Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und catalonischen Districte nördlich vom Ebro. Das Ministerium verlangte
und erhielt außerdem von den Cortes außerordentliche Vollmachten, im ganzen
Königreich je nach Befund der Verhältnisse den Belagerungszustand zu proclami-
ren und Blätter, die zur Revolte aufforderten, zu unterdrücken. Es benutzte
sie, namentlich der Presse gegenüber, mit anerkennenswerther Mäßigung. Das
Cabinet der Tuilerien leistete der spanischen Negierung durch sorgfältige Be¬
wachung der Grenze und der carlistischen Flüchtlinge, auf die Olozaga, der
nach Paris ^zurückgekehrt war, ein scharfes Auge hatte, auch in dieser Frage
wesentliche Dienste. ,

Dem Carlistenaufstand folgte bald eine Ministerkrisis in Madrid, die dies
Mal den größten Theil^des Cabinets umfaßte. Die Stellung des Finanz¬
ministers war schon seit längerer Zeit wankend geworden. Das große Anlehn,
welches die schwebende Schuld verringern und das Deficit decken sollte, begeg¬
nete unübersteiglichen Schwierigkeiten. Madoz strebte eS zu dem immerhin
ziemlich niedrigem Course von 60 zu 3 Pc. zu realisiren, aber auch dieser war
unter den obwaltenden Umständen nicht zu erreichen. Er machte nebenbei die
angestrengtesten Versuche, durch Separatverträge mit den Inhabern der betreffen¬
den Documente die schwebende Schuld durch 3 pe. Renten zu ersetzen, aber
er scheiterte auch hierin theils an der Habsucht, theils an der politischen Ran-
cüne der Kapitalisten. Die altmoderirte Partei- war mächtig in der hohen
Finanz und benutzte die Noth des Schatzes, um der verhaßten Regierung und
dem doppelt verhaßten Finanzminister schwere Verlegenheiten zu bereiten. Ma¬
doz klagte öffentlich in den Cortes die Intriguanten an und ergoß sich wieder¬
holt in den heftigsten Drohungen gegen sie. Aber dieser Versuch, die Staats¬
gläubiger zu terroristren, schlug gänzlich fehl. Es wurde endlich unzweideutig
klar, daß die Auflegung einer Zwangsanleihe nicht zu umgeben sei, besonders
nachdem der Aufstand in Aragonien den öffentlichen Credit noch mehr nieder¬
gedrückt hatte. Zu diesem im höchsten Grade unbeliebten Auskunftsmittel
wollte Madoz sich nicht verstehn; er zog es vor zurücktreten. Den Vorwand
seines Ausscheidens gab die Verwerfung seines Vorschlags, einen Theil der
Nationalmiliz gegen die carlistische Jnsurrection mobil zu machen, durch seine
Collegen. Sein Austritt blieb nicht isolirt. Der Minister des Innern, Santa
Cruz, folgte seinem Beispiel wegen eines Conflicts mit der Nationalmiliz der
Hauptstadt, die des Aeußern, der Justiz und der öffentlichen Arbeiten, weil sie
der von so vielen Schwierigkeiten umlagerten Gewalt müde waren. Madoz
Nachfolger wurde ein progressistischer Bankier aus Saragossa, Brun, ein
sehr praktischer und tüchtiger Finanzmann, obwol kein parlamentarischer Red¬
ner. Für Luzuriaga, der den Conflict mit den Vereinigten Staaten glücklich
beigelegt hatte, übernahm der General Zabala, ein gemäßigter Progresstst das
Aeußere. Die drei andern erledigten Portefeuilles wurden durch drei progres-


und catalonischen Districte nördlich vom Ebro. Das Ministerium verlangte
und erhielt außerdem von den Cortes außerordentliche Vollmachten, im ganzen
Königreich je nach Befund der Verhältnisse den Belagerungszustand zu proclami-
ren und Blätter, die zur Revolte aufforderten, zu unterdrücken. Es benutzte
sie, namentlich der Presse gegenüber, mit anerkennenswerther Mäßigung. Das
Cabinet der Tuilerien leistete der spanischen Negierung durch sorgfältige Be¬
wachung der Grenze und der carlistischen Flüchtlinge, auf die Olozaga, der
nach Paris ^zurückgekehrt war, ein scharfes Auge hatte, auch in dieser Frage
wesentliche Dienste. ,

Dem Carlistenaufstand folgte bald eine Ministerkrisis in Madrid, die dies
Mal den größten Theil^des Cabinets umfaßte. Die Stellung des Finanz¬
ministers war schon seit längerer Zeit wankend geworden. Das große Anlehn,
welches die schwebende Schuld verringern und das Deficit decken sollte, begeg¬
nete unübersteiglichen Schwierigkeiten. Madoz strebte eS zu dem immerhin
ziemlich niedrigem Course von 60 zu 3 Pc. zu realisiren, aber auch dieser war
unter den obwaltenden Umständen nicht zu erreichen. Er machte nebenbei die
