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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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sichern Hafen und breitet vor dem Winde des Glücks seine Segel aus ....
Mit dem Bewußtsein, alles vorbereitet, alles gethan zu haben, um sich den
Sieg zu versichern; mit dem Bewußtsein seiner moralischen Überlegenheit;
vertrauend auf die Tapferkeit seiner Heere und gewöhnt an die Gunst des
Glücks, bringt er bei seinen Operationen den Sieg als eine Gewißheit in
Anschlag, er siegt, -- und Wehe dem Besiegten! Denn wie er zu siegen ver¬
steht, so weiß er den Sieg zu benutzen. Er läßt den Gegner nicht zur Be¬
sinnung kommen; er hetzt, umstrickt, schlägt ihn, bis er athemlos, betäubt
und entkräftet hinsinkt. Aber alles ist auf die Gewißheit des Siegs berechnet,
der dem Kühnsten, dem Hartnäckigsten nicht entgeht. Wäre der Sieg ihm bei
Marengo, bei Austerlitz entrissen worden, die Folgen der Verlornen Schlacht
wären damals ebenso verderblich gewesen als der ^Rückzug aus Nußland und
von den Feldern von Leipzig.....Das Leben der Menschen schonte er nicht.
Auch wo kein Erfolg zu erringen ist, wo der Sieg keine Früchte tragen kann,
müssen seine Scharen für den Ruhm zu sterben wissen, weil seine Macht auf
den Glauben an seine Unüberwindlichkeit gegründet ist... . Den Muth, den
militärischen Enthusiasmus seiner Krieger steigerte er aufs Höchste; jedem stand
alles offen; das Verdienst suchte er auf und belohnte es. So viele Beispiele
des Emporschwingens von der niedrigsten Stufe zu den höchsten Ehrenstellen
spornten den Ehrgeiz zur Nacheiferung an, und ließen die Tausende vergessen,
die auf dem Wege dahin ihr Grab gefunden hatten." -- Von allen diesen
Eigenschaften, arif denen zum Theil Napoleons Größe beruhte, findet sich bei
Wellington das Gegentheil. Man sieht, daß auch das Bild eines großen
Feldherrn nicht nach der Schablone entworfen werden darf.

Die Reise nach Nußland haben wir bereits erwähnt. Wenn uns die
Aufsätze über Gagerns Ansichten und Gesinnungen unterrichten, so entwickelt
sich in dem freien Verhalten gegen die Großen der Erde seine Natur und sein
Charakter. Aus diesen leicht hingeworfenen Tagebuchblätteru wird ihn das
Volk am meisten lieben und bewundern lernen; und so möchten wir haupt¬
sächlich auf die berliner Scenen aufmerksam machen, die, wie wir schon da¬
mals bemerkten, hier wiederzugeben kaum thunlich wäre. Das Buch verdient
das ernsthafteste Studium eines jeden, der es für seine Aufgabe hält, in die
politischen Angelegenheiten des Vaterlandes einzugreifen, nicht blos als ein
Schatz gesunder Lebensansicht, reifer Bildung und klaren Verstandes, sondern
vor allem als ein Vorbild. Wie hoch Gagern über seinem Zeitalter stand:
daß ein Mann wie er überhaupt möglich war, zeigt doch schlagend, daß noch
I. S, kein Grund zu hoffnungsloser Verstimmung vorhanden ist.




sichern Hafen und breitet vor dem Winde des Glücks seine Segel aus ....
Mit dem Bewußtsein, alles vorbereitet, alles gethan zu haben, um sich den
Sieg zu versichern; mit dem Bewußtsein seiner moralischen Überlegenheit;
vertrauend auf die Tapferkeit seiner Heere und gewöhnt an die Gunst des
Glücks, bringt er bei seinen Operationen den Sieg als eine Gewißheit in
Anschlag, er siegt, — und Wehe dem Besiegten! Denn wie er zu siegen ver¬
steht, so weiß er den Sieg zu benutzen. Er läßt den Gegner nicht zur Be¬
sinnung kommen; er hetzt, umstrickt, schlägt ihn, bis er athemlos, betäubt
und entkräftet hinsinkt. Aber alles ist auf die Gewißheit des Siegs berechnet,
der dem Kühnsten, dem Hartnäckigsten nicht entgeht. Wäre der Sieg ihm bei
Marengo, bei Austerlitz entrissen worden, die Folgen der Verlornen Schlacht
wären damals ebenso verderblich gewesen als der ^Rückzug aus Nußland und
von den Feldern von Leipzig.....Das Leben der Menschen schonte er nicht.
Auch wo kein Erfolg zu erringen ist, wo der Sieg keine Früchte tragen kann,
müssen seine Scharen für den Ruhm zu sterben wissen, weil seine Macht auf
den Glauben an seine Unüberwindlichkeit gegründet ist... . Den Muth, den
militärischen Enthusiasmus seiner Krieger steigerte er aufs Höchste; jedem stand
alles offen; das Verdienst suchte er auf und belohnte es. So viele Beispiele
des Emporschwingens von der niedrigsten Stufe zu den höchsten Ehrenstellen
spornten den Ehrgeiz zur Nacheiferung an, und ließen die Tausende vergessen,
die auf dem Wege dahin ihr Grab gefunden hatten." — Von allen diesen
Eigenschaften, arif denen zum Theil Napoleons Größe beruhte, findet sich bei
Wellington das Gegentheil. Man sieht, daß auch das Bild eines großen
Feldherrn nicht nach der Schablone entworfen werden darf.

Die Reise nach Nußland haben wir bereits erwähnt. Wenn uns die
Aufsätze über Gagerns Ansichten und Gesinnungen unterrichten, so entwickelt
sich in dem freien Verhalten gegen die Großen der Erde seine Natur und sein
Charakter. Aus diesen leicht hingeworfenen Tagebuchblätteru wird ihn das
Volk am meisten lieben und bewundern lernen; und so möchten wir haupt¬
sächlich auf die berliner Scenen aufmerksam machen, die, wie wir schon da¬
mals bemerkten, hier wiederzugeben kaum thunlich wäre. Das Buch verdient
das ernsthafteste Studium eines jeden, der es für seine Aufgabe hält, in die
politischen Angelegenheiten des Vaterlandes einzugreifen, nicht blos als ein
Schatz gesunder Lebensansicht, reifer Bildung und klaren Verstandes, sondern
vor allem als ein Vorbild. Wie hoch Gagern über seinem Zeitalter stand:
daß ein Mann wie er überhaupt möglich war, zeigt doch schlagend, daß noch
I. S, kein Grund zu hoffnungsloser Verstimmung vorhanden ist.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/190>, abgerufen am 22.07.2024.