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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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erste Wiedersehen seit dem 13. März! -- Und dennoch glaubte die Königin
Sich geborgen, als Sie dem Vater Ihrer Kinder wiedergegeben war, obgleich
die Bedingungen so kränkend waren!

Neben dem Zimmer des Königs befand sich das Schlafzimmer und neben
diesem ein Vorzimmer, wo sich Tag und Nacht drei Offiziere, einander ablö¬
send, aufhielten. Diese sollten zu jeder Zeit und Stunde in die Zimmer der
Majestäten kommen und sich nach Belieben in denselben aufhalten. Für sie
gab es keine verschlossenen Thüren. -- Mittags waren zwei derselben zugegen
und stellten sich dem Königspaar gegenüber, so daß keine Ihrer Blicke und
Mienen ihnen entgehen konnten. Nachts traten sie ans Bett der Majestäten,
wodurch die Königin anfangs auf das heftigste erschreckt wurde, weil Sie
glaubte, man käme, den König zu morden. Infolge dessen machte der
Gouverneur aus Verlangen des Königs einen Bericht nach Stockholm, worauf
die nächtlichen Necognoscirungen im Schlafzimmer eingestellt wurden. Jedoch
blieb die Thüre zum Vorzimmer angelehnt, so daß die Königin oft das Schnar¬
chen der wachthabenden Offiziere hörte. Sie hat mir wohl erzählt, daß dieses
Schlafzimmer zu den unheimlichsten des Schlosses gehörte, auch hatte Sie bei
frühern Aufenthalten in Gripsholm eine besondere Scheu vor diesem Zimmer,
eine Art Vorhaben von dem, was Ihr bevorstand. Im "Mohren" von Cru-
senstolpe wird dieses Zimmers und der darin stattgefundenen Erscheinungen
erwähnt.

In einer Nacht ward Sie heftig vom König geweckt, Er sagte: "Das
Nachtlicht ist erloschen, ich habe aber deutlich bei dem Schimmer des Lichts,
das durch die angelehnte Thür des Nebenzimmers fällt, eine Gestalt bemerkt,
die längs den Wänden schlich. Da den Offizieren verboten ist, dies Zimmer
Nachts zu betreten, müssen wir auf unserer Hut sein; ich werde aufstehen,
das Licht wieder anztmden und die Wache von dem Vorfall in Kenntniß
setzen."

Der König nahm eine Kerze und trat in das Borzimmer, um sie anzu¬
zünden. Die drei Offiziere waren beim Kartenspiel fest eingeschlafen und la¬
gen mit dem Kopf auf dem Tisch. Der König kam zu Seiner Gemahlin zu¬
rück, Ihr den Zustand der Wache zu beschreiben, und begeisterte Sich in dem
Gedanke", Er könne Sich wohl befreien, wenn Er nur erst bei Seiner Wache
vorüber sei. Einen Moment überließen Sich die hohen Gefangenen dieser
Möglichkeit, dann aber sahe" Sie ein, wie unausführbar ein solches Unter"
nehmen sei. Es ward beschlossen, Sich wieder niederzulegen, um keinen Verdacht
zu erregen, und einer Bedienung zu schellen, das Licht anzustecken. Bei der
Bewegung, die dadurch entstand, erwachten die Offiziere und erschienen sofort
auf der Thürschwelle. AIS sie die Majestäten im Bett und eine Kammerfrau
mit dem Licht beschäftigt sahen, zogen sie sich zurück, aber die armen Maje-


erste Wiedersehen seit dem 13. März! — Und dennoch glaubte die Königin
Sich geborgen, als Sie dem Vater Ihrer Kinder wiedergegeben war, obgleich
die Bedingungen so kränkend waren!

Neben dem Zimmer des Königs befand sich das Schlafzimmer und neben
diesem ein Vorzimmer, wo sich Tag und Nacht drei Offiziere, einander ablö¬
send, aufhielten. Diese sollten zu jeder Zeit und Stunde in die Zimmer der
Majestäten kommen und sich nach Belieben in denselben aufhalten. Für sie
gab es keine verschlossenen Thüren. — Mittags waren zwei derselben zugegen
und stellten sich dem Königspaar gegenüber, so daß keine Ihrer Blicke und
Mienen ihnen entgehen konnten. Nachts traten sie ans Bett der Majestäten,
wodurch die Königin anfangs auf das heftigste erschreckt wurde, weil Sie
glaubte, man käme, den König zu morden. Infolge dessen machte der
Gouverneur aus Verlangen des Königs einen Bericht nach Stockholm, worauf
die nächtlichen Necognoscirungen im Schlafzimmer eingestellt wurden. Jedoch
blieb die Thüre zum Vorzimmer angelehnt, so daß die Königin oft das Schnar¬
chen der wachthabenden Offiziere hörte. Sie hat mir wohl erzählt, daß dieses
Schlafzimmer zu den unheimlichsten des Schlosses gehörte, auch hatte Sie bei
frühern Aufenthalten in Gripsholm eine besondere Scheu vor diesem Zimmer,
eine Art Vorhaben von dem, was Ihr bevorstand. Im „Mohren" von Cru-
senstolpe wird dieses Zimmers und der darin stattgefundenen Erscheinungen
erwähnt.

In einer Nacht ward Sie heftig vom König geweckt, Er sagte: „Das
Nachtlicht ist erloschen, ich habe aber deutlich bei dem Schimmer des Lichts,
das durch die angelehnte Thür des Nebenzimmers fällt, eine Gestalt bemerkt,
die längs den Wänden schlich. Da den Offizieren verboten ist, dies Zimmer
Nachts zu betreten, müssen wir auf unserer Hut sein; ich werde aufstehen,
das Licht wieder anztmden und die Wache von dem Vorfall in Kenntniß
setzen."

Der König nahm eine Kerze und trat in das Borzimmer, um sie anzu¬
zünden. Die drei Offiziere waren beim Kartenspiel fest eingeschlafen und la¬
gen mit dem Kopf auf dem Tisch. Der König kam zu Seiner Gemahlin zu¬
rück, Ihr den Zustand der Wache zu beschreiben, und begeisterte Sich in dem
Gedanke», Er könne Sich wohl befreien, wenn Er nur erst bei Seiner Wache
vorüber sei. Einen Moment überließen Sich die hohen Gefangenen dieser
Möglichkeit, dann aber sahe» Sie ein, wie unausführbar ein solches Unter»
nehmen sei. Es ward beschlossen, Sich wieder niederzulegen, um keinen Verdacht
zu erregen, und einer Bedienung zu schellen, das Licht anzustecken. Bei der
Bewegung, die dadurch entstand, erwachten die Offiziere und erschienen sofort
auf der Thürschwelle. AIS sie die Majestäten im Bett und eine Kammerfrau
mit dem Licht beschäftigt sahen, zogen sie sich zurück, aber die armen Maje-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/116>, abgerufen am 23.07.2024.