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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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eine wesentlich friedliche und commercielle Politik; die Eroberungsgedanken, die
man ihr unterstellt, sind unbegründet und durch die Ereignisse widerlegt, seit
dem unglücklichen Kriege Dom Pedro I. hat Brasilien keine Vergrößerung ge¬
wollt, es hat nur zu den Waffen gegriffen, als es von den angrenzenden Re¬
publiken aufs äußerste bedroht war, 1832, als Rosas Schreckensregiment die
Sicherheit seiner Grenzprovinzen bedrohte, verband es sich mit den andern
Südstaaten und stürzte durch die Schlacht von Monte-CacereS den Dictator,
dann zog es sich zurück und ein neuer Vertrag erkannte die Unabhängigkeit
Uruguays an. 183i rückten noch einmal brasilianische Truppen auf dringen¬
des Ersuchen des Präsidenten Flores und infolge einer Clausel, die Brasilien
verpflichtete, Beistand zur Aufrechthaltung der rechtmäßigen Regierung zu leisten,
in das Gebiet der Banda Oriental ein. Dies Corps hat Gewehr im Arm
einer neuen Revolution zugesehen; da es dem Präsidenten Flores in seinen
offenbar verfassungswidrigen Maßregeln nicht beistehen konnte, beschränkte es
sich darauf, die öffentliche Ruhe aufrecht zu halten. Am 13. December 1833
räumten die Truppen das Gebiet von Uruguay wieder. Großen Mächten
gegenüber ist das Benehmen der brasilianischen Regierung stets würdig gewe¬
sen, sie hat nicht aufgehört, gegen die willkürlichen Maßregeln Englands zu
protestiren, welches durch die Bill Aberdeen das DurchsuchungSrecht der Schiffe,
um den Sklavenhandel zu hindern, aufs äußerste trieb und die Verfolgung
verdächtiger Schiffe bis ins Küstenmeer, ja bis auf die Küste selbst autoristrte;
Brasilien hat die englische Regierung dadurch beschämt, daß es selbst den
Sklavenhandel so energisch unterdrückte, daß ihr der Borwand fehlte, daß
Durchsuchungsrecht noch weiter zu üben. 'Als die entartete Demokratie der
Vereinigten Staaten durch die Convention von Memphis 1833 Brasilien
zwingen wollte, dem Cabinet von Washington den Amazonenstrom zu über¬
liefern, fand der amerikanische Gesandte eine so würdige, aber fest ablehnende
Antwort in Rio de Janeiro, daß er für gut fand, seine Forderungen w aller
Stille zurückzuziehen.

Die Eroberung, die Brasilien zu vollbringen hat, ist die seines eignen
Gebietes, dies muß der Cultur gewonnen werden. Es muß seine schönsten
Ströme schiffbar machen, es muß das Innere mit der Küste durch Fahrstraßen
verbinden und der Welt das fast noch verschlossene geheimnißreiche Buch des
Binnenlandes von Südamerika eröffnen. Die Sklaverei ist sehr milde in
Brasilien und nimmt ab, daher ist die Kolonisation seine wichtigste Angelegen¬
heit, die Gesetze, welche die Fremden noch ncichtheilig stellen, müssen aufgehoben
und der Einwandrung aller mögliche Vorschub geleistet werden. Einige Eisen¬
bahnen sind in Angriff genommen, die Provinzialversammlungen beschäftigen
sich eifrig mit dem Wegebau. Was vor allem für die rasch fortschreitende
Entwicklung Brasiliens spricht und wieder sehr zu ihr beiträgt, sind die schnell


eine wesentlich friedliche und commercielle Politik; die Eroberungsgedanken, die
man ihr unterstellt, sind unbegründet und durch die Ereignisse widerlegt, seit
dem unglücklichen Kriege Dom Pedro I. hat Brasilien keine Vergrößerung ge¬
wollt, es hat nur zu den Waffen gegriffen, als es von den angrenzenden Re¬
publiken aufs äußerste bedroht war, 1832, als Rosas Schreckensregiment die
Sicherheit seiner Grenzprovinzen bedrohte, verband es sich mit den andern
Südstaaten und stürzte durch die Schlacht von Monte-CacereS den Dictator,
dann zog es sich zurück und ein neuer Vertrag erkannte die Unabhängigkeit
Uruguays an. 183i rückten noch einmal brasilianische Truppen auf dringen¬
des Ersuchen des Präsidenten Flores und infolge einer Clausel, die Brasilien
verpflichtete, Beistand zur Aufrechthaltung der rechtmäßigen Regierung zu leisten,
in das Gebiet der Banda Oriental ein. Dies Corps hat Gewehr im Arm
einer neuen Revolution zugesehen; da es dem Präsidenten Flores in seinen
offenbar verfassungswidrigen Maßregeln nicht beistehen konnte, beschränkte es
sich darauf, die öffentliche Ruhe aufrecht zu halten. Am 13. December 1833
räumten die Truppen das Gebiet von Uruguay wieder. Großen Mächten
gegenüber ist das Benehmen der brasilianischen Regierung stets würdig gewe¬
sen, sie hat nicht aufgehört, gegen die willkürlichen Maßregeln Englands zu
protestiren, welches durch die Bill Aberdeen das DurchsuchungSrecht der Schiffe,
um den Sklavenhandel zu hindern, aufs äußerste trieb und die Verfolgung
verdächtiger Schiffe bis ins Küstenmeer, ja bis auf die Küste selbst autoristrte;
Brasilien hat die englische Regierung dadurch beschämt, daß es selbst den
Sklavenhandel so energisch unterdrückte, daß ihr der Borwand fehlte, daß
Durchsuchungsrecht noch weiter zu üben. 'Als die entartete Demokratie der
Vereinigten Staaten durch die Convention von Memphis 1833 Brasilien
zwingen wollte, dem Cabinet von Washington den Amazonenstrom zu über¬
liefern, fand der amerikanische Gesandte eine so würdige, aber fest ablehnende
Antwort in Rio de Janeiro, daß er für gut fand, seine Forderungen w aller
Stille zurückzuziehen.

Die Eroberung, die Brasilien zu vollbringen hat, ist die seines eignen
Gebietes, dies muß der Cultur gewonnen werden. Es muß seine schönsten
Ströme schiffbar machen, es muß das Innere mit der Küste durch Fahrstraßen
verbinden und der Welt das fast noch verschlossene geheimnißreiche Buch des
Binnenlandes von Südamerika eröffnen. Die Sklaverei ist sehr milde in
Brasilien und nimmt ab, daher ist die Kolonisation seine wichtigste Angelegen¬
heit, die Gesetze, welche die Fremden noch ncichtheilig stellen, müssen aufgehoben
und der Einwandrung aller mögliche Vorschub geleistet werden. Einige Eisen¬
bahnen sind in Angriff genommen, die Provinzialversammlungen beschäftigen
sich eifrig mit dem Wegebau. Was vor allem für die rasch fortschreitende
Entwicklung Brasiliens spricht und wieder sehr zu ihr beiträgt, sind die schnell


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/22>, abgerufen am 22.07.2024.