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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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conius die Hochzeiterin in des or. Oswaldus Berus Haus, da tanzte man
unten im Saal, es war viel Volk und stattliche Leute dabei. Meister Lorenz
schlug die Laute und der Christelin geigte dazu, denn damals war die Viola
noch nicht so im Bauch, wie in jetziger Zeit. Ich wollte artig thun mit
meiner Hochzeiterin, wie ich in Frankreich bei den Tänzen gewöhnt worden
war, weil sie mich aber freundlich abmahnte und sich schämte, ließ ich ab,
tanzte auch, doch allein, eine Gaillarde auf Myconii Anstiften.

Darnach zogen wir wieder zum Nachtessen in meines Vaters Haus. Als
es ziemlich spät war, nahm man voneinander Abschied, und damit es nicht
viel Lärm und Neckerei gebe, verbarg ich mich in meines Vaters Kammer,
wohin man auch stillschweigend meine Hochzeiterin versteckte, von der ihr Vater
mit so großem Weinen Abschied nahm, daß ich meinte, sie würde sich ganz
Zerweinen. Ich führte sie in meines Vaters Stüblein daneben, und es ka¬
men etliche Frauen von ihrer Bekanntschaft zu ihr und trösteten sie: denen
gab ich von einem Claret zu trinken, welchen ich in einem Fäßlein hinter
dem Ofen verwahrte, und den ich selbst sehr gut gemacht hatte. Und als sie
hinwegschieden, kam meine Mutter, die allzeit fröhlich war, und sagte, die
junge Burschenschaft suche mich, wir sollten uns verbergen und schlafen gehen,
und führte uns heimlich die Hinterstiege hinauf in meine Kammer. Dort
saßen wir eine Weile, und weil es kalt war, fror uns übel, da legten wir
uns im Namen Gottes schlafen, und wußte niemand von der Burschenschaft,
wo wir hingekommen waren. Wir hörten eine Weile nachher meine Mutter
hinaufkommen über das verborgene Gemach, dort saß sie und sang mit Heller
Stimme wie eine junge Tochter, va sie doch schon im höchsten Alter war,
worüber meine Hochzeiterin herzlich lachte.

Am Dienstag Morgen brachte die Magd meiner Hochzeiterin, das Käth-
lein, ihr andere Kleider, die ließen wir ein, und da es ein holdseliges Frauen¬
zimmer war, trieb es viel seltsamen Schnak. Hernach sammelte sich das Hoch-
zeitsvvlk wieder zum Mittagessen, das um 11 Uhr anfing, denn damals hatte
man nicht so verkehrte Zeit, wie jetzt in bösem Brauch ist. Es waren eben¬
soviel Tische besetzt als am ersten Tag, und die Tractation nicht geringer,
dazu das Brautmus, das man jetzt anstatt des Weinwarmen aufsetzte. Man
tanzte aber nach dem Essen bis zur Nacht Und bei dem Nachtessen war noch
eine gute Zahl Volk und sonderlich alle Jungfrauen, die alle bei guter Zeit
Urlaub nahmen und heimzogen. Man hatte reichlich Geschenke' gegeben auf
der Hochzeit. Davon habe ich nichts bekommen als ein Becherlein und zwei
Ducaten, das Uebrige nahm mein Vater zur Bestreitung der Unkosten, soweit
es reichen wollte, und später, sobald ich etwas erwarb, habe auch ich noch für
die Kleider ihm viel abgezahlt. Mein Vater nahm auch die hundert Gulden,
die meine Frau mir zugebracht hatte, und bezahlte gleichfalls damit ab. Mein


conius die Hochzeiterin in des or. Oswaldus Berus Haus, da tanzte man
unten im Saal, es war viel Volk und stattliche Leute dabei. Meister Lorenz
schlug die Laute und der Christelin geigte dazu, denn damals war die Viola
noch nicht so im Bauch, wie in jetziger Zeit. Ich wollte artig thun mit
meiner Hochzeiterin, wie ich in Frankreich bei den Tänzen gewöhnt worden
war, weil sie mich aber freundlich abmahnte und sich schämte, ließ ich ab,
tanzte auch, doch allein, eine Gaillarde auf Myconii Anstiften.

Darnach zogen wir wieder zum Nachtessen in meines Vaters Haus. Als
es ziemlich spät war, nahm man voneinander Abschied, und damit es nicht
viel Lärm und Neckerei gebe, verbarg ich mich in meines Vaters Kammer,
wohin man auch stillschweigend meine Hochzeiterin versteckte, von der ihr Vater
mit so großem Weinen Abschied nahm, daß ich meinte, sie würde sich ganz
Zerweinen. Ich führte sie in meines Vaters Stüblein daneben, und es ka¬
men etliche Frauen von ihrer Bekanntschaft zu ihr und trösteten sie: denen
gab ich von einem Claret zu trinken, welchen ich in einem Fäßlein hinter
dem Ofen verwahrte, und den ich selbst sehr gut gemacht hatte. Und als sie
hinwegschieden, kam meine Mutter, die allzeit fröhlich war, und sagte, die
junge Burschenschaft suche mich, wir sollten uns verbergen und schlafen gehen,
und führte uns heimlich die Hinterstiege hinauf in meine Kammer. Dort
saßen wir eine Weile, und weil es kalt war, fror uns übel, da legten wir
uns im Namen Gottes schlafen, und wußte niemand von der Burschenschaft,
wo wir hingekommen waren. Wir hörten eine Weile nachher meine Mutter
hinaufkommen über das verborgene Gemach, dort saß sie und sang mit Heller
Stimme wie eine junge Tochter, va sie doch schon im höchsten Alter war,
worüber meine Hochzeiterin herzlich lachte.

