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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Wie ich auch ängstlich mich bemühen wollt,
Vor Sünde mein Gewissen rein zu halten,
Und nicht aus Menschenfurcht Gott zu verrathen, --
So ängstlich wär ich auch darum besorgt,
Die Krone meines Herrn nicht zu gefährden,
Die Gottes Hand ihm auf das Haupt gesetzt.
Auch die mißbrauchte Macht, ich hielt sie heilig! --
Und wenn der Fürst mich wollte tödtlich hassen,
Würd ich ihn lieben mit dem ganzen Leben;
Und wollt er mir auch dieses nehmen lassen,
Würd ich ihm sterbend noch den Mord vergeben.

Wenn die Helden und Märtyrer der katholischen Kirche stets den Fuß
geküßt hätten, der sie zertrat, so wäre von der katholischen Kirche überhaupt
schon längst keine Rede mehr. Die Kirche wurde groß durch den rücksichtslosen
gewaltigen Kampf gegen die Mächtigen der Erde, die ihren Lehren zu trotzen
wagten, keineswegs durch demüthige Resignation. Von dieser Seite wird also
der prophetische Dichter seinen Glaubensgenossen einigen Anstoß geben. Wir
wollen eine andere hervorheben, an der wir Protestanten uns erbauen können.
-- Einige Ketzer sind zum Scheiterhaufen verurtheilt, Morus bittet für sie
um Gnade, und als der König darüber in Wuth geräth, gibt er folgende
Erklärung:


O Majestät, das bleibe fern von mir,
Daß ich für Jene wagte, hier zu flehen,
Die, ihrer Lüge sich bewußt, satanisch
Ans Heiltgthum die frechen Hände legen,
Der Kirche Bau planmäßig untergraben;
Verschmitzt in Englands glaubenseinig Herz
Verführerisches Gift der Zwietracht streuen,
Des Volkes Glauben wissend zu verwirren.
Für diese sich ich nicht um eure Gnade,
Und des Gesetzes Arm erreiche sie!
Sonst müßt ich meine Bücher Lügen strafen,
Und an dem Vaterland Verräther werden;
Denn's ist sein Fundament der alte Glaube,
Darauf es einig, stark und sicher ruht.
So hab ich hundertfach es frei bekannt,
Und Kirchenräuber, Hostienschänder hieß ich
Die Diener der Marshalsea züchtigen. --
Doch diese Fünfe. Herr, für die ich bitte,
Die sind Verführte und der Gnade werth.
Sie wußten nicht den Frevel zu ermessen,
Und sie bereuen, daß sie ihn vollführt.
Für sie ist des Gesetzes Spruch zu hart.

Wie ich auch ängstlich mich bemühen wollt,
Vor Sünde mein Gewissen rein zu halten,
Und nicht aus Menschenfurcht Gott zu verrathen, —
So ängstlich wär ich auch darum besorgt,
Die Krone meines Herrn nicht zu gefährden,
Die Gottes Hand ihm auf das Haupt gesetzt.
Auch die mißbrauchte Macht, ich hielt sie heilig! —
Und wenn der Fürst mich wollte tödtlich hassen,
Würd ich ihn lieben mit dem ganzen Leben;
Und wollt er mir auch dieses nehmen lassen,
Würd ich ihm sterbend noch den Mord vergeben.

Wenn die Helden und Märtyrer der katholischen Kirche stets den Fuß
geküßt hätten, der sie zertrat, so wäre von der katholischen Kirche überhaupt
schon längst keine Rede mehr. Die Kirche wurde groß durch den rücksichtslosen
gewaltigen Kampf gegen die Mächtigen der Erde, die ihren Lehren zu trotzen
wagten, keineswegs durch demüthige Resignation. Von dieser Seite wird also
der prophetische Dichter seinen Glaubensgenossen einigen Anstoß geben. Wir
wollen eine andere hervorheben, an der wir Protestanten uns erbauen können.
— Einige Ketzer sind zum Scheiterhaufen verurtheilt, Morus bittet für sie
um Gnade, und als der König darüber in Wuth geräth, gibt er folgende
Erklärung:


