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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Nus verloren. Schon zur Zeit Abbas des Großen war ihre Blüte vorüber,
und seitdem haben die Folgen der Entwicklung der Weltschiffahrt nach der
Auffindung des Seewegs um das Vorgebirge der guten Hoffnung in noch
höher", Maße zur Verödung der Königsstraße beigetragen.

Die Stadt Herat versendet auf dieser Straße außer ihren beiden Stapel¬
artikeln Safran und Asa foetida auch noch ein unter dem Namen Birzund
bekanntes Gummi und einen eigenthümlichen gelben Färbestoff, welcher Jspi-
ruk heißt, serner Manna, Mastix, Pistaziennüsse, dann auch nach Indien
Pferde und getrocknetes Obst in Menge. Die berühmten Schwertklingen von
Khorassan werden in Herat gefertigt und von da ausgeführt; sie sind die Ar¬
beiten der Abkömmlinge einer Colonie von Waffenschmieden, welche Timur von
Damast nach Herat versetzt hat. Die seidenen und wollenen Teppiche, die in
dieser Stadt in allen Größen und mit den prachtvollsten Farben fabricirt
werden, sind nicht mehr Gegenstand eines> so lebhaften Handels, wie in frühern
Zeiten. Für die kostbarsten zahlte man sonst 1000 Rupien per Stück, da aber
der Landtransport für so werthvolle Waaren zu unsicher ist, so werden sie nur
selten versandt. Auch Seide wird in der Nachbarschaft von Herat gewonnen,
aber ganz im Lande verbraucht. Das hier erzeugte Rosenwasser wird selbst
dem von Schiras vorgezogen. Die Handelsartikel, welche Herat aus Ostin¬
dien, Kaschmir, Kabul und Buchara empfängt und meist wieder nach Mesched,
Jesd, Kerman und Jspahan ausführt, bestehen in Shawls, Zitz, Musselin,
Leder, Häuten, Zucker, Indigo :c. Die genannten persischen Plätze bezahlen
die über Herat eingeführten Waaren mit feinem Tuch, Silber, Geschirr, Kupfer,
Pfeffer und Zuckerkandi, Kerman vorzüglich mit Datteln und Shawls, und
Mesched trägt mit einigen Manufacturen selbstständig zu dem Verkehr der
Königsstraße bei.

Diese Straße ist es, welche der an ihr liegenden Oasenstadt Herat außer
der commerciellen auch eine große strategische Bedeutung verleiht und sie zu
einem wichtigen, alle erforderlichen Hilfsmittel in hinreichendem Maße dar¬
bietenden Etappenorte für ein russisches Kriegsheer machen würde, das die
Bestimmung hätte, von Rußlands asiatischen Besitzungen aus gegen die Län¬
der am Indus und Ganges vorzugehen. Diese strategische Wichtigkeit in Ver¬
bindung mit der angeblichen Russengcfahr hat vor beinahe zwei Jahrzehnten
den Krieg Englands gegen daS ihm damals feindliche Afghanistan hervorgeru¬
fen und es in unsern Tagen bestimmt, sich in den Streit zwischen den jetzt
ihm verbündeten Afghanen und dem Schahinschah von Iran um den Besitz
von Herat zu mischen. Auf die geschichtliche Entwicklung dieser Verhältnisse
kommen wir vielleicht ein ander Mal zurück.




Nus verloren. Schon zur Zeit Abbas des Großen war ihre Blüte vorüber,
und seitdem haben die Folgen der Entwicklung der Weltschiffahrt nach der
Auffindung des Seewegs um das Vorgebirge der guten Hoffnung in noch
höher», Maße zur Verödung der Königsstraße beigetragen.

Die Stadt Herat versendet auf dieser Straße außer ihren beiden Stapel¬
artikeln Safran und Asa foetida auch noch ein unter dem Namen Birzund
bekanntes Gummi und einen eigenthümlichen gelben Färbestoff, welcher Jspi-
ruk heißt, serner Manna, Mastix, Pistaziennüsse, dann auch nach Indien
Pferde und getrocknetes Obst in Menge. Die berühmten Schwertklingen von
Khorassan werden in Herat gefertigt und von da ausgeführt; sie sind die Ar¬
beiten der Abkömmlinge einer Colonie von Waffenschmieden, welche Timur von
Damast nach Herat versetzt hat. Die seidenen und wollenen Teppiche, die in
dieser Stadt in allen Größen und mit den prachtvollsten Farben fabricirt
werden, sind nicht mehr Gegenstand eines> so lebhaften Handels, wie in frühern
Zeiten. Für die kostbarsten zahlte man sonst 1000 Rupien per Stück, da aber
der Landtransport für so werthvolle Waaren zu unsicher ist, so werden sie nur
selten versandt. Auch Seide wird in der Nachbarschaft von Herat gewonnen,
aber ganz im Lande verbraucht. Das hier erzeugte Rosenwasser wird selbst
dem von Schiras vorgezogen. Die Handelsartikel, welche Herat aus Ostin¬
dien, Kaschmir, Kabul und Buchara empfängt und meist wieder nach Mesched,
Jesd, Kerman und Jspahan ausführt, bestehen in Shawls, Zitz, Musselin,
Leder, Häuten, Zucker, Indigo :c. Die genannten persischen Plätze bezahlen
die über Herat eingeführten Waaren mit feinem Tuch, Silber, Geschirr, Kupfer,
Pfeffer und Zuckerkandi, Kerman vorzüglich mit Datteln und Shawls, und
Mesched trägt mit einigen Manufacturen selbstständig zu dem Verkehr der
Königsstraße bei.

Diese Straße ist es, welche der an ihr liegenden Oasenstadt Herat außer
der commerciellen auch eine große strategische Bedeutung verleiht und sie zu
einem wichtigen, alle erforderlichen Hilfsmittel in hinreichendem Maße dar¬
bietenden Etappenorte für ein russisches Kriegsheer machen würde, das die
Bestimmung hätte, von Rußlands asiatischen Besitzungen aus gegen die Län¬
der am Indus und Ganges vorzugehen. Diese strategische Wichtigkeit in Ver¬
bindung mit der angeblichen Russengcfahr hat vor beinahe zwei Jahrzehnten
den Krieg Englands gegen daS ihm damals feindliche Afghanistan hervorgeru¬
fen und es in unsern Tagen bestimmt, sich in den Streit zwischen den jetzt
ihm verbündeten Afghanen und dem Schahinschah von Iran um den Besitz
von Herat zu mischen. Auf die geschichtliche Entwicklung dieser Verhältnisse
kommen wir vielleicht ein ander Mal zurück.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/264>, abgerufen am 22.07.2024.