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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Phalanr der äußersten Rechten blieb einig. Sie verlor bald nach den Kämpfen
über das Desamortisationsgesetz in Rios Rosas ihren beredtesten Vorfechter.
Er beharrte zwar in seiner Opposition gegen die Regierung und die Progres-
sisten, aber er, der ehemalige Puritano, wollte weder die Solidarität mit der
Moderadopolitik übernehmen, noch mit Nocedal den Marschall Narvaez,
dessen Verwaltung er Jahre lang bekämpft hatte, als seinen Chef anerkennen.
Der Herzog von Valencia war wenige Wochen nach den Juliereignissen in
ein dem Anschein nach freiwilliges Erik nach Paris gegangen; in Wahrheit
war er der Rache der vielen Feinde ausgewichen, die er sich während seiner
früheren Amtsführungen gemacht hatte. In einer ganz andern Eigenschaft,
als Gesandter Spaniens, wurde unmittelbar nach der Revolution Olozaga nach
Paris geschickt. Seine diplomatische Gewandtheit und die Beziehungen, die er
aus früherer Zeit zu Louis Napoleon hatte, als sie beide als Verbannte in
London verweilten, trugen nicht wenig dazu bei, dem madrider Cabinet die
äußerst wichtige Freundschaft des französischen Kaisers zu verschaffen, und zu
erhalten. Nach Eröffnung der Cortes kehrte Olozaga auf Urlaub nach Madrid
zurück, um seinen Platz als Abgeordneter einzunehmen. Er schloß sich den
Puros an und bereitete dem Cabinet manche Verlegenheiten. Doch war die-
' sem die Freundschaft des sowol in der Versammlung, als am französischen
Hofe einflußreichen Mannes zu wichtig, um deshalb mit ihm zu brechen. Ein¬
tretende Ereignisse nahmen auch bald' wieder seine diplomatischen Dienste in
Anspruch.

Der lang befürchtete Ausbruch der carlistischen Bewegung erfolgte endlich
im Anfang des Monat Mai. Die Jnsurrection trug im Beginn einen ernsten
Charakter. Siebzig Mann eines in Saragossa garnisonirenden Neiteregi-
ments empörten sich, verließen die Stadt und warfen sich nach Niederarago-
nien, wo in der Nähe von Calatayud einige reiche Grundbesitzer das Banner
der Kirche und Karls VI. erhoben. Dies Beispiel militärischen Abfalls fand glück¬
licherweise keine Nachahmung. Der Generalcapitän von Aragonien, Gurrea,
verfolgte die Insurgenten an der Spitze von Truppen und Nationalmilizen,
erreichte und zerstreute sie nach einem ziemlich scharfen Zusammentreffen. Gleich¬
zeitig aber traten in Catalonien und in Altcastilien carlistische Banden auf.
Obschon eS nirgend dem Aufruhr gelang, Consistenz zu gewinnen, so ent¬
wickelte sich doch aus ihm ein langwieriger Guerillakrieg, dessen Bewältigung
große militärische und finanzielle Opfer forderte. O'Dommel, dem man.es ver¬
dankte, daß die Armee in diesem Augenblick der Gesahr von nicht ganz unzu¬
reichender Stärke war, ergriff die energischesten Maßregeln und erließ unerbitt¬
liche Verhaltungsbefehle. Keinem mit den Waffen in der Hand ergriffenen
Facciosen ward das Leben geschenkt; trotzdem zog sich der Kampf mit den
Guerillas bis in den Winter hinein und verheerte besonders die aragonischer


Phalanr der äußersten Rechten blieb einig. Sie verlor bald nach den Kämpfen
über das Desamortisationsgesetz in Rios Rosas ihren beredtesten Vorfechter.
Er beharrte zwar in seiner Opposition gegen die Regierung und die Progres-
sisten, aber er, der ehemalige Puritano, wollte weder die Solidarität mit der
Moderadopolitik übernehmen, noch mit Nocedal den Marschall Narvaez,
dessen Verwaltung er Jahre lang bekämpft hatte, als seinen Chef anerkennen.
Der Herzog von Valencia war wenige Wochen nach den Juliereignissen in
ein dem Anschein nach freiwilliges Erik nach Paris gegangen; in Wahrheit
war er der Rache der vielen Feinde ausgewichen, die er sich während seiner
früheren Amtsführungen gemacht hatte. In einer ganz andern Eigenschaft,
als Gesandter Spaniens, wurde unmittelbar nach der Revolution Olozaga nach
Paris geschickt. Seine diplomatische Gewandtheit und die Beziehungen, die er
aus früherer Zeit zu Louis Napoleon hatte, als sie beide als Verbannte in
London verweilten, trugen nicht wenig dazu bei, dem madrider Cabinet die
äußerst wichtige Freundschaft des französischen Kaisers zu verschaffen, und zu
erhalten. Nach Eröffnung der Cortes kehrte Olozaga auf Urlaub nach Madrid
zurück, um seinen Platz als Abgeordneter einzunehmen. Er schloß sich den
Puros an und bereitete dem Cabinet manche Verlegenheiten. Doch war die-
' sem die Freundschaft des sowol in der Versammlung, als am französischen
Hofe einflußreichen Mannes zu wichtig, um deshalb mit ihm zu brechen. Ein¬
tretende Ereignisse nahmen auch bald' wieder seine diplomatischen Dienste in
Anspruch.

