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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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bei der bekannten Zusammenkunft mit Mentschikoff von diesem >in so harter
Weise bekundet wurde, schrieb sich von schmerzenden Reminiscenzen her, die
der Türke früher in der Seele des Russen zurückgelassen hatte. Fuad war in
Se. Petersburg und in Cairo, in Madrid und London, er kennt Europa seiner
ganzen Ausdehnung nach, und mehr als diesen Welttheil. In seinen jüngern
Jahren scherzte er darüber, daß ihm muthmaßlich noch beschieden sein
werde, den Padischah bei ihrer Majestät der Königin Pomare zu vertreten.
Vom Auslande hat er sein abgeschliffenes Wesen mitgebracht, sein Haus
in Kandia ist durchaus im europäischen Geschmack eingerichtet, und wenn er
Diners arrangirt, setzt er etwas darein, die fremden Diplomaten vergessen zu
machen, daß sie bei einem Türken speisen.

ni sa Pascha, der vielfach als Candidat für das Kriegsministerum genannt
wurde, gehört nicht dem jetzigen Cabinet an, aber er wird muthmaßlich über lang
oder kurz in dasselbe eintreten. Sein Name hat einen guten und vollen
Klang unter seinen asiatischen Glaubensgenossen, von denen die meisten ihn
für einen sehr großen Mann halten, aber in europäischen Kreisen weiß man
nur wenig von ihm. Er war am Ende der dreißiger Jahre ein rasch und
meteorartig aufsteigendes Gestirn, wie hier am politischen Himmel viele vor¬
kommen, 1848 galt er für den ersten unter den osmanischen Großen was er,
obgleich noch ein Mann in den besten Jahren, schon lange nicht mehr ist.
Aber den Namen eines Staatsmannes, -- nach hiesigem Maßstabe --
wird man ihm nicht versagen können. Er hört gut und gern, hat einige
Arbeitskraft und viel Verständniß für europäisches Wesen, was bei ihm um
so verdienstlicher ist, da er seine Erziehung im Serail und nicht im Ausland
erhalten hat. Risa Pascha ist eine kräftige Mannesgestalt, und verräth in
seinem Aeußeren den Soldaten. Seine Haltung ist aufrecht und stolz, was er
auch in übertriebenen Maße ist. Wenn er spricht, hat er das Haupt vor--
gestreckt, und seine Stimme schallt tief und sonor. Schwarz wie sein Haar
ist sein voller, dichter Bart, sein Auge ist ebenfalls dunkel und leuchtet von
einem unheimlichen Feuer. Dumm, wofür ihn seine Gegner ausgeben, ist
dieser Mann sicher nicht; es nimmt der Mangel aller Fähigkeiten nicht solches
scharfes Gepräge an; aber daß er national und religiös beschränkt und fa¬
natisch sei, will ich gern glauben. Wenn einer unter den türkischen Großen,
haßt er die Fremden, aber während des Krieges mußte er gleichwol eine
auswärtige Partei ergreifen, um sich wider seine Gegner stützen zu lassen,
und er entschied sich für die Franzosen. Wenn er wieder ins Cabinet träte,
so würde er dennoch nicht als Vertreter des französischen Einflusses anzusehen
sein. Das scheint Herr von Thonvenel zu wissen, und darum hat er beim
Sturze Aali Paschas nicht auf die Einsetzung Risa Paschas in das Amt deS
Kriegsministers gedrungen. Risa Pascha ist der Mann, unter dessen Leitung


bei der bekannten Zusammenkunft mit Mentschikoff von diesem >in so harter
Weise bekundet wurde, schrieb sich von schmerzenden Reminiscenzen her, die
der Türke früher in der Seele des Russen zurückgelassen hatte. Fuad war in
Se. Petersburg und in Cairo, in Madrid und London, er kennt Europa seiner
ganzen Ausdehnung nach, und mehr als diesen Welttheil. In seinen jüngern
Jahren scherzte er darüber, daß ihm muthmaßlich noch beschieden sein
werde, den Padischah bei ihrer Majestät der Königin Pomare zu vertreten.
Vom Auslande hat er sein abgeschliffenes Wesen mitgebracht, sein Haus
in Kandia ist durchaus im europäischen Geschmack eingerichtet, und wenn er
Diners arrangirt, setzt er etwas darein, die fremden Diplomaten vergessen zu
machen, daß sie bei einem Türken speisen.

ni sa Pascha, der vielfach als Candidat für das Kriegsministerum genannt
wurde, gehört nicht dem jetzigen Cabinet an, aber er wird muthmaßlich über lang
oder kurz in dasselbe eintreten. Sein Name hat einen guten und vollen
Klang unter seinen asiatischen Glaubensgenossen, von denen die meisten ihn
für einen sehr großen Mann halten, aber in europäischen Kreisen weiß man
nur wenig von ihm. Er war am Ende der dreißiger Jahre ein rasch und
meteorartig aufsteigendes Gestirn, wie hier am politischen Himmel viele vor¬
kommen, 1848 galt er für den ersten unter den osmanischen Großen was er,
obgleich noch ein Mann in den besten Jahren, schon lange nicht mehr ist.
Aber den Namen eines Staatsmannes, — nach hiesigem Maßstabe —
wird man ihm nicht versagen können. Er hört gut und gern, hat einige
Arbeitskraft und viel Verständniß für europäisches Wesen, was bei ihm um
so verdienstlicher ist, da er seine Erziehung im Serail und nicht im Ausland
erhalten hat. Risa Pascha ist eine kräftige Mannesgestalt, und verräth in
seinem Aeußeren den Soldaten. Seine Haltung ist aufrecht und stolz, was er
auch in übertriebenen Maße ist. Wenn er spricht, hat er das Haupt vor--
gestreckt, und seine Stimme schallt tief und sonor. Schwarz wie sein Haar
ist sein voller, dichter Bart, sein Auge ist ebenfalls dunkel und leuchtet von
einem unheimlichen Feuer. Dumm, wofür ihn seine Gegner ausgeben, ist
dieser Mann sicher nicht; es nimmt der Mangel aller Fähigkeiten nicht solches
scharfes Gepräge an; aber daß er national und religiös beschränkt und fa¬
natisch sei, will ich gern glauben. Wenn einer unter den türkischen Großen,
haßt er die Fremden, aber während des Krieges mußte er gleichwol eine
auswärtige Partei ergreifen, um sich wider seine Gegner stützen zu lassen,
und er entschied sich für die Franzosen. Wenn er wieder ins Cabinet träte,
so würde er dennoch nicht als Vertreter des französischen Einflusses anzusehen
sein. Das scheint Herr von Thonvenel zu wissen, und darum hat er beim
Sturze Aali Paschas nicht auf die Einsetzung Risa Paschas in das Amt deS
Kriegsministers gedrungen. Risa Pascha ist der Mann, unter dessen Leitung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/520>, abgerufen am 23.07.2024.