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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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zu machen. Diesen Uebelstand zu beseitigen war der leitende Gedanke, der
den statistischen Congreß ins Leben rief, welcher vom 19. bis 23. September
dieses Jahres in Brüssel seine Sitzungen gehalten hat: der Gedanke dazu wurde
durch die londoner Industrieausstellung angeregt. Die Regierungen wurden
dafür interessirt, und so sandten Frankreich, England, Oestreich, Preußen,
Sachsen, Baiern, Würtemberg, die Schweiz, Dänemark, Sardinien, Spanien
und Portugal Abgeordnete zum Kongreß, Nußland lehnte die Einladung ab.
Ein Gleiches thaten viele Privatgesellschafren. Won den berühmten deutschen
Statistikern, die aus dem Congreß anwesend waren, erwähnen wir nur Die-
terici, Mittermaier und Otto Hübner. Der König der Belgier hat den Con¬
greß bei einer Sitzung mit seiner Gegenwart beehrt. Die Minister sind
wiederholt anwesend gewesen. Präsident war Quetelet, Ehrenpräsident der
belgische Minister des Innern Piercot, der sich über den Nutzen der Statistik
vom kosmopolitischen Standpunkt aus unter andern in folgenden kurzen
Worten äußerte: "Wenn die Statistik so im einheitlichen Geiste aufgefaßt und
auf Principien errichtet wird, die auf alle Länder gleichmäßig anwendbar sind,
so wird sie den glänzenden Erfolg haben, das Band, welches die Nationen
vereinigt, fester zu knüpfen, und jene Freundschafts- und Friedensgesin^nungen
zu befestigen, welche die Menschheit heute gegen die Wiederkehr thörichter und
aufreibender nationaler Nebenbuhlerschaften beschützen. Man muß diese Wissen¬
schaft zu der Höhe eines wahren und großen Negierungsgedankens erheben!" --
Der Congreß hat seine Aufgabe in verhältnißmäßig kurzer Zeit gelöst. Er hat
sozusagen die allgemeinen Schemata entworfen, nach welchen die Statistik
des Handels, der Fabriken und Gewerbe, der Schiffahrt, deS Grundes und
Bodens, der Bevölkerung, der Criminalverhältnisse, der Erziehung und deS
Unterrichts entworfen werden soll. Diese Grundsätze werden ihre unmittelbare
praktische Anwendung zunächst am vollständigsten in Spanien und Baden
finden. -- Ort und Zeit des nächsten Congresses sollen später bestimmt werden.
Auch soll dieser Congreß sich namentlich mit der Aufstellung gleichförmiger
technischer Ausdrücke, -- einer eignen statistischen Sprache -- beschäftigen und
Vorschläge zur gleichmäßigen Organisation des internationalen PostVerkehrs¬
wesens machen. -- Das also würde in allgemeinen Umrissen ein Bild der Ver¬
gangenheit und des gegenwärtigen Zustandes der Statistik sein. Wir haben
mit absichtlicher Umgehung der in Masse sich darbietenden Einzelheiten uns
bemüht, der Klarheit wegen, möglichst kurz zu sein und hoffen, unsern Lesern
wenigstens einen allgemeinen Ueberblick über das Ganze verschafft zu haben.




zu machen. Diesen Uebelstand zu beseitigen war der leitende Gedanke, der
den statistischen Congreß ins Leben rief, welcher vom 19. bis 23. September
dieses Jahres in Brüssel seine Sitzungen gehalten hat: der Gedanke dazu wurde
durch die londoner Industrieausstellung angeregt. Die Regierungen wurden
dafür interessirt, und so sandten Frankreich, England, Oestreich, Preußen,
Sachsen, Baiern, Würtemberg, die Schweiz, Dänemark, Sardinien, Spanien
und Portugal Abgeordnete zum Kongreß, Nußland lehnte die Einladung ab.
Ein Gleiches thaten viele Privatgesellschafren. Won den berühmten deutschen
Statistikern, die aus dem Congreß anwesend waren, erwähnen wir nur Die-
terici, Mittermaier und Otto Hübner. Der König der Belgier hat den Con¬
greß bei einer Sitzung mit seiner Gegenwart beehrt. Die Minister sind
wiederholt anwesend gewesen. Präsident war Quetelet, Ehrenpräsident der
belgische Minister des Innern Piercot, der sich über den Nutzen der Statistik
vom kosmopolitischen Standpunkt aus unter andern in folgenden kurzen
Worten äußerte: „Wenn die Statistik so im einheitlichen Geiste aufgefaßt und
auf Principien errichtet wird, die auf alle Länder gleichmäßig anwendbar sind,
so wird sie den glänzenden Erfolg haben, das Band, welches die Nationen
vereinigt, fester zu knüpfen, und jene Freundschafts- und Friedensgesin^nungen
zu befestigen, welche die Menschheit heute gegen die Wiederkehr thörichter und
aufreibender nationaler Nebenbuhlerschaften beschützen. Man muß diese Wissen¬
schaft zu der Höhe eines wahren und großen Negierungsgedankens erheben!" —
Der Congreß hat seine Aufgabe in verhältnißmäßig kurzer Zeit gelöst. Er hat
sozusagen die allgemeinen Schemata entworfen, nach welchen die Statistik
des Handels, der Fabriken und Gewerbe, der Schiffahrt, deS Grundes und
Bodens, der Bevölkerung, der Criminalverhältnisse, der Erziehung und deS
Unterrichts entworfen werden soll. Diese Grundsätze werden ihre unmittelbare
praktische Anwendung zunächst am vollständigsten in Spanien und Baden
finden. — Ort und Zeit des nächsten Congresses sollen später bestimmt werden.
Auch soll dieser Congreß sich namentlich mit der Aufstellung gleichförmiger
technischer Ausdrücke, — einer eignen statistischen Sprache — beschäftigen und
Vorschläge zur gleichmäßigen Organisation des internationalen PostVerkehrs¬
wesens machen. — Das also würde in allgemeinen Umrissen ein Bild der Ver¬
gangenheit und des gegenwärtigen Zustandes der Statistik sein. Wir haben
mit absichtlicher Umgehung der in Masse sich darbietenden Einzelheiten uns
bemüht, der Klarheit wegen, möglichst kurz zu sein und hoffen, unsern Lesern
wenigstens einen allgemeinen Ueberblick über das Ganze verschafft zu haben.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/68>, abgerufen am 23.07.2024.