Der lang befürchtete Ausbruch der carlistischen Bewegung erfolgte endlich
im Anfang des Monat Mai. Die Jnsurrection trug im Beginn einen ernsten
Charakter. Siebzig Mann eines in Saragossa garnisonirenden Neiteregi-
ments empörten sich, verließen die Stadt und warfen sich nach Niederarago-
nien, wo in der Nähe von Calatayud einige reiche Grundbesitzer das Banner
der Kirche und Karls VI. erhoben. Dies Beispiel militärischen Abfalls fand glück¬
licherweise keine Nachahmung. Der Generalcapitän von Aragonien, Gurrea,
verfolgte die Insurgenten an der Spitze von Truppen und Nationalmilizen,
erreichte und zerstreute sie nach einem ziemlich scharfen Zusammentreffen. Gleich¬
zeitig aber traten in Catalonien und in Altcastilien carlistische Banden auf.
Obschon eS nirgend dem Aufruhr gelang, Consistenz zu gewinnen, so ent¬
wickelte sich doch aus ihm ein langwieriger Guerillakrieg, dessen Bewältigung
große militärische und finanzielle Opfer forderte. O'Dommel, dem man.es ver¬
dankte, daß die Armee in diesem Augenblick der Gesahr von nicht ganz unzu¬
reichender Stärke war, ergriff die energischesten Maßregeln und erließ unerbitt¬
liche Verhaltungsbefehle. Keinem mit den Waffen in der Hand ergriffenen
Facciosen ward das Leben geschenkt; trotzdem zog sich der Kampf mit den
Guerillas bis in den Winter hinein und verheerte besonders die aragonischer


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[0471] Phalanr der äußersten Rechten blieb einig. Sie verlor bald nach den Kämpfen über das Desamortisationsgesetz in Rios Rosas ihren beredtesten Vorfechter. Er beharrte zwar in seiner Opposition gegen die Regierung und die Progres- sisten, aber er, der ehemalige Puritano, wollte weder die Solidarität mit der Moderadopolitik übernehmen, noch mit Nocedal den Marschall Narvaez, dessen Verwaltung er Jahre lang bekämpft hatte, als seinen Chef anerkennen. Der Herzog von Valencia war wenige Wochen nach den Juliereignissen in ein dem Anschein nach freiwilliges Erik nach Paris gegangen; in Wahrheit war er der Rache der vielen Feinde ausgewichen, die er sich während seiner früheren Amtsführungen gemacht hatte. In einer ganz andern Eigenschaft, als Gesandter Spaniens, wurde unmittelbar nach der Revolution Olozaga nach Paris geschickt. Seine diplomatische Gewandtheit und die Beziehungen, die er aus früherer Zeit zu Louis Napoleon hatte, als sie beide als Verbannte in London verweilten, trugen nicht wenig dazu bei, dem madrider Cabinet die äußerst wichtige Freundschaft des französischen Kaisers zu verschaffen, und zu erhalten. Nach Eröffnung der Cortes kehrte Olozaga auf Urlaub nach Madrid zurück, um seinen Platz als Abgeordneter einzunehmen. Er schloß sich den Puros an und bereitete dem Cabinet manche Verlegenheiten. Doch war die- ' sem die Freundschaft des sowol in der Versammlung, als am französischen Hofe einflußreichen Mannes zu wichtig, um deshalb mit ihm zu brechen. Ein¬ tretende Ereignisse nahmen auch bald' wieder seine diplomatischen Dienste in Anspruch. Der lang befürchtete Ausbruch der carlistischen Bewegung erfolgte endlich im Anfang des Monat Mai. Die Jnsurrection trug im Beginn einen ernsten Charakter. Siebzig Mann eines in Saragossa garnisonirenden Neiteregi- ments empörten sich, verließen die Stadt und warfen sich nach Niederarago- nien, wo in der Nähe von Calatayud einige reiche Grundbesitzer das Banner der Kirche und Karls VI. erhoben. Dies Beispiel militärischen Abfalls fand glück¬ licherweise keine Nachahmung. Der Generalcapitän von Aragonien, Gurrea, verfolgte die Insurgenten an der Spitze von Truppen und Nationalmilizen, erreichte und zerstreute sie nach einem ziemlich scharfen Zusammentreffen. Gleich¬ zeitig aber traten in Catalonien und in Altcastilien carlistische Banden auf. Obschon eS nirgend dem Aufruhr gelang, Consistenz zu gewinnen, so ent¬ wickelte sich doch aus ihm ein langwieriger Guerillakrieg, dessen Bewältigung große militärische und finanzielle Opfer forderte. O'Dommel, dem man.es ver¬ dankte, daß die Armee in diesem Augenblick der Gesahr von nicht ganz unzu¬ reichender Stärke war, ergriff die energischesten Maßregeln und erließ unerbitt¬ liche Verhaltungsbefehle. Keinem mit den Waffen in der Hand ergriffenen Facciosen ward das Leben geschenkt; trotzdem zog sich der Kampf mit den Guerillas bis in den Winter hinein und verheerte besonders die aragonischer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/471>, abgerufen am 23.07.2024.