Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.deutung seiner einzelnen Thatsachen klar macht, aber er muß seinem Leser auch Auch um die Sprache hat sich Auerbach ein großes Verdienst erworben. Grenzboten. I. 1837. 17
deutung seiner einzelnen Thatsachen klar macht, aber er muß seinem Leser auch Auch um die Sprache hat sich Auerbach ein großes Verdienst erworben. Grenzboten. I. 1837. 17
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deutung seiner einzelnen Thatsachen klar macht, aber er muß seinem Leser auch
die Fähigkeit zutrauen, ihn zu verstehen. In manchen Fällen wird das Ver¬
ständniß freilich schwer sein, und bei der folgenden Bemerkung der Gänsehirtin
Aurel hätten wir in der That einen Commentar gewünscht: „Die Gänse sind
deswegen dumm, weil sie zu vielerlei können ; sie können schwimmen und laufen
und fliegen, sind aber nicht im Wasser, nicht auf dem Boden und nicht in
,der Luft recht daheim und das macht sie dumm." — Richtig ist die Bemerkung
gewiß nicht; charakteristisch für ein Landmädchen auch nicht; auf die Handlung
hat sie auch keinen Bezug, und so hätten wir wol gewünscht, daß uns der
Kohlebrater auseinandersetzte, warum sie Berthold Auerbach eigentlich mittheilt.
Noch eine andere Bemerkung Barfüßeles S. 63, als man im Dorf nichts als
Dreschen hörte, wollen wir unsern Lesern nicht vorenthalten: „Den ganzen
Sommer lang hört daS Korn in der Aehre nichts^als Lerchenfang, und jetzt
schlagen ihm die Menschen mit dem Dreschflegel auf den Kopf; das klingt
ganz anders." Die frühere parfümirte Salonsprache war gewiß sehr schlimm,
aber wir wünschten doch nicht, daß diese Art idyllischer Originalität sich allzu
weit verbreitete.
Auch um die Sprache hat sich Auerbach ein großes Verdienst erworben.
Man wird dies um so weniger in Zweifel ziehen, wenn man sich an die
dürren Abstractionen erinnert, die uns von unsern philosophischen Bildungs¬
schulen her selbst in der Gesellschaft geläufig waren. Durch nichts aber wird
die Kraft und Freiheit deS Stils so verkümmert, als durch die Gewohnheit
der Abstraktion. Auerbach hat ein lebhaftes Gefühl für die Bildlichkeit der
Sprache durch das Studium des Volks und seiner Literatur genährt, und er
hat häufig die glücklichste Anwendung davon gemacht. In seinem Geist ge¬
staltet sich schnell'die allgemeine Betrachtung zur Anschauung eines bestimmten
Falls, dem er den prägnanten plastischen Ausdruck zu geben versteht. Wenn
aber diese bildliche Form durchweg einen befriedigenden Eindruck machen soll,
so muß sie von jenem gesunden Menschenverstand getragen werden, der nach
der sprichwörtlichen Redensart stets den Nagel auf den Kopf trifft. Das Bild
darf nicht der Zweck sein, sondern es muß sinnlicher und verständlicher als die
Abstraction das Wesen der Sache erschöpfen. Das Gleichniß, und was damit
zusammenhängt, das Sprichwort hat nicht die Bedeutung, die man ihm zu¬
weilen zuschreibt, den Gegenstand von allen Seiten zu erschöpfen, es hebt nur
eine bestimmte Seite mit sinnlicher Kraft hervor. Es gibt kein Sprichwort,
dem man nicht mit vollem Recht das Umgekehrte entgegensetzen könnte, und
es kommt darauf an, diejenige Seite zu finden, die für den vorliegenden Fall
Paßt. Hierin versieht es Auerbach nicht selten. Vermittelst der Ideenassocia-
tion geht ihm bei einer Betrachtung über ein Ereigniß oder einen Charakter
ein Gleichniß, ein sprichwörtlicher, bildlicher Ausdruck auf, oder er erfindet
Grenzboten. I. 1837. 17
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