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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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die vielen noch unbewältigten Uebel, für den immer noch nicht beendigten
Kampf gegen die carlistischen Guerilla's, für die allgemeine Unsicherheit der
Heerstraßen, die seit der Revolution mit der einbrechenden Zügellosigkeit ein¬
gerissen und durch die Revucirung der Guardia civil gefördert war, für die
häufige Wiederkehr tumultuarischer und zuweilen blutiger Auftritte in den
größeren Städten, für die Verheerungen der Cholera endlich, die in der
Hauptstadt fortdauerte und namentlich die Provinzen Andalusiens auf das
schrecklichste heimsuchte.

Es mag Staunen erregen, wenn trotz alledem die Regierung ernstlich
daran dachte, sich am Krieg der Westmächte gegen Rußland zu betheiligen.
Der Marschall O'Dommel besonders begünstigte diesen Plan, -und Olozaga
pflog bereits in Paris vorläufige Verhandlungen mit dem französischen Cabinet,
über die Bedingungen der Absenkung eines spanischen HilfscorpS nach der
Krim. Der Wunsch, Spanien feste Allianzen in einer Zeit zu verschaffen,
welche die Erschütterungen eines Weltkriegs über Europa zu bringen drohte,
ihm eine Stimme bei internationalen Berathungen zu geben, die über Fragen
namentlich für eine Mittelmeermacht von höchster Bedeutung in Aussicht stan¬
den, die Hoffnung endlich, durch eine Action nach Außen dem Nationalgefühl
zu schmeicheln und die Lösung der innern Wirren zu erleichtern, waren un¬
streitig die Motive des Ministeriums. Aber sein Project fand weder im Inn-
lande, noch bei den Rußland bekriegenden Mächten die genügende Unterstützung.
Die voraussichtlich secundäre Rolle, die Spaniens Truppen in der Krim
neben denen Englands und Frankreichs spielen mußten, widerstrebte dem
Stolz eines Volkes, das noch bis in seinen tiefen Verfall die Erinnerung an
seine einstige der Weltherrschaft nahekommende Größe bewahrt hat. Der Hof
war der Idee des Bündnisses entschieden feindlich, Espartero und sein specieller
Anhang unter den Progressisten hegten zum Mindesten nur geringe Sympathie
dafür. Die Finanznoth machte die Ausrüstung und Absenkung eines Truppen-
corpö, die bei der ungenügenden Zahl der Armee nur durch Einberufung der
Reserven möglich war, von Substdien abhängig, die jedenfalls England zur
Last gefallen wären und das Cabinet von Se. James zeigte keine Neigung,
sich die spanische Beihilfe um einen solchen Preis zu erkaufen. So blieb die
Theilnahme Spaniens "in orientalischen Kriege auf Velleitäten beschränkt,
und äußerte sich nur in zahlreichen Verleihungen spanischer Orden an die
französischen Generale. Die Sistirung der Kriegsoperationen nach dem Fall
Sebastopolö und der bald darauf eintretende Friede ließen eS nicht bedauern,
daß es Spanien erspart geblieben, seine Soldaten dem Kampf mit einem un¬
gewohnten Klima und den im Lager der Alliirten herrschenden Krankheiten zu
opfern.

Die Umtriebe der Camarilla bereiteten dem Ministerium unaufhörliche


die vielen noch unbewältigten Uebel, für den immer noch nicht beendigten
Kampf gegen die carlistischen Guerilla's, für die allgemeine Unsicherheit der
Heerstraßen, die seit der Revolution mit der einbrechenden Zügellosigkeit ein¬
gerissen und durch die Revucirung der Guardia civil gefördert war, für die
häufige Wiederkehr tumultuarischer und zuweilen blutiger Auftritte in den
größeren Städten, für die Verheerungen der Cholera endlich, die in der
Hauptstadt fortdauerte und namentlich die Provinzen Andalusiens auf das
schrecklichste heimsuchte.

