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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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befördert, blos um bei dieser Wahl gegen die Sklaverei zu stimmen und dann
zurückzukehren, und als verschiebe der Gouverneur von Kansas (Reeber) ab¬
sichtlich den Tag der Wahl, um die. Ankunft dieser Leute zu erwarten) --
durchaus grundlose, aber absichtlich verbreitete Gerüchte gewesen,*) Die Com¬
mission erwähnt sodann, daß einer der Hauptzeugen, selbst ein Missourier
(Col. Scott), ganz unverhohlen folgende Erklärung gemacht habe:

"Es ist meine Absicht, so wie die einer großen Zahl anderer Missourier,
zu der Zeit, wo Kansas ein Staat werden und die Sklavenfrage durch dessen
Verfassung sich definitiv entscheiden soll, in dieses Territorium zu kommen und
zwar früh genug, um ein gesetzliches Stimmrecht zu erwerben und für die
Sklaverei zu stimmen. Dies ist dabei unser einziger Zweck." --

Die völlige Gesetzwidrigkeit der Wahl vom 30. März 1855 veranlaßte
Protestationen, die an den Gouverneur gesendet wurden, aber nur in sechs
Wahldistricten (unter achtzehn); in den übrigen wurde es verhindert, theils
durch Drohungen, theils durch Mangel an Zeit, theils durch die Meinung,
daß eine neue Wahl auch eine neue Invasion der Missourier zur Folge haben
würde. Der Gouverneur ordnete wirklich für jene sechs Districte neue Wahlen
an, und dies Mal erschienen in fünf Districten nur Freibodenmänner, im sechsten
aber (Leavenworth, unmittelbar an der Grenze von Missouri) fanden sich die
Eindringlinge wieder in großer Ueberzahl ein. Das Resultat der Gesammtwahl
blieb eine große Mehrheit für Sklaverei in beiden Häusern der Territorial¬
legislatur.

Diese Wahl und die Umstände, die sie begleiteten, versetzten beide Par¬
teien in die größte Aufregung. Die siegreiche Partei wurde höchst übermüthig,
die andere, anfangs bestürzt, überließ sich bald dem heftigsten Unwillen. Jeder¬
mann ging von nun an bewaffnet, Und es konnte nicht fehlen, daß bald ge¬
legenheitliche Streithändel und Reibungen in blutige Gewaltthätigkeiten aus¬
arteten.

Am 2. Juli 1855 versammelte sich nun der so erwählte gesetzgebende
Körper, und die Gesetze, die er in Bezug auf das Sklavenwesen erließ, über¬
trafen an Intoleranz und Strenge alles, was bisher selbst in den Sklaven¬
staaten erhört worden war. So z. B. soll jeder, der einen Sklaven entführt,
um ihn frei zu machen, oder eine solche Entführung begünstigt, mit dem Tode
bestraft werden; jeder, der etwas schreibt, das Unzufriedenheit unter den
Sklaven erregen könnte, mit fünf Jahren Zuchthaus; -- jeder, der Mündlich



Das Wahre an diesen Gerüchten bestand blos dann, daß vor jener Wahl wirklich
eine mäßige Zahl Einwanderer (->69 Köpfe, worunter 67 Uralten und Kinder) durch Unter¬
stützung einer in Boston gegründeten Gesellschaft, die der Vinführuug der Sklaverei in Kansas
entgegenzuwirken suchte (lZniiU^ut-^la - Locist)-) dort angekommen waren. Aber es waren
wirkliche Ansiedler, und wenn einige derselben später Kansas wieder verließen, so geschah
es, weil das Land oder die Verhältnisse ihnen mißfielen.

befördert, blos um bei dieser Wahl gegen die Sklaverei zu stimmen und dann
zurückzukehren, und als verschiebe der Gouverneur von Kansas (Reeber) ab¬
sichtlich den Tag der Wahl, um die. Ankunft dieser Leute zu erwarten) —
durchaus grundlose, aber absichtlich verbreitete Gerüchte gewesen,*) Die Com¬
mission erwähnt sodann, daß einer der Hauptzeugen, selbst ein Missourier
(Col. Scott), ganz unverhohlen folgende Erklärung gemacht habe:

„Es ist meine Absicht, so wie die einer großen Zahl anderer Missourier,
zu der Zeit, wo Kansas ein Staat werden und die Sklavenfrage durch dessen
Verfassung sich definitiv entscheiden soll, in dieses Territorium zu kommen und
zwar früh genug, um ein gesetzliches Stimmrecht zu erwerben und für die
Sklaverei zu stimmen. Dies ist dabei unser einziger Zweck." —

Die völlige Gesetzwidrigkeit der Wahl vom 30. März 1855 veranlaßte
Protestationen, die an den Gouverneur gesendet wurden, aber nur in sechs
Wahldistricten (unter achtzehn); in den übrigen wurde es verhindert, theils
durch Drohungen, theils durch Mangel an Zeit, theils durch die Meinung,
daß eine neue Wahl auch eine neue Invasion der Missourier zur Folge haben
würde. Der Gouverneur ordnete wirklich für jene sechs Districte neue Wahlen
an, und dies Mal erschienen in fünf Districten nur Freibodenmänner, im sechsten
aber (Leavenworth, unmittelbar an der Grenze von Missouri) fanden sich die
Eindringlinge wieder in großer Ueberzahl ein. Das Resultat der Gesammtwahl
blieb eine große Mehrheit für Sklaverei in beiden Häusern der Territorial¬
legislatur.

Diese Wahl und die Umstände, die sie begleiteten, versetzten beide Par¬
teien in die größte Aufregung. Die siegreiche Partei wurde höchst übermüthig,
die andere, anfangs bestürzt, überließ sich bald dem heftigsten Unwillen. Jeder¬
mann ging von nun an bewaffnet, Und es konnte nicht fehlen, daß bald ge¬
legenheitliche Streithändel und Reibungen in blutige Gewaltthätigkeiten aus¬
arteten.

Am 2. Juli 1855 versammelte sich nun der so erwählte gesetzgebende
Körper, und die Gesetze, die er in Bezug auf das Sklavenwesen erließ, über¬
trafen an Intoleranz und Strenge alles, was bisher selbst in den Sklaven¬
staaten erhört worden war. So z. B. soll jeder, der einen Sklaven entführt,
um ihn frei zu machen, oder eine solche Entführung begünstigt, mit dem Tode
bestraft werden; jeder, der etwas schreibt, das Unzufriedenheit unter den
Sklaven erregen könnte, mit fünf Jahren Zuchthaus; — jeder, der Mündlich



Das Wahre an diesen Gerüchten bestand blos dann, daß vor jener Wahl wirklich
eine mäßige Zahl Einwanderer (->69 Köpfe, worunter 67 Uralten und Kinder) durch Unter¬
stützung einer in Boston gegründeten Gesellschaft, die der Vinführuug der Sklaverei in Kansas
entgegenzuwirken suchte (lZniiU^ut-^la - Locist)-) dort angekommen waren. Aber es waren
wirkliche Ansiedler, und wenn einige derselben später Kansas wieder verließen, so geschah
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/421>, abgerufen am 23.07.2024.