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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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>in Jahre -1853 die erste geregelte Organisation des Heeres zu Stande kam.
Heute, wo dieses Heer im Zustande von theilweiser Auflösung aus dem Kriege
zurückgenommen wurde, sich nur langsam wieder ordnet, viel langsamer als
es wünschenswert!) ist, denkt man wieder an den ersten Begründer und meint
er werde auch am tauglichsten sein, die Wiederherstellung auf sich zu nehmen.
Indeß kann man dagegen Zweifel hegen, die letzte Verwaltung Risa Paschas,
Januar -1834--so, war durchaus nicht durch ein rühriges Handeln ausge¬
zeichnet, der Armee an der Donau mangelte durch seine Saumseligkeit viel,
und endlich wurden die Fahrlässigkeiten, die bei der Verpflegung der türkischen
Krimarmee vorgekommen, der Grund zum Sturz des SeriaSkers. Risa Pascha
ist enorm reich. Man berechnet seine Einnahmen allein aus der Miethe der
ihm zugehörigen Bäder und Kaffeehäuser im Monat auf vreimalhunderttausend
Piaster (18,000 Thlr.) Seine Laufbahn muß also nach orientalischen Begriffen
als besonders glücklich gepriesen werden.

In diesen Tagen trifft aus Nußland ein Mann in Konstantinopel ein,
der unter den türkischen twmmizs et'etat einen Rang, und zwar nicht erst seit
gestern, einnimmt: Mehcmmed KepreSli oder Kibrili Pascha, was so viel heißt
wie Mehemmed Pascha aus Cypern. Alle Welt weiß, daß er die Pforte bei
der moskauer Krönung vertreten, und darnach nach Se. Petersburg gegangen
war, um den Versuch zu machen, dort einen festen Gesandtschaftssttz einzuneh¬
men. Dieser Versuch ist an der Hartnäckigkeit gescheitert, mit welcher Nu߬
land an dem alten Gebrauch festhält, in seiner Hauptstadt keinen dauernden
türkischen Botschafter zu dulden. Im Winter 1833--war Mehemmed Pascha
Gouverneur von Adrianopel, wurde bald darauf ins Ministerium (als Marine¬
minister) berufen, und zuletzt Großvezier. Von diesem Posten lösete ihn Aali
Pascha ab. Wenn man einen gut in die Augen fallenden Repräsentanten nach
Moskau senden wollte, konnte man keinen bessern auswählen. Den Beifall, wel¬
chen er dort gefunden, war vorauszusehen. Er ist von hohem und edlem
Wuchs, sein Gesicht nicht so martialisch wie das von Risa Pascha, aber re¬
gelmäßiger und feiner, er ist Eigenthümer eines sehr werthvollen schwarzen,
feinhaarigen und krausen Bartes nach Müschirart (commandirender General)
welcher sich mit dem Haupthaar verbindet. Man kann diesen Mann schön
nennen. Aber er ist noch etwas mehr, als Figurant der hohen Pforte
bei dramatischen Actionen. Auf seinen Reisen in Europa und während sei¬
nes Aufenthalts als Gesandter in London, hat er sich Kenntniß europäischer
Sitten, und Fertigkeit in der französischen Sprache angeeignet. Sogar eng¬
lisch versteht er, enthält sich aber allerdings der Versuche, dasselbe auszuspre¬
chen. Mehemmed KepreSli Pascha ging, wie Risa, aus dem Serail hervor,
erhielt aber dann seinen Schliff im Ausland, und man dürfte das Vezierar
in seine Harpe legen, ohne Furcht, daß er den Staat aus Unkenntniß seiner


Grenzboten. IV. -I8ÜS.

>in Jahre -1853 die erste geregelte Organisation des Heeres zu Stande kam.
Heute, wo dieses Heer im Zustande von theilweiser Auflösung aus dem Kriege
zurückgenommen wurde, sich nur langsam wieder ordnet, viel langsamer als
es wünschenswert!) ist, denkt man wieder an den ersten Begründer und meint
er werde auch am tauglichsten sein, die Wiederherstellung auf sich zu nehmen.
Indeß kann man dagegen Zweifel hegen, die letzte Verwaltung Risa Paschas,
Januar -1834—so, war durchaus nicht durch ein rühriges Handeln ausge¬
zeichnet, der Armee an der Donau mangelte durch seine Saumseligkeit viel,
und endlich wurden die Fahrlässigkeiten, die bei der Verpflegung der türkischen
Krimarmee vorgekommen, der Grund zum Sturz des SeriaSkers. Risa Pascha
ist enorm reich. Man berechnet seine Einnahmen allein aus der Miethe der
ihm zugehörigen Bäder und Kaffeehäuser im Monat auf vreimalhunderttausend
Piaster (18,000 Thlr.) Seine Laufbahn muß also nach orientalischen Begriffen
als besonders glücklich gepriesen werden.

