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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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lich versichert haben, daß ich kein Wort daraus abgeschrieben habe,
und daß also auf mich nicht die geringste Schuld falle" könnte, wenn man
mich auch einer solchen Handlung fähig halten wollte.

Ich bitte Sie, mein verehrter Freund, dies allenfalls auch dem Herrn
Geh. R. Goethe zu sagen, wenn die Rede davon sein sollte. Hoffentlich sehe
ich Sie diesen Nachmittag noch im Erbprinzen, wenn ich meine Taufhand¬
lung noch zeitig genug abschütteln kann.

Den S. März.


Mit wahrer Hochachtung
der Jhrigste
Böttiger.

In Eile.

Am 6. März schrieb Goethe an Schiller:

"Die Hand des allgegenwärtigen Freundes werden Sie in den Acten über
die Veruntreuung von Wallen se eins Lager antreffen. Seine ganze Exi¬
stenz gründet sich auf Mäkelei und Sie werden wohlthun, ihn von sich zu
halten. Wer Pech knetet, klebt seine eignen Hände zusammen. Es paraly-
sirt nichts mehr als irgend ein Verhältniß zu solchen Schuften, die sich unter¬
stehen können, den Octavio einen Buben zu nennen."

Uebrigens erließ er folgende Verordnung:

Es wird hiermit den bei dem hiesigen Theater angestellten Wöchnern aus¬
drücklich untersagt, irgend jemand, es sei wer es wolle, ohne Vorwissen der
Commission, ein Mspt. zu leihen. Auch haben sie, indem Sie Gegenwärti¬
ges präsentiren, anzuzeigen, ob sie das Mspt. von Piccolomini irgend jemand
und auf wie lange Zeit mitgetheilt.


Goethe.

Weimar, den 11. März 1799.

Alle verneinten.

"An den Soufleur S,eyfarth müßte eine Verordnung ergehen, daß er bei
Strafe niemandem, wer eS auch sei, ohne Vorwissen der Commission ein Mspt.
zu borgen habe.


G."

Weimar, 16. März 1799.

Auf Böttiger dem "Allgegenwärtigen" blieb der dringende Verdacht, der
bei Goethe und Schiller selbst sich zur festen Ueberzeugung gesteigert haben
mag, daß er als eine indiscrete, Herumträgerische und spionirende Natur die
Abschrift heimlich genommen und nach Kopenhagen geschickt habe. Um sich
weißzubrennen, scheint er sich von der Schriftstellerin Friederike Brun aus
Kopenhagen einen ostensibeln Brief verschafft zu haben, in' welchem die Dame
wahrscheinlich zu machen sucht, daß das Stück in Kopenhagen aus brieflich
mitgetheilten einzelnen Stellen zusammengesetzt worden sei, und sich piquirt
über Goethe und die Theatercommission ausspricht, weil diese so viel Lärm
um Verletzung des Geheimnisses bei einem Stück mache, das doch öffentlich
gespielt sei. In Bezug darauf schreibt Goethe noch folgenden interessanten


lich versichert haben, daß ich kein Wort daraus abgeschrieben habe,
und daß also auf mich nicht die geringste Schuld falle» könnte, wenn man
mich auch einer solchen Handlung fähig halten wollte.

Ich bitte Sie, mein verehrter Freund, dies allenfalls auch dem Herrn
Geh. R. Goethe zu sagen, wenn die Rede davon sein sollte. Hoffentlich sehe
ich Sie diesen Nachmittag noch im Erbprinzen, wenn ich meine Taufhand¬
lung noch zeitig genug abschütteln kann.

Den S. März.


Mit wahrer Hochachtung
der Jhrigste
Böttiger.

In Eile.

Am 6. März schrieb Goethe an Schiller:

„Die Hand des allgegenwärtigen Freundes werden Sie in den Acten über
die Veruntreuung von Wallen se eins Lager antreffen. Seine ganze Exi¬
stenz gründet sich auf Mäkelei und Sie werden wohlthun, ihn von sich zu
halten. Wer Pech knetet, klebt seine eignen Hände zusammen. Es paraly-
sirt nichts mehr als irgend ein Verhältniß zu solchen Schuften, die sich unter¬
stehen können, den Octavio einen Buben zu nennen."

Uebrigens erließ er folgende Verordnung:

Es wird hiermit den bei dem hiesigen Theater angestellten Wöchnern aus¬
drücklich untersagt, irgend jemand, es sei wer es wolle, ohne Vorwissen der
Commission, ein Mspt. zu leihen. Auch haben sie, indem Sie Gegenwärti¬
ges präsentiren, anzuzeigen, ob sie das Mspt. von Piccolomini irgend jemand
und auf wie lange Zeit mitgetheilt.


