durch einen Saracenenemir Namens Bakar an der Spitze eines<lb/> Heeres nach Spanien entführt werden. Nun zieht Karl der Große wieder<lb/> nach Spanien, um die Reliquien den Saracenen zu entreißen. Auch König<lb/> Artus ist vielleicht eine historische Person, obwol dü's aus Mangel an Zeug¬<lb/> nissen außerhalb der Sage nicht zu constatiren ist; aber ihn sowol als Karl<lb/> den Großen haben die romantischen Dichter zum Gegenstande ihrer Erzählungen<lb/> gemacht, nicht um geschichtlich beglaubigte Thatsachen zu Verherrlichen, sondern<lb/> um ihren Idealen Gestalt zu geben. Diese Erzählungen wurden ohne Ver¬<lb/> dacht angenommen un.d für wahr gehalten, weil sie mit der Empfindungsweise<lb/> der Zeit im Einklange waren und ebensowol die Wißbegierde als die Sym¬<lb/> pathien der Hörer zufrieden stellten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1079" next="#ID_1080"> Ganz auf demselben Boden wie in Frankreich die Romane von den taro-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0301]
bare Offenbarungen nicht für unglaublicher als andere halten." Auch Plu-
tarch (ein Schriftsteller, der bei aller Liebenswürdigkeit äußerst wenig Urtheil
besaß) war sehr im Zweifel darüber, wo bei der Erzählung von Wundern der
Historiker die Grenze zu ziehen habe, und eine große Anzahl der Schrift¬
steller des späteren Heidenthums (die Epikuräer ausgenommen) steht auf demselben
mittleren Standpunkte: ihre Pietät erlaubt ihnen nicht die Sage ganz zu ver¬
werfen und ihre Kritik nicht sie ganz zu glauben.
Dieselbe Disposition der Gemüther, welche dies Verlangen nach der
Heiligenlegende hervorgerufen hatte, schuf auch den reichen Vorrath romantischer
Epen, in denen das chevalereske Ideal des Mittelalters seinen Ausdruck sand.
Die Sagen von König Artus, Karl dem Großen, den Nibelungen waren für
die Engländer, Franzosen und Deutschen des -IT. und 13. Jahrhunderts
dasselbe, was die .Sagen von Herakles und Theseus, den Argonauten und
dem trojanischen Kriege für die Griechen gewesen waren. Sie waren weder
anerkannte Dichtung noch beglaubigte Geschichte, sie waren Erzählungen, wie
sie von Geistern ausgenommen und festgehalten wurden, die nicht das Ver¬
langen haben, nach der Evidenz zu forschen und die Nothwendigkeit davon
nicht einsehen. Die Chronik Turpins wurde bekanntlich nicht nur für echte
Geschichte gehalten, sondern auch durch eine infallible Autorität, Papst Calir-
tus II., dafür erklärt. Noch im Jahr -1566 wurde sie in die von Skardius zu
Frankfurt gedruckte Sammlung der ältesten deutschen Schriftsteller aufgenommen.
Nun ist zwar Karl der Große eine geschichtliche Persönlichkeit, aber wenn wir
dieses nicht pures Zeugnisse wüßten, die von der Sage unabhängig sind, so
hätten wir durchaus keinen Beweis dafür. In der That hat auch der Karl
der Große der Sage mit dem Karl dem Großen der Geschichte ausser dem
Namen fast nichts gemein. Der Karl der Große der Sage unternimmt einen Zug
in das heilige Land, erobert Jerusalem und bemächtigt sich der Dornenkrone
und anderer Reliquien aus der Zeit Christi. Diese bringt er nach Rom, von
wo sie aber durch einen Saracenenemir Namens Bakar an der Spitze eines
Heeres nach Spanien entführt werden. Nun zieht Karl der Große wieder
nach Spanien, um die Reliquien den Saracenen zu entreißen. Auch König
Artus ist vielleicht eine historische Person, obwol dü's aus Mangel an Zeug¬
nissen außerhalb der Sage nicht zu constatiren ist; aber ihn sowol als Karl
den Großen haben die romantischen Dichter zum Gegenstande ihrer Erzählungen
gemacht, nicht um geschichtlich beglaubigte Thatsachen zu Verherrlichen, sondern
um ihren Idealen Gestalt zu geben. Diese Erzählungen wurden ohne Ver¬
dacht angenommen un.d für wahr gehalten, weil sie mit der Empfindungsweise
der Zeit im Einklange waren und ebensowol die Wißbegierde als die Sym¬
pathien der Hörer zufrieden stellten.
Ganz auf demselben Boden wie in Frankreich die Romane von den taro-
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