In diesen Tagen trifft aus Nußland ein Mann in Konstantinopel ein,
der unter den türkischen twmmizs et'etat einen Rang, und zwar nicht erst seit
gestern, einnimmt: Mehcmmed KepreSli oder Kibrili Pascha, was so viel heißt
wie Mehemmed Pascha aus Cypern. Alle Welt weiß, daß er die Pforte bei
der moskauer Krönung vertreten, und darnach nach Se. Petersburg gegangen
war, um den Versuch zu machen, dort einen festen Gesandtschaftssttz einzuneh¬
men. Dieser Versuch ist an der Hartnäckigkeit gescheitert, mit welcher Nu߬
land an dem alten Gebrauch festhält, in seiner Hauptstadt keinen dauernden
türkischen Botschafter zu dulden. Im Winter 1833—war Mehemmed Pascha
Gouverneur von Adrianopel, wurde bald darauf ins Ministerium (als Marine¬
minister) berufen, und zuletzt Großvezier. Von diesem Posten lösete ihn Aali
Pascha ab. Wenn man einen gut in die Augen fallenden Repräsentanten nach
Moskau senden wollte, konnte man keinen bessern auswählen. Den Beifall, wel¬
chen er dort gefunden, war vorauszusehen. Er ist von hohem und edlem
Wuchs, sein Gesicht nicht so martialisch wie das von Risa Pascha, aber re¬
gelmäßiger und feiner, er ist Eigenthümer eines sehr werthvollen schwarzen,
feinhaarigen und krausen Bartes nach Müschirart (commandirender General)
welcher sich mit dem Haupthaar verbindet. Man kann diesen Mann schön
nennen. Aber er ist noch etwas mehr, als Figurant der hohen Pforte
bei dramatischen Actionen. Auf seinen Reisen in Europa und während sei¬
nes Aufenthalts als Gesandter in London, hat er sich Kenntniß europäischer
Sitten, und Fertigkeit in der französischen Sprache angeeignet. Sogar eng¬
lisch versteht er, enthält sich aber allerdings der Versuche, dasselbe auszuspre¬
chen. Mehemmed KepreSli Pascha ging, wie Risa, aus dem Serail hervor,
erhielt aber dann seinen Schliff im Ausland, und man dürfte das Vezierar
in seine Harpe legen, ohne Furcht, daß er den Staat aus Unkenntniß seiner


Grenzboten. IV. -I8ÜS.
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[0521] >in Jahre -1853 die erste geregelte Organisation des Heeres zu Stande kam. Heute, wo dieses Heer im Zustande von theilweiser Auflösung aus dem Kriege zurückgenommen wurde, sich nur langsam wieder ordnet, viel langsamer als es wünschenswert!) ist, denkt man wieder an den ersten Begründer und meint er werde auch am tauglichsten sein, die Wiederherstellung auf sich zu nehmen. Indeß kann man dagegen Zweifel hegen, die letzte Verwaltung Risa Paschas, Januar -1834—so, war durchaus nicht durch ein rühriges Handeln ausge¬ zeichnet, der Armee an der Donau mangelte durch seine Saumseligkeit viel, und endlich wurden die Fahrlässigkeiten, die bei der Verpflegung der türkischen Krimarmee vorgekommen, der Grund zum Sturz des SeriaSkers. Risa Pascha ist enorm reich. Man berechnet seine Einnahmen allein aus der Miethe der ihm zugehörigen Bäder und Kaffeehäuser im Monat auf vreimalhunderttausend Piaster (18,000 Thlr.) Seine Laufbahn muß also nach orientalischen Begriffen als besonders glücklich gepriesen werden. In diesen Tagen trifft aus Nußland ein Mann in Konstantinopel ein, der unter den türkischen twmmizs et'etat einen Rang, und zwar nicht erst seit gestern, einnimmt: Mehcmmed KepreSli oder Kibrili Pascha, was so viel heißt wie Mehemmed Pascha aus Cypern. Alle Welt weiß, daß er die Pforte bei der moskauer Krönung vertreten, und darnach nach Se. Petersburg gegangen war, um den Versuch zu machen, dort einen festen Gesandtschaftssttz einzuneh¬ men. Dieser Versuch ist an der Hartnäckigkeit gescheitert, mit welcher Nu߬ land an dem alten Gebrauch festhält, in seiner Hauptstadt keinen dauernden türkischen Botschafter zu dulden. Im Winter 1833—war Mehemmed Pascha Gouverneur von Adrianopel, wurde bald darauf ins Ministerium (als Marine¬ minister) berufen, und zuletzt Großvezier. Von diesem Posten lösete ihn Aali Pascha ab. Wenn man einen gut in die Augen fallenden Repräsentanten nach Moskau senden wollte, konnte man keinen bessern auswählen. Den Beifall, wel¬ chen er dort gefunden, war vorauszusehen. Er ist von hohem und edlem Wuchs, sein Gesicht nicht so martialisch wie das von Risa Pascha, aber re¬ gelmäßiger und feiner, er ist Eigenthümer eines sehr werthvollen schwarzen, feinhaarigen und krausen Bartes nach Müschirart (commandirender General) welcher sich mit dem Haupthaar verbindet. Man kann diesen Mann schön nennen. Aber er ist noch etwas mehr, als Figurant der hohen Pforte bei dramatischen Actionen. Auf seinen Reisen in Europa und während sei¬ nes Aufenthalts als Gesandter in London, hat er sich Kenntniß europäischer Sitten, und Fertigkeit in der französischen Sprache angeeignet. Sogar eng¬ lisch versteht er, enthält sich aber allerdings der Versuche, dasselbe auszuspre¬ chen. Mehemmed KepreSli Pascha ging, wie Risa, aus dem Serail hervor, erhielt aber dann seinen Schliff im Ausland, und man dürfte das Vezierar in seine Harpe legen, ohne Furcht, daß er den Staat aus Unkenntniß seiner Grenzboten. IV. -I8ÜS.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/521>, abgerufen am 23.07.2024.