Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.in die Centralstaatsverwaltung einzuführen, was in der örtlichen Verwaltung Der dritte Stand schöpfte seine Kraft aus zwei verschiedenen Quellen: in die Centralstaatsverwaltung einzuführen, was in der örtlichen Verwaltung Der dritte Stand schöpfte seine Kraft aus zwei verschiedenen Quellen: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103236"/> <p xml:id="ID_302" prev="#ID_301"> in die Centralstaatsverwaltung einzuführen, was in der örtlichen Verwaltung<lb/> so segensreiche Früchte getragen. Dieser Gedanke brach sich Bahn, als 1335<lb/> der Adel und das Königthum das Land dem äußern Feinde schmählich Preis<lb/> gegeben hatten, als der Bürgerstand berufen wurde, die Nation zu retten.<lb/> Die Bewegung jenes Jahres hatte dasselbe Programm, welches 1789 durch¬<lb/> geführt wurde: die sociale Einheit und administrative Gleichförmigkeit, die<lb/> Politischen Rechte gleich den bürgerlichen ausgedehnt; das Princip der öffent¬<lb/> lichen Gewalt von der Krone auf die Nation übertragen; die Generalstaaten<lb/> unter dem Einflüsse des dritten Standes in eine einzige nationale Vertretung<lb/> umgewandelt; der Wille des Volks in Gegenwart des Besitzers der königlichen<lb/> Gewalt als souverän erklärt. Der Einfluß von Paris auf die Provinzen als<lb/> Seele der öffentlichen Meinung und als Centralpunkt der allgemeinen Be¬<lb/> wegung; die demokratische Dictatur und die im Namen des allgemeinen Wohles<lb/> geübte Schreckensherrschaft, neue Farben genommen und getragen als Zeichen<lb/> Patriotischer Verbrüderung und als Symbol der Erneuerung, die Uebertragung<lb/> der Königswürde von einer Linie aus die andere, im Hinblick auf die Sache<lb/> der Reform und im bürgerlichen Interesse, das sind die Ereignisse und Vor¬<lb/> gänge, welche unserm und dem vorhergehenden Jahrhundert ihren politischen<lb/> Charakter gegeben haben. — Gleichzeitig und mit dieser bürgerlichen Be¬<lb/> wegung verbunden brach der allgemeine Bauernaufstand aus. Beide wurden<lb/> besiegt, aber der neue König, Karl V., führte seine Regierung im bürgerlichen<lb/> Sinn; er ließ das ritterliche Wesen fallen, widmete sich mit Ernst den Ge¬<lb/> schäften, führte das System der Sparsamkeit und der regelmäßigen Verwaltung<lb/> ein und zog die hervorragenden Männer deS Bürgerstandes in seinen Dienst.<lb/> Mehr und mehr fielen die Schranken zwischen den verschiedenen Classen, mehr<lb/> und mehr wurde das gemeine Recht unter der Initiative des dritten Standes<lb/> auf alle Theile der Gesellschaft ausgedehnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_303" next="#ID_304"> Der dritte Stand schöpfte seine Kraft aus zwei verschiedenen Quellen:<lb/> die eine bestand aus den Handelsclassen in den Municipien, die andere aus<lb/> den königlichen Justiz- und Finanzbeamten, deren Zahl und Gewalt sich rasch<lb/> vermehrten, und die, mit wenigen Ausnahmen, alle aus dem Bürgerstande<lb/> hervorgingen. Diesem doppelten Ursprünge entsprachen zwei Kategorien von<lb/> Ideen und politischen Gesinnungen. Der Geist der eigentlichen Bourgeoisie<lb/> der städtischen Korporationen war freisinnig, aber beschränkt und unbeweglich,<lb/> den localen Freiheiten, dem Erbrecht, der unabhängigen und privilegirten<lb/> Existenz der Municipien, Schwur- und andern Stadtgemeinden zugethan; der<lb/> Geist der Gerichts- und Administrationöbehörden erkannte nur ein Recht, das<lb/> des Staates, nur eine Freiheit, die des Fürsten, nur ein Interesse, das der<lb/> Ordnung unter absoluter Bormundschaft, und nach ihrer Logik fanden die Privi¬<lb/> legien des Bürgerstandes ebensowenig Gnade, als die des Adels. Von da</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
in die Centralstaatsverwaltung einzuführen, was in der örtlichen Verwaltung
so segensreiche Früchte getragen. Dieser Gedanke brach sich Bahn, als 1335
der Adel und das Königthum das Land dem äußern Feinde schmählich Preis
gegeben hatten, als der Bürgerstand berufen wurde, die Nation zu retten.
Die Bewegung jenes Jahres hatte dasselbe Programm, welches 1789 durch¬
geführt wurde: die sociale Einheit und administrative Gleichförmigkeit, die
Politischen Rechte gleich den bürgerlichen ausgedehnt; das Princip der öffent¬
lichen Gewalt von der Krone auf die Nation übertragen; die Generalstaaten
unter dem Einflüsse des dritten Standes in eine einzige nationale Vertretung
umgewandelt; der Wille des Volks in Gegenwart des Besitzers der königlichen
Gewalt als souverän erklärt. Der Einfluß von Paris auf die Provinzen als
Seele der öffentlichen Meinung und als Centralpunkt der allgemeinen Be¬
wegung; die demokratische Dictatur und die im Namen des allgemeinen Wohles
geübte Schreckensherrschaft, neue Farben genommen und getragen als Zeichen
Patriotischer Verbrüderung und als Symbol der Erneuerung, die Uebertragung
der Königswürde von einer Linie aus die andere, im Hinblick auf die Sache
der Reform und im bürgerlichen Interesse, das sind die Ereignisse und Vor¬
gänge, welche unserm und dem vorhergehenden Jahrhundert ihren politischen
Charakter gegeben haben. — Gleichzeitig und mit dieser bürgerlichen Be¬
wegung verbunden brach der allgemeine Bauernaufstand aus. Beide wurden
besiegt, aber der neue König, Karl V., führte seine Regierung im bürgerlichen
Sinn; er ließ das ritterliche Wesen fallen, widmete sich mit Ernst den Ge¬
schäften, führte das System der Sparsamkeit und der regelmäßigen Verwaltung
ein und zog die hervorragenden Männer deS Bürgerstandes in seinen Dienst.
Mehr und mehr fielen die Schranken zwischen den verschiedenen Classen, mehr
und mehr wurde das gemeine Recht unter der Initiative des dritten Standes
auf alle Theile der Gesellschaft ausgedehnt.
Der dritte Stand schöpfte seine Kraft aus zwei verschiedenen Quellen:
die eine bestand aus den Handelsclassen in den Municipien, die andere aus
den königlichen Justiz- und Finanzbeamten, deren Zahl und Gewalt sich rasch
vermehrten, und die, mit wenigen Ausnahmen, alle aus dem Bürgerstande
hervorgingen. Diesem doppelten Ursprünge entsprachen zwei Kategorien von
Ideen und politischen Gesinnungen. Der Geist der eigentlichen Bourgeoisie
der städtischen Korporationen war freisinnig, aber beschränkt und unbeweglich,
den localen Freiheiten, dem Erbrecht, der unabhängigen und privilegirten
Existenz der Municipien, Schwur- und andern Stadtgemeinden zugethan; der
Geist der Gerichts- und Administrationöbehörden erkannte nur ein Recht, das
des Staates, nur eine Freiheit, die des Fürsten, nur ein Interesse, das der
Ordnung unter absoluter Bormundschaft, und nach ihrer Logik fanden die Privi¬
legien des Bürgerstandes ebensowenig Gnade, als die des Adels. Von da
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