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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Alterthum statt. Doch waren sie damals immer nur auf einen bestimmten, grade vor¬
liegenden Zweck gerichtet z. B. Kriegsaushebung, Steuerschätzung u. s. w. und
wurden immer nur im Augenblicke der Nothwendigkeit vorgenommen. Bei
den Aegyptern finden sich solche Ermittlungen namentlich zur Zeit des Se-
sostris vor, der über sein Kriegsheer genaue Uebersichten anfertigen, und das
Land schon regelmäßig eintheilen ließ (in 36 gleiche Districte). Außerdem er¬
wähnt schon Herodot, wie auch Diodor, daß jedermann unter Androhung von
Todesstrafe jährlich sein Einkommen angeben mußte. Auch das Werk, welches
der ägyptische Oberpriester Manetho auf Befehl deS Königs Ptolemäus le.
Philadelphus anfertigen ließ, soll viele statistische Angaben und namentlich
auch einen förmlichen Staatskalender enthalten haben. Wachsmuth nennt
Aegypten den ältesten Polizeistaat, in dessen Acten und Listen das ganze
öffentliche Leben copirt war. Die Chaldäer sammelten statistische Data meist
nur zu ihren wissenschaftlichen (astrologischen) Zwecken. In Betreff der Juden
berichtet uns die Bibel (i>. Buch Moses; Bücher Samuel. 27 u. s. w.) von wiederhol¬
ten Volkszählungen, sodann von der Vertheilung Kanaans und im Evangelium
Lucä heißt es, daß die Juden zur Zeit des Augustus nach Jerusalem kamen,
damit "alle Welt geschadet würde". Letzteres geschah freilich auf Befehl Roms;
wie die Römer, die in der alten Welt am meisten aus dem praktisch-politischen
Standpunkte standen, sich überhaupt ziemlich viel mit statistischen Ermittlungen
abgaben, was zur Kenntniß ihres ungeheuren Reiches allerdings ganz beson¬
ders nothwendig war. Schon die alte Eintheilung des Volkes in Tribus
und Curien, die Wahlen, die Vertheilung der Aecker u. s. w. (vergl. Niebuhr) über¬
haupt die bessere staatliche Entwicklung erforderte statistische Kenntnisse. Es ist
bekannt, daß Servius Tullius schon einen Vermögenscensus vornehmen
und eine Art Einkommensteuer darnach erheben ließ. Gleichzeitig veranlaßte
er eine räumliche Eintheilung des Gebietes von Rom. Das Gesetz deS Sy.
Cassius über den sZer puKIious, die Tafeln der Decemvirn, die licinischen
Gesetze über die Schulden und die Staatsländereien, die genaue HeereSein-
theilung, die gracchischen Gesetze, besonders die lex trumentarig, des Cajus (heut¬
zutage vielfach in Frankreich bei Getrcidetheurungen (Bonsystem) nachgeahmt,
184.6---47 und 1832--Si z.B. in Lille) die geordneten Steuererhebungen in
den fernsten Provinzen, die Einquartierungsvergütungen, die Jnnungsgesetze
des Clodius, die Zollgesetze des Vespasian, die Abgabengesetze des Trajan
und seine Handelsunternehmungen, das Colonisationssystem des Probus, die
neue Präfectureneintheilung des Reiches unter Konstantin, die Grund-, Gewerb-
und Nahrungssteuergesetze (Chrysargyrum und Jndiction, nach dem jährlichen
Geldbedarf der Regierung veranschlagt und umgelegt) erforderten mancherlei
statistische Ermittlungen und geben Zeugniß von der Thätigkeit der Römer in
dieser Beziehung. Weniger befaßten sich die Griechen mit Statistik. Ihr


Alterthum statt. Doch waren sie damals immer nur auf einen bestimmten, grade vor¬
liegenden Zweck gerichtet z. B. Kriegsaushebung, Steuerschätzung u. s. w. und
wurden immer nur im Augenblicke der Nothwendigkeit vorgenommen. Bei
den Aegyptern finden sich solche Ermittlungen namentlich zur Zeit des Se-
sostris vor, der über sein Kriegsheer genaue Uebersichten anfertigen, und das
Land schon regelmäßig eintheilen ließ (in 36 gleiche Districte). Außerdem er¬
wähnt schon Herodot, wie auch Diodor, daß jedermann unter Androhung von
Todesstrafe jährlich sein Einkommen angeben mußte. Auch das Werk, welches
der ägyptische Oberpriester Manetho auf Befehl deS Königs Ptolemäus le.
Philadelphus anfertigen ließ, soll viele statistische Angaben und namentlich
auch einen förmlichen Staatskalender enthalten haben. Wachsmuth nennt
Aegypten den ältesten Polizeistaat, in dessen Acten und Listen das ganze
öffentliche Leben copirt war. Die Chaldäer sammelten statistische Data meist
nur zu ihren wissenschaftlichen (astrologischen) Zwecken. In Betreff der Juden
berichtet uns die Bibel (i>. Buch Moses; Bücher Samuel. 27 u. s. w.) von wiederhol¬
ten Volkszählungen, sodann von der Vertheilung Kanaans und im Evangelium
Lucä heißt es, daß die Juden zur Zeit des Augustus nach Jerusalem kamen,
damit „alle Welt geschadet würde". Letzteres geschah freilich auf Befehl Roms;
wie die Römer, die in der alten Welt am meisten aus dem praktisch-politischen
Standpunkte standen, sich überhaupt ziemlich viel mit statistischen Ermittlungen
abgaben, was zur Kenntniß ihres ungeheuren Reiches allerdings ganz beson¬
ders nothwendig war. Schon die alte Eintheilung des Volkes in Tribus
und Curien, die Wahlen, die Vertheilung der Aecker u. s. w. (vergl. Niebuhr) über¬
haupt die bessere staatliche Entwicklung erforderte statistische Kenntnisse. Es ist
bekannt, daß Servius Tullius schon einen Vermögenscensus vornehmen
und eine Art Einkommensteuer darnach erheben ließ. Gleichzeitig veranlaßte
er eine räumliche Eintheilung des Gebietes von Rom. Das Gesetz deS Sy.
Cassius über den sZer puKIious, die Tafeln der Decemvirn, die licinischen
Gesetze über die Schulden und die Staatsländereien, die genaue HeereSein-
theilung, die gracchischen Gesetze, besonders die lex trumentarig, des Cajus (heut¬
zutage vielfach in Frankreich bei Getrcidetheurungen (Bonsystem) nachgeahmt,
184.6-—47 und 1832—Si z.B. in Lille) die geordneten Steuererhebungen in
den fernsten Provinzen, die Einquartierungsvergütungen, die Jnnungsgesetze
des Clodius, die Zollgesetze des Vespasian, die Abgabengesetze des Trajan
und seine Handelsunternehmungen, das Colonisationssystem des Probus, die
neue Präfectureneintheilung des Reiches unter Konstantin, die Grund-, Gewerb-
und Nahrungssteuergesetze (Chrysargyrum und Jndiction, nach dem jährlichen
Geldbedarf der Regierung veranschlagt und umgelegt) erforderten mancherlei
statistische Ermittlungen und geben Zeugniß von der Thätigkeit der Römer in
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/60>, abgerufen am 23.07.2024.