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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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mehr viel länger halten; das stürmt wie der Teufel selbst, und ich fürchte flott
zu-sein^,- ^ ,, , ^ ^ , et^l-in'^ ,^,5 ^N^i/ntY

Das Manillatau bewies seine Stärke, als ich aufs Verdeck kam; die
Mannschaft, die um mich herzutrat, war voll von Lob für dasselbe. Wir konnten
sein tiefes aeolisches Gestöhn" hören, welches die ganze Länge seiner Be¬
kleidung hinablief, und aus seiner Seele heraus wehklagte. Es war sein Todten¬
gesang: der Uferboden selbst gab nach mit dem Lärm eines Kanonenschusses,
und inmitten des Rauchs, der aus seinem Zerbröckeln emporstieg, flogen wir
hinweg, ein Spielball des Eises."

"Wir hielten uns fest, indem wir bugsierten, und brachten die Brigg in
ein gutes Bett des stürmischen Eises; aber es erwies sich alles unzureichend.
W>r versuchten hierauf, rückwärts zu gehen durch den engen, eisverrammelten
Wasserweg, der in der Breite einer englischen Viertelmeile zwischen dem User
und dem Packeise offen lag. Wir brauchten zwei Stunden harter und ge¬
wandter Anstrengung, nach Verlauf dieser Zeit aber waren wir wenigstens
vier Meilen weiter davon, gegenüber dem großen Thalweg in der Mitte von
Bedeville Neach. Vor uns und weiter gegen Norden konnten wir die Ver¬
engerung noch schmäler werden und die schweren Eisflächen sich aufthürmen
sehen, indem sie den Raum zwischen den Uferkliffs auf der einen utrd dem
Eisrande auf der andern Seite verschlossen. Es blieb uns nur ein Ding zu thun
übrig, die Leitung des Steuerruders uns dadurch zu sichern, daß wir frei¬
willig dahin gingen, wohin wir sonst getrieben worden wären. Wir überließen
das Schiff dem Winde unter Einreffung der Vordermastsegel, indem alle Blicke
auf den Feind gerichtet waren, während wir einzogen."

"Am 7. Morgens befanden wir uns in der Nähe von Ankerboden. Wir
warfen unsern schwersten Anker in der verzweifelten Hoffnung aus, der Brigg
mächtig zu werden; aber es war unmöglich, dem Eisstrom, der uns folgte,
Widerstand zu leisten. Wir hatten nur Zeit, einen Sparren als eine Bake an
die Kette zu befestigen, und sie fahren zu lassen. So war unser bester Vorder¬
anker dahin."

"Wir jagten vor dem Sturme daher, hilflos uns an den äußern Rand
einer Eismasse von selten weniger als 30 Fuß Dicke haltend, ein Theil, an
den wir uns durch eine Segelleine zu heften versuchten, maß sogar iO Fuß.
Ich hatte ähnliche Eismassen nur einmal früher gesehn, und nie in dieser
reißenden Strömung. Ein aufgethürmter Eisblock erhob sich über unsern
Kanonenverschlag, schlug über unsere Brustwehren herein, und warf eine halbe
Tonne Eis in einem Stück auf das Verdeck. Unsere Kleine Brigg durch¬
schnitt alle dieses Ungefähr, als ob sie ein Vergnügen daran fände."

Aber ein neuer Feind kam in Sicht. Grade auf unserm Weg, jenseit der
Linie schwimmenden Eises, gegen welches wir abwechselnd antrieben und ab-


mehr viel länger halten; das stürmt wie der Teufel selbst, und ich fürchte flott
zu-sein^,- ^ ,, , ^ ^ , et^l-in'^ ,^,5 ^N^i/ntY

Das Manillatau bewies seine Stärke, als ich aufs Verdeck kam; die
Mannschaft, die um mich herzutrat, war voll von Lob für dasselbe. Wir konnten
sein tiefes aeolisches Gestöhn« hören, welches die ganze Länge seiner Be¬
kleidung hinablief, und aus seiner Seele heraus wehklagte. Es war sein Todten¬
gesang: der Uferboden selbst gab nach mit dem Lärm eines Kanonenschusses,
und inmitten des Rauchs, der aus seinem Zerbröckeln emporstieg, flogen wir
hinweg, ein Spielball des Eises."

„Wir hielten uns fest, indem wir bugsierten, und brachten die Brigg in
ein gutes Bett des stürmischen Eises; aber es erwies sich alles unzureichend.
W>r versuchten hierauf, rückwärts zu gehen durch den engen, eisverrammelten
Wasserweg, der in der Breite einer englischen Viertelmeile zwischen dem User
und dem Packeise offen lag. Wir brauchten zwei Stunden harter und ge¬
wandter Anstrengung, nach Verlauf dieser Zeit aber waren wir wenigstens
vier Meilen weiter davon, gegenüber dem großen Thalweg in der Mitte von
Bedeville Neach. Vor uns und weiter gegen Norden konnten wir die Ver¬
engerung noch schmäler werden und die schweren Eisflächen sich aufthürmen
sehen, indem sie den Raum zwischen den Uferkliffs auf der einen utrd dem
Eisrande auf der andern Seite verschlossen. Es blieb uns nur ein Ding zu thun
übrig, die Leitung des Steuerruders uns dadurch zu sichern, daß wir frei¬
willig dahin gingen, wohin wir sonst getrieben worden wären. Wir überließen
das Schiff dem Winde unter Einreffung der Vordermastsegel, indem alle Blicke
auf den Feind gerichtet waren, während wir einzogen."

„Am 7. Morgens befanden wir uns in der Nähe von Ankerboden. Wir
warfen unsern schwersten Anker in der verzweifelten Hoffnung aus, der Brigg
mächtig zu werden; aber es war unmöglich, dem Eisstrom, der uns folgte,
Widerstand zu leisten. Wir hatten nur Zeit, einen Sparren als eine Bake an
die Kette zu befestigen, und sie fahren zu lassen. So war unser bester Vorder¬
anker dahin."

„Wir jagten vor dem Sturme daher, hilflos uns an den äußern Rand
einer Eismasse von selten weniger als 30 Fuß Dicke haltend, ein Theil, an
den wir uns durch eine Segelleine zu heften versuchten, maß sogar iO Fuß.
Ich hatte ähnliche Eismassen nur einmal früher gesehn, und nie in dieser
reißenden Strömung. Ein aufgethürmter Eisblock erhob sich über unsern
Kanonenverschlag, schlug über unsere Brustwehren herein, und warf eine halbe
Tonne Eis in einem Stück auf das Verdeck. Unsere Kleine Brigg durch¬
schnitt alle dieses Ungefähr, als ob sie ein Vergnügen daran fände."

Aber ein neuer Feind kam in Sicht. Grade auf unserm Weg, jenseit der
Linie schwimmenden Eises, gegen welches wir abwechselnd antrieben und ab-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/492>, abgerufen am 23.07.2024.