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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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anthue, das DeSamortisationsgesetz zu unterzeichnen. Aber der Eindruck de s
Geschehenen blieb, wie spätere Ereignisse gezeigt haben, unerlöschlich in ihrem
Herzen. Sie vergaß den ihr auferlegten Zwang weder, nach verzieh sie ihn,
mochte man immerhin zu ihrem Besten sie zu einem Acte gedrängt haben,
dessen Verweigerung eine furchtbare Katastrophe über sie selbst und das Land
gebracht haben würde. Sobald die Sanction des Desamortisationsgesetzes
officiell wurde, nahm der Nuntius seine Pässe und ein völliger Bruch zwischen
Spanien und dem heiligen Stuhl trat ein.

Es überschreitet den Zweck und die Grenzen dieser Darstellung, ausführ¬
licher auf die Arbeiten und Discussionen der Cortes einzugehn. Auch hat der
Ausgang, den die spanische Constituante genommen, die Bedeutung ihrer
Verhandlungen erheblich geschmälert. Es ist indessen erforderlich, die Versamm¬
lung im Allgemeinen zu charakterisiren. Sie bot eben kein erhebendes Schau¬
spiel dar. Die selbst für ein spanisches Parlament beispiellose Weitschweifig¬
keit ihrer Debatten wurde fast alltäglich durch Parteikämpfe der unerquicklichsten
Art bezeichnet. Besonders thaten sich die demokratischen Abgeordneten durch
die Sucht nach Erregung persönlichen Skandals hervor. Das Hauptziel ihrer
Angriffe im Cabinet, dessen ganze Politik sie unausgesetzt bekämpften, war
der Kriegsminister, den sie als den heimlichen Feind der Revolution verdäch¬
tigten. Sie warfen ihm Vorzüglich seine Abneigung gegen die Nationalmiliz
vor, deren Bewaffnung und Organisation er geflissentlich verzögre. Daß
O'Dommel für dieselbe in der Zusammensetzung, die ihr die Julitage gegeben,
nichts weniger als Vorliebe hegte, ist allerdings nicht zu bezweifeln. Wenn
die Angriffe der Demokraten gegen ihn bei den radicalen und entschiedenen
Progresststen meistens keine offene Unterstützung fanden, so behaupteten doch
auch diese ihm gegenüber eine kalte und mißtrauische Haltung. Bei fast allen
persönlich gegen ihn gerichteten Anträgen enthielten sie sich der Abstimmung,
die radikalere Fraction, die überhaupt öfters mit der Demokratie gemeinschaft¬
liche Sache machte, gab auch bisweilen ihr Votum dafür ab. Im Cabinet
selbst bestand zwischen O'Dommel und Madoz, dem Vertreter der Puros, ein
schlecht verhehlter Antagonismus. Die gemäßigten Progresststen liehen ihm
zwar ihren entschiedenen Beistand; doch war die Parteibildung, welche diesel¬
ben unter dem Namen der liberalen Union mit dem freisinnigen Theil der Mo-
derados vereinigen sollte, seit dem Beginn der Session nicht vor-, sondern
zurückgeschritten. Die allgemeine Haltung der progressistischen Partei trug im
Wesentlichen die Schuld davon. Statt ihre ganze Energie auf eine schnelle
und befriedigende Feststellung der Verfassung zu richten, trieb sie eine ge¬
wissermaßen retrospektive Politik und rührte zur Befriedigung ihres lang ver¬
haltenen Grolls alten Haß von neuem auf. Sie begnügte sich nicht damit,
das Ministerium Sartorius, dessen Mitglieder sich einer nur zu gerechten Ahn-


anthue, das DeSamortisationsgesetz zu unterzeichnen. Aber der Eindruck de s
Geschehenen blieb, wie spätere Ereignisse gezeigt haben, unerlöschlich in ihrem
Herzen. Sie vergaß den ihr auferlegten Zwang weder, nach verzieh sie ihn,
mochte man immerhin zu ihrem Besten sie zu einem Acte gedrängt haben,
dessen Verweigerung eine furchtbare Katastrophe über sie selbst und das Land
gebracht haben würde. Sobald die Sanction des Desamortisationsgesetzes
officiell wurde, nahm der Nuntius seine Pässe und ein völliger Bruch zwischen
Spanien und dem heiligen Stuhl trat ein.

Es überschreitet den Zweck und die Grenzen dieser Darstellung, ausführ¬
licher auf die Arbeiten und Discussionen der Cortes einzugehn. Auch hat der
Ausgang, den die spanische Constituante genommen, die Bedeutung ihrer
Verhandlungen erheblich geschmälert. Es ist indessen erforderlich, die Versamm¬
lung im Allgemeinen zu charakterisiren. Sie bot eben kein erhebendes Schau¬
spiel dar. Die selbst für ein spanisches Parlament beispiellose Weitschweifig¬
keit ihrer Debatten wurde fast alltäglich durch Parteikämpfe der unerquicklichsten
Art bezeichnet. Besonders thaten sich die demokratischen Abgeordneten durch
die Sucht nach Erregung persönlichen Skandals hervor. Das Hauptziel ihrer
Angriffe im Cabinet, dessen ganze Politik sie unausgesetzt bekämpften, war
der Kriegsminister, den sie als den heimlichen Feind der Revolution verdäch¬
tigten. Sie warfen ihm Vorzüglich seine Abneigung gegen die Nationalmiliz
vor, deren Bewaffnung und Organisation er geflissentlich verzögre. Daß
O'Dommel für dieselbe in der Zusammensetzung, die ihr die Julitage gegeben,
nichts weniger als Vorliebe hegte, ist allerdings nicht zu bezweifeln. Wenn
die Angriffe der Demokraten gegen ihn bei den radicalen und entschiedenen
Progresststen meistens keine offene Unterstützung fanden, so behaupteten doch
auch diese ihm gegenüber eine kalte und mißtrauische Haltung. Bei fast allen
persönlich gegen ihn gerichteten Anträgen enthielten sie sich der Abstimmung,
die radikalere Fraction, die überhaupt öfters mit der Demokratie gemeinschaft¬
liche Sache machte, gab auch bisweilen ihr Votum dafür ab. Im Cabinet
selbst bestand zwischen O'Dommel und Madoz, dem Vertreter der Puros, ein
schlecht verhehlter Antagonismus. Die gemäßigten Progresststen liehen ihm
zwar ihren entschiedenen Beistand; doch war die Parteibildung, welche diesel¬
ben unter dem Namen der liberalen Union mit dem freisinnigen Theil der Mo-
derados vereinigen sollte, seit dem Beginn der Session nicht vor-, sondern
zurückgeschritten. Die allgemeine Haltung der progressistischen Partei trug im
Wesentlichen die Schuld davon. Statt ihre ganze Energie auf eine schnelle
und befriedigende Feststellung der Verfassung zu richten, trieb sie eine ge¬
wissermaßen retrospektive Politik und rührte zur Befriedigung ihres lang ver¬
haltenen Grolls alten Haß von neuem auf. Sie begnügte sich nicht damit,
das Ministerium Sartorius, dessen Mitglieder sich einer nur zu gerechten Ahn-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/468>, abgerufen am 23.07.2024.