angestrengtesten Versuche, durch Separatverträge mit den Inhabern der betreffen¬
den Documente die schwebende Schuld durch 3 pe. Renten zu ersetzen, aber
er scheiterte auch hierin theils an der Habsucht, theils an der politischen Ran-
cüne der Kapitalisten. Die altmoderirte Partei- war mächtig in der hohen
Finanz und benutzte die Noth des Schatzes, um der verhaßten Regierung und
dem doppelt verhaßten Finanzminister schwere Verlegenheiten zu bereiten. Ma¬
doz klagte öffentlich in den Cortes die Intriguanten an und ergoß sich wieder¬
holt in den heftigsten Drohungen gegen sie. Aber dieser Versuch, die Staats¬
gläubiger zu terroristren, schlug gänzlich fehl. Es wurde endlich unzweideutig
klar, daß die Auflegung einer Zwangsanleihe nicht zu umgeben sei, besonders
nachdem der Aufstand in Aragonien den öffentlichen Credit noch mehr nieder¬
gedrückt hatte. Zu diesem im höchsten Grade unbeliebten Auskunftsmittel
wollte Madoz sich nicht verstehn; er zog es vor zurücktreten. Den Vorwand
seines Ausscheidens gab die Verwerfung seines Vorschlags, einen Theil der
Nationalmiliz gegen die carlistische Jnsurrection mobil zu machen, durch seine
Collegen. Sein Austritt blieb nicht isolirt. Der Minister des Innern, Santa
Cruz, folgte seinem Beispiel wegen eines Conflicts mit der Nationalmiliz der
Hauptstadt, die des Aeußern, der Justiz und der öffentlichen Arbeiten, weil sie
der von so vielen Schwierigkeiten umlagerten Gewalt müde waren. Madoz
Nachfolger wurde ein progressistischer Bankier aus Saragossa, Brun, ein
sehr praktischer und tüchtiger Finanzmann, obwol kein parlamentarischer Red¬
ner. Für Luzuriaga, der den Conflict mit den Vereinigten Staaten glücklich
beigelegt hatte, übernahm der General Zabala, ein gemäßigter Progresstst das
Aeußere. Die drei andern erledigten Portefeuilles wurden durch drei progres-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103067"/>
            <p xml:id="ID_1506" prev="#ID_1505"> und catalonischen Districte nördlich vom Ebro. Das Ministerium verlangte<lb/>
und erhielt außerdem von den Cortes außerordentliche Vollmachten, im ganzen<lb/>
Königreich je nach Befund der Verhältnisse den Belagerungszustand zu proclami-<lb/>
ren und Blätter, die zur Revolte aufforderten, zu unterdrücken. Es benutzte<lb/>
sie, namentlich der Presse gegenüber, mit anerkennenswerther Mäßigung. Das<lb/>
Cabinet der Tuilerien leistete der spanischen Negierung durch sorgfältige Be¬<lb/>
wachung der Grenze und der carlistischen Flüchtlinge, auf die Olozaga, der<lb/>
nach Paris ^zurückgekehrt war, ein scharfes Auge hatte, auch in dieser Frage<lb/>
wesentliche Dienste. ,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1507" next="#ID_1508"> Dem Carlistenaufstand folgte bald eine Ministerkrisis in Madrid, die dies<lb/>
Mal den größten Theil^des Cabinets umfaßte. Die Stellung des Finanz¬<lb/>
ministers war schon seit längerer Zeit wankend geworden. Das große Anlehn,<lb/>
welches die schwebende Schuld verringern und das Deficit decken sollte, begeg¬<lb/>
nete unübersteiglichen Schwierigkeiten. Madoz strebte eS zu dem immerhin<lb/>
ziemlich niedrigem Course von 60 zu 3 Pc. zu realisiren, aber auch dieser war<lb/>
unter den obwaltenden Umständen nicht zu erreichen. Er machte nebenbei die<lb/>
angestrengtesten Versuche, durch Separatverträge mit den Inhabern der betreffen¬<lb/>
den Documente die schwebende Schuld durch 3 pe. Renten zu ersetzen, aber<lb/>
er scheiterte auch hierin theils an der Habsucht, theils an der politischen Ran-<lb/>
cüne der Kapitalisten. Die altmoderirte Partei- war mächtig in der hohen<lb/>
Finanz und benutzte die Noth des Schatzes, um der verhaßten Regierung und<lb/>
dem doppelt verhaßten Finanzminister schwere Verlegenheiten zu bereiten. Ma¬<lb/>
doz klagte öffentlich in den Cortes die Intriguanten an und ergoß sich wieder¬<lb/>
holt in den heftigsten Drohungen gegen sie. Aber dieser Versuch, die Staats¬<lb/>
gläubiger zu terroristren, schlug gänzlich fehl. Es wurde endlich unzweideutig<lb/>
klar, daß die Auflegung einer Zwangsanleihe nicht zu umgeben sei, besonders<lb/>
nachdem der Aufstand in Aragonien den öffentlichen Credit noch mehr nieder¬<lb/>
