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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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aufgenommen würde. Daher vertagte sich die unter der neuen Verfassung
erwählte Staatslegislatur auf den i. Juli 1836, um die Entscheidung des
Congresses darüber abzuwarten. Der Congreß seinerseits ernannte nunmehr
die Untersuchungscommission, aus deren (am 2. Juli 18SK erstatteten) Bericht
die obigen Angaben entnommen sind.

Während dieser ganzen Zeit, besonders seit November 1853, kam es an
verschiedenen Orten und bei verschiedenen Veranlassungen zu Thätlichkeiten,
ja zu Mordthaten, und zuletzr erwuchsen diese Händel zu kleinen Gefechten
und ernstlichem Blutvergießen. Wir übergehen die Einzelnheiten dieser wilden
Auftritte, da sie auf den eigentlichen Srand der Sache und die definnive
Lösung der Hauptfrage keinen Einfluß haben können. Im Allgemeinen scheint
der Charakter dieser Gewaltthätigkeiten darin bestanden zu haben, daß die
Sklavenpartei, stets von dem angrenzenden Missouri aus durch Helfershelfer
und Waffen unterstützt, auch von den Beamten der factisch bestehenden Ter¬
ritoriallegislatur begünstigt, meist angriffsweise verfuhr und bei weitem mehr
Leidenschaftlichkeit und Rohheit bewies, als die Freibodenmänner. Uebrigens war
an die Stelle des ersten Gouverneurs (Reeber), der sich offen für die Un¬
gültigkeit der von der Sklavenpartei durchgesetzten Wahlen aussprach, ein
anderer Gouverneur (Shannon) ernannt worden, der sich entschieden zu der
Sklavenpartei hinneigte. Auch waren einige Truppen der Vereinigten Staaten
zur Aufrechthaltung der Ruhe nach Kansas beordert worden, aber sie wurden
von dem neuen Gouverneur auf eine sehr parteiische Weise verwendet.

Die Ansichten, welche die Mehrheit der Untersuchungscommission des
Congresses am Schluß ihres Berichtes aussprach, gingen dahin: daß alle bis¬
herigen Wahlen der Territorialbehörden in Kansas durch gewaltsame Invasion
von Missouri aus durchgesetzt worden; daß mithin auch die angebliche Ter¬
ritoriallegislatur eine ungesetzliche Behörde und alle ihre Gesetze und Beschlüsse
als null und nichtig zu betrachten seien; ferner, daß eine gesetzliche Wahl nnr
vermittelst einer neuen Aufnahme der Stimmgeber, eines strengen Wahlgesetzes
und der Anwesenheit von Truppen der Vereinigten Staaten bei jeder Wahl¬
stelle möglich sei; endlich, daß die zum Behuf der Aufnahme des Territoriums
als Staat von der Convention/zu Topeka entworfene Verfassung zwar der
Form nach nicht ganz regelmäßig sei, aber den Willen der Mehrzahl der wirk¬
lichen Ansiedler von Kansas ausdrücke.

Die Entscheidung des Congresses entsprach den Wünschen der Freiboden-
wänner nicht. Zwar erklärte sich das Haus der Repräsentanten mit einer kleinen
Mehrheit für die Aufnahme von Kansas als Staat unter der Verfassung von
Topeka (also ohne Sklaverei); aber der Senat trat diesem Beschluß nicht bei,
und so zerfiel er; denn kein Beschluß erlangt Billigkeit ohne die Ueberein-


aufgenommen würde. Daher vertagte sich die unter der neuen Verfassung
erwählte Staatslegislatur auf den i. Juli 1836, um die Entscheidung des
Congresses darüber abzuwarten. Der Congreß seinerseits ernannte nunmehr
die Untersuchungscommission, aus deren (am 2. Juli 18SK erstatteten) Bericht
die obigen Angaben entnommen sind.

Während dieser ganzen Zeit, besonders seit November 1853, kam es an
verschiedenen Orten und bei verschiedenen Veranlassungen zu Thätlichkeiten,
ja zu Mordthaten, und zuletzr erwuchsen diese Händel zu kleinen Gefechten
und ernstlichem Blutvergießen. Wir übergehen die Einzelnheiten dieser wilden
Auftritte, da sie auf den eigentlichen Srand der Sache und die definnive
Lösung der Hauptfrage keinen Einfluß haben können. Im Allgemeinen scheint
der Charakter dieser Gewaltthätigkeiten darin bestanden zu haben, daß die
Sklavenpartei, stets von dem angrenzenden Missouri aus durch Helfershelfer
und Waffen unterstützt, auch von den Beamten der factisch bestehenden Ter¬
ritoriallegislatur begünstigt, meist angriffsweise verfuhr und bei weitem mehr
Leidenschaftlichkeit und Rohheit bewies, als die Freibodenmänner. Uebrigens war
an die Stelle des ersten Gouverneurs (Reeber), der sich offen für die Un¬
gültigkeit der von der Sklavenpartei durchgesetzten Wahlen aussprach, ein
anderer Gouverneur (Shannon) ernannt worden, der sich entschieden zu der
Sklavenpartei hinneigte. Auch waren einige Truppen der Vereinigten Staaten
zur Aufrechthaltung der Ruhe nach Kansas beordert worden, aber sie wurden
von dem neuen Gouverneur auf eine sehr parteiische Weise verwendet.

Die Ansichten, welche die Mehrheit der Untersuchungscommission des
Congresses am Schluß ihres Berichtes aussprach, gingen dahin: daß alle bis¬
herigen Wahlen der Territorialbehörden in Kansas durch gewaltsame Invasion
von Missouri aus durchgesetzt worden; daß mithin auch die angebliche Ter¬
ritoriallegislatur eine ungesetzliche Behörde und alle ihre Gesetze und Beschlüsse
als null und nichtig zu betrachten seien; ferner, daß eine gesetzliche Wahl nnr
vermittelst einer neuen Aufnahme der Stimmgeber, eines strengen Wahlgesetzes
und der Anwesenheit von Truppen der Vereinigten Staaten bei jeder Wahl¬
stelle möglich sei; endlich, daß die zum Behuf der Aufnahme des Territoriums
als Staat von der Convention/zu Topeka entworfene Verfassung zwar der
Form nach nicht ganz regelmäßig sei, aber den Willen der Mehrzahl der wirk¬
lichen Ansiedler von Kansas ausdrücke.

Die Entscheidung des Congresses entsprach den Wünschen der Freiboden-
wänner nicht. Zwar erklärte sich das Haus der Repräsentanten mit einer kleinen
Mehrheit für die Aufnahme von Kansas als Staat unter der Verfassung von
Topeka (also ohne Sklaverei); aber der Senat trat diesem Beschluß nicht bei,
und so zerfiel er; denn kein Beschluß erlangt Billigkeit ohne die Ueberein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/423>, abgerufen am 23.07.2024.