Es mag Staunen erregen, wenn trotz alledem die Regierung ernstlich
daran dachte, sich am Krieg der Westmächte gegen Rußland zu betheiligen.
Der Marschall O'Dommel besonders begünstigte diesen Plan, -und Olozaga
pflog bereits in Paris vorläufige Verhandlungen mit dem französischen Cabinet,
über die Bedingungen der Absenkung eines spanischen HilfscorpS nach der
Krim. Der Wunsch, Spanien feste Allianzen in einer Zeit zu verschaffen,
welche die Erschütterungen eines Weltkriegs über Europa zu bringen drohte,
ihm eine Stimme bei internationalen Berathungen zu geben, die über Fragen
namentlich für eine Mittelmeermacht von höchster Bedeutung in Aussicht stan¬
den, die Hoffnung endlich, durch eine Action nach Außen dem Nationalgefühl
zu schmeicheln und die Lösung der innern Wirren zu erleichtern, waren un¬
streitig die Motive des Ministeriums. Aber sein Project fand weder im Inn-
lande, noch bei den Rußland bekriegenden Mächten die genügende Unterstützung.
Die voraussichtlich secundäre Rolle, die Spaniens Truppen in der Krim
neben denen Englands und Frankreichs spielen mußten, widerstrebte dem
Stolz eines Volkes, das noch bis in seinen tiefen Verfall die Erinnerung an
seine einstige der Weltherrschaft nahekommende Größe bewahrt hat. Der Hof
war der Idee des Bündnisses entschieden feindlich, Espartero und sein specieller
Anhang unter den Progressisten hegten zum Mindesten nur geringe Sympathie
dafür. Die Finanznoth machte die Ausrüstung und Absenkung eines Truppen-
corpö, die bei der ungenügenden Zahl der Armee nur durch Einberufung der
Reserven möglich war, von Substdien abhängig, die jedenfalls England zur
Last gefallen wären und das Cabinet von Se. James zeigte keine Neigung,
sich die spanische Beihilfe um einen solchen Preis zu erkaufen. So blieb die
Theilnahme Spaniens «in orientalischen Kriege auf Velleitäten beschränkt,
und äußerte sich nur in zahlreichen Verleihungen spanischer Orden an die
französischen Generale. Die Sistirung der Kriegsoperationen nach dem Fall
Sebastopolö und der bald darauf eintretende Friede ließen eS nicht bedauern,
daß es Spanien erspart geblieben, seine Soldaten dem Kampf mit einem un¬
gewohnten Klima und den im Lager der Alliirten herrschenden Krankheiten zu
opfern.

Die Umtriebe der Camarilla bereiteten dem Ministerium unaufhörliche


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[0503] die vielen noch unbewältigten Uebel, für den immer noch nicht beendigten Kampf gegen die carlistischen Guerilla's, für die allgemeine Unsicherheit der Heerstraßen, die seit der Revolution mit der einbrechenden Zügellosigkeit ein¬ gerissen und durch die Revucirung der Guardia civil gefördert war, für die häufige Wiederkehr tumultuarischer und zuweilen blutiger Auftritte in den größeren Städten, für die Verheerungen der Cholera endlich, die in der Hauptstadt fortdauerte und namentlich die Provinzen Andalusiens auf das schrecklichste heimsuchte. Es mag Staunen erregen, wenn trotz alledem die Regierung ernstlich daran dachte, sich am Krieg der Westmächte gegen Rußland zu betheiligen. Der Marschall O'Dommel besonders begünstigte diesen Plan, -und Olozaga pflog bereits in Paris vorläufige Verhandlungen mit dem französischen Cabinet, über die Bedingungen der Absenkung eines spanischen HilfscorpS nach der Krim. Der Wunsch, Spanien feste Allianzen in einer Zeit zu verschaffen, welche die Erschütterungen eines Weltkriegs über Europa zu bringen drohte, ihm eine Stimme bei internationalen Berathungen zu geben, die über Fragen namentlich für eine Mittelmeermacht von höchster Bedeutung in Aussicht stan¬ den, die Hoffnung endlich, durch eine Action nach Außen dem Nationalgefühl zu schmeicheln und die Lösung der innern Wirren zu erleichtern, waren un¬ streitig die Motive des Ministeriums. Aber sein Project fand weder im Inn- lande, noch bei den Rußland bekriegenden Mächten die genügende Unterstützung. Die voraussichtlich secundäre Rolle, die Spaniens Truppen in der Krim neben denen Englands und Frankreichs spielen mußten, widerstrebte dem Stolz eines Volkes, das noch bis in seinen tiefen Verfall die Erinnerung an seine einstige der Weltherrschaft nahekommende Größe bewahrt hat. Der Hof war der Idee des Bündnisses entschieden feindlich, Espartero und sein specieller Anhang unter den Progressisten hegten zum Mindesten nur geringe Sympathie dafür. Die Finanznoth machte die Ausrüstung und Absenkung eines Truppen- corpö, die bei der ungenügenden Zahl der Armee nur durch Einberufung der Reserven möglich war, von Substdien abhängig, die jedenfalls England zur Last gefallen wären und das Cabinet von Se. James zeigte keine Neigung, sich die spanische Beihilfe um einen solchen Preis zu erkaufen. So blieb die Theilnahme Spaniens «in orientalischen Kriege auf Velleitäten beschränkt, und äußerte sich nur in zahlreichen Verleihungen spanischer Orden an die französischen Generale. Die Sistirung der Kriegsoperationen nach dem Fall Sebastopolö und der bald darauf eintretende Friede ließen eS nicht bedauern, daß es Spanien erspart geblieben, seine Soldaten dem Kampf mit einem un¬ gewohnten Klima und den im Lager der Alliirten herrschenden Krankheiten zu opfern. Die Umtriebe der Camarilla bereiteten dem Ministerium unaufhörliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/503>, abgerufen am 23.07.2024.