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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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meinige voraus, und ich und Daniel mit dem Frauenzimmer nach im freund¬
lichem Gespräch, in welchem die Dorothee, die etwas dreister mit Reden war,
herausbrach und sagte: wenn Zwei einander gern sehen und haben, soll mans
nicht lang machen, denn gar schnell könnte ein Unglück dazwischen kommen.
Beim Bollwerk schieden wir voneinander, Meister Kranz und seine Gesell¬
schaft gingen zum Steinthor, mein Vater und die Seinen zum'Eschemerthor
hinein heimwärts. Wir legten uns also mit seltsamen Gedanken um meine
Person zur Ruh. --

Mein Schwiegervater und mein Vater faßten einen Rath, daß ich meiner
Zukünftigen vergewissert wurde. Ich fing sie sehr an zu lieben und drang darauf.
Auch ich war ihr nicht zuwider, waS ich zum Theil aus ihr herausgebracht hatte,
als uns der Mutter Vase, die Metzgerin Burlacherin auf ihre Malte vors
Spalenthor zum Kirschenessen geladen, wo wir uns wol aussprechen konnten.
Es wurde beschlossen, Doctor Haus Huber sollte die Werbung thun. Als
dieser von meinem Vater gebeten wurde, that er es gern, bestellte deshalb den
Meister Franz Vormittag in den Münster, that die Werbung und bekam eine
geneigte Antwort für eine Eheverabredung. Am Abend, als Doctor Hans
zu mir kam, verkündete er sie mir mit Frohlocken, wie sein Brauch war, und
wünschte mir Glück, vermeldete jedoch, mein Schwäher begehrte, daß die Sache
still verbliebe, bis mein Doctorat vorüber sei, alsdann könne man die Sache
zu Ende bringen. Damit war ich wol zufrieden. Mein zukünftiger Schwieger¬
vater hatte Lust bekommen, endlich einzuwilligen. Früher hatte er jederzeit
hinter ven Berge gehalten, weil er fürchtete, mein Vater stecke in großen
Schulden, und weil dieser Tischgänger hatte; da er doch seine Tochter, wie er
sagte, nicht gerne in Schulden oder in die Unruhe stoßen wollte. Als er aber
von meinem Vater hörte/daß die Schulden gering gegen das Vermögen wären,
das er an den Häusern und dem Gut noch hätte, und daß er selbst den Willen
habe, .die Tischgänger abzuschaffen, da war er zufrieden, und um so mehr, weil
auch Herr Caspar Krug, später Bürgermeister, der mich gesehen hatte, ihm daS
rieth, und weil sein Sohn Ludwig ihm sagte, er sollte Gott danken, er habe
gute Hoffnung, ich werde ein vornehmer Doctor werden, da ich schon eine
gute Probe an seiner Frau, die zweier Kinder genesen und gar schwach war,
mit Marcipan abgelegt hatte. Diesen hatte ich verordnet, da er damals
noch nicht in Brauch war. So hat meinem Schwiegervater die Sache zuletzt
gar wohl gefallen und ist nicht zuwider gewesen, wenn ich in das Haus gegan¬
gen bin und mit seiner Tochter gesprochen habe. Doch ist dies mehr in seiner
Abwesenheit in "er Stille geschehen, daß ich zur hintern Thür im Gäßlein
still hineingezogen bin und daselbst unten im Haus vielmals mit ihr in aller
Zucht und Ehre geschwatzt habe. Er sprach nichts dawider, sondern that, als
wisse er nicht darum, auch hielt er immer den Handel, so lange er konnte,


meinige voraus, und ich und Daniel mit dem Frauenzimmer nach im freund¬
lichem Gespräch, in welchem die Dorothee, die etwas dreister mit Reden war,
herausbrach und sagte: wenn Zwei einander gern sehen und haben, soll mans
nicht lang machen, denn gar schnell könnte ein Unglück dazwischen kommen.
Beim Bollwerk schieden wir voneinander, Meister Kranz und seine Gesell¬
schaft gingen zum Steinthor, mein Vater und die Seinen zum'Eschemerthor
hinein heimwärts. Wir legten uns also mit seltsamen Gedanken um meine
Person zur Ruh. —

Mein Schwiegervater und mein Vater faßten einen Rath, daß ich meiner
Zukünftigen vergewissert wurde. Ich fing sie sehr an zu lieben und drang darauf.
Auch ich war ihr nicht zuwider, waS ich zum Theil aus ihr herausgebracht hatte,
als uns der Mutter Vase, die Metzgerin Burlacherin auf ihre Malte vors
Spalenthor zum Kirschenessen geladen, wo wir uns wol aussprechen konnten.
Es wurde beschlossen, Doctor Haus Huber sollte die Werbung thun. Als
dieser von meinem Vater gebeten wurde, that er es gern, bestellte deshalb den
Meister Franz Vormittag in den Münster, that die Werbung und bekam eine
geneigte Antwort für eine Eheverabredung. Am Abend, als Doctor Hans
zu mir kam, verkündete er sie mir mit Frohlocken, wie sein Brauch war, und
wünschte mir Glück, vermeldete jedoch, mein Schwäher begehrte, daß die Sache
still verbliebe, bis mein Doctorat vorüber sei, alsdann könne man die Sache
zu Ende bringen. Damit war ich wol zufrieden. Mein zukünftiger Schwieger¬
vater hatte Lust bekommen, endlich einzuwilligen. Früher hatte er jederzeit
hinter ven Berge gehalten, weil er fürchtete, mein Vater stecke in großen
Schulden, und weil dieser Tischgänger hatte; da er doch seine Tochter, wie er
sagte, nicht gerne in Schulden oder in die Unruhe stoßen wollte. Als er aber
von meinem Vater hörte/daß die Schulden gering gegen das Vermögen wären,
das er an den Häusern und dem Gut noch hätte, und daß er selbst den Willen
habe, .die Tischgänger abzuschaffen, da war er zufrieden, und um so mehr, weil
auch Herr Caspar Krug, später Bürgermeister, der mich gesehen hatte, ihm daS
rieth, und weil sein Sohn Ludwig ihm sagte, er sollte Gott danken, er habe
gute Hoffnung, ich werde ein vornehmer Doctor werden, da ich schon eine
gute Probe an seiner Frau, die zweier Kinder genesen und gar schwach war,
mit Marcipan abgelegt hatte. Diesen hatte ich verordnet, da er damals
noch nicht in Brauch war. So hat meinem Schwiegervater die Sache zuletzt
gar wohl gefallen und ist nicht zuwider gewesen, wenn ich in das Haus gegan¬
gen bin und mit seiner Tochter gesprochen habe. Doch ist dies mehr in seiner
Abwesenheit in »er Stille geschehen, daß ich zur hintern Thür im Gäßlein
still hineingezogen bin und daselbst unten im Haus vielmals mit ihr in aller
Zucht und Ehre geschwatzt habe. Er sprach nichts dawider, sondern that, als
wisse er nicht darum, auch hielt er immer den Handel, so lange er konnte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/240>, abgerufen am 25.08.2024.