Am Dienstag Morgen brachte die Magd meiner Hochzeiterin, das Käth-
lein, ihr andere Kleider, die ließen wir ein, und da es ein holdseliges Frauen¬
zimmer war, trieb es viel seltsamen Schnak. Hernach sammelte sich das Hoch-
zeitsvvlk wieder zum Mittagessen, das um 11 Uhr anfing, denn damals hatte
man nicht so verkehrte Zeit, wie jetzt in bösem Brauch ist. Es waren eben¬
soviel Tische besetzt als am ersten Tag, und die Tractation nicht geringer,
dazu das Brautmus, das man jetzt anstatt des Weinwarmen aufsetzte. Man
tanzte aber nach dem Essen bis zur Nacht Und bei dem Nachtessen war noch
eine gute Zahl Volk und sonderlich alle Jungfrauen, die alle bei guter Zeit
Urlaub nahmen und heimzogen. Man hatte reichlich Geschenke' gegeben auf
der Hochzeit. Davon habe ich nichts bekommen als ein Becherlein und zwei
Ducaten, das Uebrige nahm mein Vater zur Bestreitung der Unkosten, soweit
es reichen wollte, und später, sobald ich etwas erwarb, habe auch ich noch für
die Kleider ihm viel abgezahlt. Mein Vater nahm auch die hundert Gulden,
die meine Frau mir zugebracht hatte, und bezahlte gleichfalls damit ab. Mein


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[0245] conius die Hochzeiterin in des or. Oswaldus Berus Haus, da tanzte man unten im Saal, es war viel Volk und stattliche Leute dabei. Meister Lorenz schlug die Laute und der Christelin geigte dazu, denn damals war die Viola noch nicht so im Bauch, wie in jetziger Zeit. Ich wollte artig thun mit meiner Hochzeiterin, wie ich in Frankreich bei den Tänzen gewöhnt worden war, weil sie mich aber freundlich abmahnte und sich schämte, ließ ich ab, tanzte auch, doch allein, eine Gaillarde auf Myconii Anstiften. Darnach zogen wir wieder zum Nachtessen in meines Vaters Haus. Als es ziemlich spät war, nahm man voneinander Abschied, und damit es nicht viel Lärm und Neckerei gebe, verbarg ich mich in meines Vaters Kammer, wohin man auch stillschweigend meine Hochzeiterin versteckte, von der ihr Vater mit so großem Weinen Abschied nahm, daß ich meinte, sie würde sich ganz Zerweinen. Ich führte sie in meines Vaters Stüblein daneben, und es ka¬ men etliche Frauen von ihrer Bekanntschaft zu ihr und trösteten sie: denen gab ich von einem Claret zu trinken, welchen ich in einem Fäßlein hinter dem Ofen verwahrte, und den ich selbst sehr gut gemacht hatte. Und als sie hinwegschieden, kam meine Mutter, die allzeit fröhlich war, und sagte, die junge Burschenschaft suche mich, wir sollten uns verbergen und schlafen gehen, und führte uns heimlich die Hinterstiege hinauf in meine Kammer. Dort saßen wir eine Weile, und weil es kalt war, fror uns übel, da legten wir uns im Namen Gottes schlafen, und wußte niemand von der Burschenschaft, wo wir hingekommen waren. Wir hörten eine Weile nachher meine Mutter hinaufkommen über das verborgene Gemach, dort saß sie und sang mit Heller Stimme wie eine junge Tochter, va sie doch schon im höchsten Alter war, worüber meine Hochzeiterin herzlich lachte. Am Dienstag Morgen brachte die Magd meiner Hochzeiterin, das Käth- lein, ihr andere Kleider, die ließen wir ein, und da es ein holdseliges Frauen¬ zimmer war, trieb es viel seltsamen Schnak. Hernach sammelte sich das Hoch- zeitsvvlk wieder zum Mittagessen, das um 11 Uhr anfing, denn damals hatte man nicht so verkehrte Zeit, wie jetzt in bösem Brauch ist. Es waren eben¬ soviel Tische besetzt als am ersten Tag, und die Tractation nicht geringer, dazu das Brautmus, das man jetzt anstatt des Weinwarmen aufsetzte. Man tanzte aber nach dem Essen bis zur Nacht Und bei dem Nachtessen war noch eine gute Zahl Volk und sonderlich alle Jungfrauen, die alle bei guter Zeit Urlaub nahmen und heimzogen. Man hatte reichlich Geschenke' gegeben auf der Hochzeit. Davon habe ich nichts bekommen als ein Becherlein und zwei Ducaten, das Uebrige nahm mein Vater zur Bestreitung der Unkosten, soweit es reichen wollte, und später, sobald ich etwas erwarb, habe auch ich noch für die Kleider ihm viel abgezahlt. Mein Vater nahm auch die hundert Gulden, die meine Frau mir zugebracht hatte, und bezahlte gleichfalls damit ab. Mein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/245>, abgerufen am 23.07.2024.