Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.Kandcihar bis unfern der Grenzen des angloindischen Reichs auszudehnen. Kandcihar bis unfern der Grenzen des angloindischen Reichs auszudehnen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0255" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103388"/> <p xml:id="ID_899" prev="#ID_898" next="#ID_900"> Kandcihar bis unfern der Grenzen des angloindischen Reichs auszudehnen.<lb/> Die persische Belagerung Herats im Jahr -1838 wurde erst dann aufgehoben,<lb/> als der Schah die Nachricht von dem Einlaufen eines britischen Geschwaders<lb/> in den persischen Meerbusen erhalten hatte. Und im Jahr 1836 war es<lb/> wieder die Belagerung Herats durch die Perser, was die Kriegserklärung der<lb/> Briten gegen die letztern und die Absenkung einer englischen Flotte nach dem<lb/> Persischen Golf veranlaßte. Und wieder sind es die Nüssen, die hinter den schwa¬<lb/> chen Persern stehen. Wenn man in der neuesten Zeit wieder, wie schon öfter,<lb/> von manchen Seiten, der russischen Politik weitausgreifende Pläne gegen die<lb/> englischen Besitzungen in Ostindien unterlegt und ihr sogar die Absicht zu¬<lb/> schreibt, einen Kriegszug bis an den Indus, ja bis an den Ganges zu wagen,<lb/> so halten andere, auf ihre Kenntniß der geographischen und strategischen Ver¬<lb/> hältnisse und der ungeheuern Schwierigkeiten eines solchen Kriegszuges ge¬<lb/> stützt, jene angeblichen Pläne geradezu für abenteuerlich und chimärisch und<lb/> trauen der russischen Politik keine solche Umsichtslosigkeit, keinen solchen Un¬<lb/> verstand zu, daß sie im Ernst an einen solchen Kriegszug denken könne. Wie<lb/> dem auch sei, die Engländer selbst scheinen das Vorhandensein solcher rus¬<lb/> sischer Pläne nicht für unmöglich zu halten und sehen den russischen An¬<lb/> zettelungen in Mittelasien nicht gleichgiltig und unthätig zu. Wenn Rußland<lb/> auch nicht den Gedanken an einen unmittelbaren Angriff aus das anglo-<lb/> indische Reich, an einen militärischen Aufmarsch gegen die Grenze Indiens<lb/> hegt, so geht es jedenfalls damit um und ist im Stande, den Briten in<lb/> Indien nicht geringe Verlegenheiten dadurch zu bereiten, daß es die inner¬<lb/> asiatischen Völker und Staaten mehr und mehr in sein Interesse zieht und<lb/> seinen Einfluß immer näher den Eingangspforten Hindostans zu tragen sucht.<lb/> Die nebenbuhlerischen und eifersüchtigen Bestrebungen der beiven Großmächte<lb/> in Asten begannen schon im vorigen Jahrhundert. Anfangs bildete den Gegen¬<lb/> stand der Eisersucht der vortheilhafte Handel Perstens, der seinen Weg größten-<lb/> theils über Rußland nimmt, während mit dem britischen Ostindien eigentlich<lb/> nur der persische Hafen von Buschir am persischen Golf verkehrt; aber bald<lb/> kam auch das politische Moment hinzu. Potemkin und ein Fürst von Nassau-<lb/> Siegen entwarfen schon unter der Negierung der Kaiserin Katharina II. Pläne<lb/> zur Eroberung von Britisch-Jndien. Mit ähnlichen Gedanken trug sich auch<lb/> Kaiser Paul, und man behauptet, Yermoloff und Paskiewitsch hätten einst<lb/> ausführlich motivirte Gutachten über die Thunlichkeit eines russischen Heerzugs<lb/> nach Indien abgegeben, aber beide hätten von einem solchen Unternehmen<lb/> abgerathen. Letzteres ist um so glaublicher, als es ganz im Einklange steht<lb/> mit dem, was Karamsin über Rußlands auswärtige Politik als Norm aufstellt.<lb/> Er sagt nämlich: „Ziel und Charakter unserer auswärtigen Politik war un¬<lb/> veränderlich: Frieden mit einem jeden zu suchen und ohne Krieg Eroberungen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0255]
Kandcihar bis unfern der Grenzen des angloindischen Reichs auszudehnen.