Goethe.

Weimar, den 11. März 1799.

Alle verneinten.

„An den Soufleur S,eyfarth müßte eine Verordnung ergehen, daß er bei
Strafe niemandem, wer eS auch sei, ohne Vorwissen der Commission ein Mspt.
zu borgen habe.


G."

Weimar, 16. März 1799.

Auf Böttiger dem „Allgegenwärtigen" blieb der dringende Verdacht, der
bei Goethe und Schiller selbst sich zur festen Ueberzeugung gesteigert haben
mag, daß er als eine indiscrete, Herumträgerische und spionirende Natur die
Abschrift heimlich genommen und nach Kopenhagen geschickt habe. Um sich
weißzubrennen, scheint er sich von der Schriftstellerin Friederike Brun aus
Kopenhagen einen ostensibeln Brief verschafft zu haben, in' welchem die Dame
wahrscheinlich zu machen sucht, daß das Stück in Kopenhagen aus brieflich
mitgetheilten einzelnen Stellen zusammengesetzt worden sei, und sich piquirt
über Goethe und die Theatercommission ausspricht, weil diese so viel Lärm
um Verletzung des Geheimnisses bei einem Stück mache, das doch öffentlich
gespielt sei. In Bezug darauf schreibt Goethe noch folgenden interessanten


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[0268] lich versichert haben, daß ich kein Wort daraus abgeschrieben habe, und daß also auf mich nicht die geringste Schuld falle» könnte, wenn man mich auch einer solchen Handlung fähig halten wollte. Ich bitte Sie, mein verehrter Freund, dies allenfalls auch dem Herrn Geh. R. Goethe zu sagen, wenn die Rede davon sein sollte. Hoffentlich sehe ich Sie diesen Nachmittag noch im Erbprinzen, wenn ich meine Taufhand¬ lung noch zeitig genug abschütteln kann. Den S. März. Mit wahrer Hochachtung der Jhrigste Böttiger. In Eile. Am 6. März schrieb Goethe an Schiller: „Die Hand des allgegenwärtigen Freundes werden Sie in den Acten über die Veruntreuung von Wallen se eins Lager antreffen. Seine ganze Exi¬ stenz gründet sich auf Mäkelei und Sie werden wohlthun, ihn von sich zu halten. Wer Pech knetet, klebt seine eignen Hände zusammen. Es paraly- sirt nichts mehr als irgend ein Verhältniß zu solchen Schuften, die sich unter¬ stehen können, den Octavio einen Buben zu nennen." Uebrigens erließ er folgende Verordnung: Es wird hiermit den bei dem hiesigen Theater angestellten Wöchnern aus¬ drücklich untersagt, irgend jemand, es sei wer es wolle, ohne Vorwissen der Commission, ein Mspt. zu leihen. Auch haben sie, indem Sie Gegenwärti¬ ges präsentiren, anzuzeigen, ob sie das Mspt. von Piccolomini irgend jemand und auf wie lange Zeit mitgetheilt. Goethe. Weimar, den 11. März 1799. Alle verneinten. „An den Soufleur S,eyfarth müßte eine Verordnung ergehen, daß er bei Strafe niemandem, wer eS auch sei, ohne Vorwissen der Commission ein Mspt. zu borgen habe. G." Weimar, 16. März 1799. Auf Böttiger dem „Allgegenwärtigen" blieb der dringende Verdacht, der bei Goethe und Schiller selbst sich zur festen Ueberzeugung gesteigert haben mag, daß er als eine indiscrete, Herumträgerische und spionirende Natur die Abschrift heimlich genommen und nach Kopenhagen geschickt habe. Um sich weißzubrennen, scheint er sich von der Schriftstellerin Friederike Brun aus Kopenhagen einen ostensibeln Brief verschafft zu haben, in' welchem die Dame wahrscheinlich zu machen sucht, daß das Stück in Kopenhagen aus brieflich mitgetheilten einzelnen Stellen zusammengesetzt worden sei, und sich piquirt über Goethe und die Theatercommission ausspricht, weil diese so viel Lärm um Verletzung des Geheimnisses bei einem Stück mache, das doch öffentlich gespielt sei. In Bezug darauf schreibt Goethe noch folgenden interessanten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/268>, abgerufen am 22.12.2024.