O Majestät, das bleibe fern von mir,
Daß ich für Jene wagte, hier zu flehen,
Die, ihrer Lüge sich bewußt, satanisch
Ans Heiltgthum die frechen Hände legen,
Der Kirche Bau planmäßig untergraben;
Verschmitzt in Englands glaubenseinig Herz
Verführerisches Gift der Zwietracht streuen,
Des Volkes Glauben wissend zu verwirren.
Für diese sich ich nicht um eure Gnade,
Und des Gesetzes Arm erreiche sie!
Sonst müßt ich meine Bücher Lügen strafen,
Und an dem Vaterland Verräther werden;
Denn's ist sein Fundament der alte Glaube,
Darauf es einig, stark und sicher ruht.
So hab ich hundertfach es frei bekannt,
Und Kirchenräuber, Hostienschänder hieß ich
Die Diener der Marshalsea züchtigen. —
Doch diese Fünfe. Herr, für die ich bitte,
Die sind Verführte und der Gnade werth.
Sie wußten nicht den Frevel zu ermessen,
Und sie bereuen, daß sie ihn vollführt.
Für sie ist des Gesetzes Spruch zu hart.

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[0144] Wie ich auch ängstlich mich bemühen wollt, Vor Sünde mein Gewissen rein zu halten, Und nicht aus Menschenfurcht Gott zu verrathen, — So ängstlich wär ich auch darum besorgt, Die Krone meines Herrn nicht zu gefährden, Die Gottes Hand ihm auf das Haupt gesetzt. Auch die mißbrauchte Macht, ich hielt sie heilig! — Und wenn der Fürst mich wollte tödtlich hassen, Würd ich ihn lieben mit dem ganzen Leben; Und wollt er mir auch dieses nehmen lassen, Würd ich ihm sterbend noch den Mord vergeben. Wenn die Helden und Märtyrer der katholischen Kirche stets den Fuß geküßt hätten, der sie zertrat, so wäre von der katholischen Kirche überhaupt schon längst keine Rede mehr. Die Kirche wurde groß durch den rücksichtslosen gewaltigen Kampf gegen die Mächtigen der Erde, die ihren Lehren zu trotzen wagten, keineswegs durch demüthige Resignation. Von dieser Seite wird also der prophetische Dichter seinen Glaubensgenossen einigen Anstoß geben. Wir wollen eine andere hervorheben, an der wir Protestanten uns erbauen können. — Einige Ketzer sind zum Scheiterhaufen verurtheilt, Morus bittet für sie um Gnade, und als der König darüber in Wuth geräth, gibt er folgende Erklärung: O Majestät, das bleibe fern von mir, Daß ich für Jene wagte, hier zu flehen, Die, ihrer Lüge sich bewußt, satanisch Ans Heiltgthum die frechen Hände legen, Der Kirche Bau planmäßig untergraben; Verschmitzt in Englands glaubenseinig Herz Verführerisches Gift der Zwietracht streuen, Des Volkes Glauben wissend zu verwirren. Für diese sich ich nicht um eure Gnade, Und des Gesetzes Arm erreiche sie! Sonst müßt ich meine Bücher Lügen strafen, Und an dem Vaterland Verräther werden; Denn's ist sein Fundament der alte Glaube, Darauf es einig, stark und sicher ruht. So hab ich hundertfach es frei bekannt, Und Kirchenräuber, Hostienschänder hieß ich Die Diener der Marshalsea züchtigen. — Doch diese Fünfe. Herr, für die ich bitte, Die sind Verführte und der Gnade werth. Sie wußten nicht den Frevel zu ermessen, Und sie bereuen, daß sie ihn vollführt. Für sie ist des Gesetzes Spruch zu hart.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/144>, abgerufen am 22.12.2024.