gedrückt hatte. Zu diesem im höchsten Grade unbeliebten Auskunftsmittel<lb/>
wollte Madoz sich nicht verstehn; er zog es vor zurücktreten. Den Vorwand<lb/>
seines Ausscheidens gab die Verwerfung seines Vorschlags, einen Theil der<lb/>
Nationalmiliz gegen die carlistische Jnsurrection mobil zu machen, durch seine<lb/>
Collegen. Sein Austritt blieb nicht isolirt. Der Minister des Innern, Santa<lb/>
Cruz, folgte seinem Beispiel wegen eines Conflicts mit der Nationalmiliz der<lb/>
Hauptstadt, die des Aeußern, der Justiz und der öffentlichen Arbeiten, weil sie<lb/>
der von so vielen Schwierigkeiten umlagerten Gewalt müde waren. Madoz<lb/>
Nachfolger wurde ein progressistischer Bankier aus Saragossa, Brun, ein<lb/>
sehr praktischer und tüchtiger Finanzmann, obwol kein parlamentarischer Red¬<lb/>
ner. Für Luzuriaga, der den Conflict mit den Vereinigten Staaten glücklich<lb/>
beigelegt hatte, übernahm der General Zabala, ein gemäßigter Progresstst das<lb/>
Aeußere.  Die drei andern erledigten Portefeuilles wurden durch drei progres-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] und catalonischen Districte nördlich vom Ebro. Das Ministerium verlangte und erhielt außerdem von den Cortes außerordentliche Vollmachten, im ganzen Königreich je nach Befund der Verhältnisse den Belagerungszustand zu proclami- ren und Blätter, die zur Revolte aufforderten, zu unterdrücken. Es benutzte sie, namentlich der Presse gegenüber, mit anerkennenswerther Mäßigung. Das Cabinet der Tuilerien leistete der spanischen Negierung durch sorgfältige Be¬ wachung der Grenze und der carlistischen Flüchtlinge, auf die Olozaga, der nach Paris ^zurückgekehrt war, ein scharfes Auge hatte, auch in dieser Frage wesentliche Dienste. , Dem Carlistenaufstand folgte bald eine Ministerkrisis in Madrid, die dies Mal den größten Theil^des Cabinets umfaßte. Die Stellung des Finanz¬ ministers war schon seit längerer Zeit wankend geworden. Das große Anlehn, welches die schwebende Schuld verringern und das Deficit decken sollte, begeg¬ nete unübersteiglichen Schwierigkeiten. Madoz strebte eS zu dem immerhin ziemlich niedrigem Course von 60 zu 3 Pc. zu realisiren, aber auch dieser war unter den obwaltenden Umständen nicht zu erreichen. Er machte nebenbei die angestrengtesten Versuche, durch Separatverträge mit den Inhabern der betreffen¬ den Documente die schwebende Schuld durch 3 pe. Renten zu ersetzen, aber er scheiterte auch hierin theils an der Habsucht, theils an der politischen Ran- cüne der Kapitalisten. Die altmoderirte Partei- war mächtig in der hohen Finanz und benutzte die Noth des Schatzes, um der verhaßten Regierung und dem doppelt verhaßten Finanzminister schwere Verlegenheiten zu bereiten. Ma¬ doz klagte öffentlich in den Cortes die Intriguanten an und ergoß sich wieder¬ holt in den heftigsten Drohungen gegen sie. Aber dieser Versuch, die Staats¬ gläubiger zu terroristren, schlug gänzlich fehl. Es wurde endlich unzweideutig klar, daß die Auflegung einer Zwangsanleihe nicht zu umgeben sei, besonders nachdem der Aufstand in Aragonien den öffentlichen Credit noch mehr nieder¬ gedrückt hatte. Zu diesem im höchsten Grade unbeliebten Auskunftsmittel wollte Madoz sich nicht verstehn; er zog es vor zurücktreten. Den Vorwand seines Ausscheidens gab die Verwerfung seines Vorschlags, einen Theil der Nationalmiliz gegen die carlistische Jnsurrection mobil zu machen, durch seine Collegen. Sein Austritt blieb nicht isolirt. Der Minister des Innern, Santa Cruz, folgte seinem Beispiel wegen eines Conflicts mit der Nationalmiliz der Hauptstadt, die des Aeußern, der Justiz und der öffentlichen Arbeiten, weil sie der von so vielen Schwierigkeiten umlagerten Gewalt müde waren. Madoz Nachfolger wurde ein progressistischer Bankier aus Saragossa, Brun, ein sehr praktischer und tüchtiger Finanzmann, obwol kein parlamentarischer Red¬ ner. Für Luzuriaga, der den Conflict mit den Vereinigten Staaten glücklich beigelegt hatte, übernahm der General Zabala, ein gemäßigter Progresstst das Aeußere. Die drei andern erledigten Portefeuilles wurden durch drei progres-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/472>, abgerufen am 03.07.2024.