Die persische Belagerung Herats im Jahr -1838 wurde erst dann aufgehoben,
als der Schah die Nachricht von dem Einlaufen eines britischen Geschwaders
in den persischen Meerbusen erhalten hatte. Und im Jahr 1836 war es
wieder die Belagerung Herats durch die Perser, was die Kriegserklärung der
Briten gegen die letztern und die Absenkung einer englischen Flotte nach dem
Persischen Golf veranlaßte. Und wieder sind es die Nüssen, die hinter den schwa¬
chen Persern stehen. Wenn man in der neuesten Zeit wieder, wie schon öfter,
von manchen Seiten, der russischen Politik weitausgreifende Pläne gegen die
englischen Besitzungen in Ostindien unterlegt und ihr sogar die Absicht zu¬
schreibt, einen Kriegszug bis an den Indus, ja bis an den Ganges zu wagen,
so halten andere, auf ihre Kenntniß der geographischen und strategischen Ver¬
hältnisse und der ungeheuern Schwierigkeiten eines solchen Kriegszuges ge¬
stützt, jene angeblichen Pläne geradezu für abenteuerlich und chimärisch und
trauen der russischen Politik keine solche Umsichtslosigkeit, keinen solchen Un¬
verstand zu, daß sie im Ernst an einen solchen Kriegszug denken könne. Wie
dem auch sei, die Engländer selbst scheinen das Vorhandensein solcher rus¬
sischer Pläne nicht für unmöglich zu halten und sehen den russischen An¬
zettelungen in Mittelasien nicht gleichgiltig und unthätig zu. Wenn Rußland
auch nicht den Gedanken an einen unmittelbaren Angriff aus das anglo-
indische Reich, an einen militärischen Aufmarsch gegen die Grenze Indiens
hegt, so geht es jedenfalls damit um und ist im Stande, den Briten in
Indien nicht geringe Verlegenheiten dadurch zu bereiten, daß es die inner¬
asiatischen Völker und Staaten mehr und mehr in sein Interesse zieht und
seinen Einfluß immer näher den Eingangspforten Hindostans zu tragen sucht.
Die nebenbuhlerischen und eifersüchtigen Bestrebungen der beiven Großmächte
in Asten begannen schon im vorigen Jahrhundert. Anfangs bildete den Gegen¬
stand der Eisersucht der vortheilhafte Handel Perstens, der seinen Weg größten-
theils über Rußland nimmt, während mit dem britischen Ostindien eigentlich
nur der persische Hafen von Buschir am persischen Golf verkehrt; aber bald
kam auch das politische Moment hinzu. Potemkin und ein Fürst von Nassau-
Siegen entwarfen schon unter der Negierung der Kaiserin Katharina II. Pläne
zur Eroberung von Britisch-Jndien. Mit ähnlichen Gedanken trug sich auch
Kaiser Paul, und man behauptet, Yermoloff und Paskiewitsch hätten einst
ausführlich motivirte Gutachten über die Thunlichkeit eines russischen Heerzugs
nach Indien abgegeben, aber beide hätten von einem solchen Unternehmen
abgerathen. Letzteres ist um so glaublicher, als es ganz im Einklange steht
mit dem, was Karamsin über Rußlands auswärtige Politik als Norm aufstellt.
Er sagt nämlich: „Ziel und Charakter unserer auswärtigen Politik war un¬
veränderlich: Frieden mit einem jeden zu suchen und ohne Krieg Eroberungen
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