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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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fache geworden. Es ist wahr, der Boden Italiens liefert viel und gern, aber
selbst Nationen, wie sie im Anfang dieses Jahrhunderts dem französischen
Heere in der Lombardei einmal wurden -- wir meinen acht Kastanien und
vier Frösche auf den Mann -- befriedigen trotz ihrer Naturwüchstgkeit nur
bescheidene Ansprüche. Auch die idealste Kunstrichtung -- und die realistische
herrscht doch nun einmal vor -- verlangt eine bessere Sättigung, als sie dem
Demokritos zu Theil wurde, der sich drei Tage lang durch den Geruch warmer
Brote am Leben erhielt, um nicht während der Ceresfeste zu sterben. Und
wenn nach der Meinung des viel verleumdeten Epikur Käse schon eine Deli-
catesse ist, und Schwarzbrot und Wasser, vom Hunger gewürzt, die geschärfteste
Wollust dem Gaumen bereiten, so mag die Ansicht mancher Gefängnißschließer
damit übereinstimmen, im Allgemeinen aber wird der deutsche Künstler doch in
der Trattoria del Lepre zu Gerichten greifen, welche ihm durch Moleschotts
Lehre vom Stoffwechsel als noch nahrhafter bekannt sind.

Da die Genüsse des Lepre indessen einer spätern Tagesstunde angehören,
und wir unsern jungen Barbaren den Morgen über nicht ganz aus den Augen
lassen dürfen, so müssen wir Orioecdi t'irwosi, brvLeoli, xollo "Uf. paclella rg,d-
biatit und andere Leckerbissen lucullischer Erfindung für den Nachmittag ver-
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Wir dürfen annehmen, daß er noch am Abend seiner Ankunft die Passeg-
giata deS Monte Pincio besucht hat, den offenen Park, welchen Napoleon an¬
legte, und woselbst die letzte Ncvolutionsregierung ein Büstcnpantheon im
Freien für alle großen Männer Italiens aus dem Nichts erschuf. Die Nähe
dieses schönen Sammelpunkts der eleganten Welt, die unmittelbare Nachbar¬
schaft der immer grünen Gärten des französischen Akademiepalastes, an welchen
wiederum das Kloster der französischen Nonnen grenzt mit seinen lauschigen
Gitterfenstern, seinen hohen Gartenmauern, seinen Sonmag-Nachmittag-Mu-
siken, wo die Singenden aus dem Chöre halb verborgen sitzen und der
Phantasie die vollste Freiheit zum Erfinden reizender Mädchengestalten lassen --
alles das und noch vieles andere veranlaßt unsern Quartiersuchenden auf die¬
sem begünstigten Fleck der Erde mit seinen Wünschen stehen zu bleiben. Zu
seinen Füßen dehn: sich die kunstbevölkerte Via Margutta; hundert Riesen-
senster, hinter denen zum Theil Bilder zum Trocknen kopfüber sich breit machen,
perrathen ihm, daß die Jünger der Palette hier eine bevorrechtigte Stellung
zum Licht des Tages einnehmen. Er macht sich sofort an die Musterung der
Mansardenatelierö, findet, daß Aussicht und frische Lust mit jeder Treppe, die
ersteigt, gewinnen, und schließt nach manchen Mißverständnissen mit derjenigen Be¬
sitzerin eines fünften Stockwerks ab, welche am meisten Talent verräth, seine
Geberdensprache zu enträthseln. Es ist wahr, sie hat ihm für fünf Scuvi
monatlich nur ein einziges Stübchen mit einem Stuhl, einem Tisch, einem eiser-


fache geworden. Es ist wahr, der Boden Italiens liefert viel und gern, aber
selbst Nationen, wie sie im Anfang dieses Jahrhunderts dem französischen
Heere in der Lombardei einmal wurden — wir meinen acht Kastanien und
vier Frösche auf den Mann — befriedigen trotz ihrer Naturwüchstgkeit nur
bescheidene Ansprüche. Auch die idealste Kunstrichtung — und die realistische
herrscht doch nun einmal vor — verlangt eine bessere Sättigung, als sie dem
Demokritos zu Theil wurde, der sich drei Tage lang durch den Geruch warmer
Brote am Leben erhielt, um nicht während der Ceresfeste zu sterben. Und
wenn nach der Meinung des viel verleumdeten Epikur Käse schon eine Deli-
catesse ist, und Schwarzbrot und Wasser, vom Hunger gewürzt, die geschärfteste
Wollust dem Gaumen bereiten, so mag die Ansicht mancher Gefängnißschließer
damit übereinstimmen, im Allgemeinen aber wird der deutsche Künstler doch in
der Trattoria del Lepre zu Gerichten greifen, welche ihm durch Moleschotts
Lehre vom Stoffwechsel als noch nahrhafter bekannt sind.

Da die Genüsse des Lepre indessen einer spätern Tagesstunde angehören,
und wir unsern jungen Barbaren den Morgen über nicht ganz aus den Augen
lassen dürfen, so müssen wir Orioecdi t'irwosi, brvLeoli, xollo »Uf. paclella rg,d-
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Wir dürfen annehmen, daß er noch am Abend seiner Ankunft die Passeg-
giata deS Monte Pincio besucht hat, den offenen Park, welchen Napoleon an¬
legte, und woselbst die letzte Ncvolutionsregierung ein Büstcnpantheon im
Freien für alle großen Männer Italiens aus dem Nichts erschuf. Die Nähe
dieses schönen Sammelpunkts der eleganten Welt, die unmittelbare Nachbar¬
schaft der immer grünen Gärten des französischen Akademiepalastes, an welchen
wiederum das Kloster der französischen Nonnen grenzt mit seinen lauschigen
Gitterfenstern, seinen hohen Gartenmauern, seinen Sonmag-Nachmittag-Mu-
siken, wo die Singenden aus dem Chöre halb verborgen sitzen und der
Phantasie die vollste Freiheit zum Erfinden reizender Mädchengestalten lassen —
alles das und noch vieles andere veranlaßt unsern Quartiersuchenden auf die¬
sem begünstigten Fleck der Erde mit seinen Wünschen stehen zu bleiben. Zu
seinen Füßen dehn: sich die kunstbevölkerte Via Margutta; hundert Riesen-
senster, hinter denen zum Theil Bilder zum Trocknen kopfüber sich breit machen,
perrathen ihm, daß die Jünger der Palette hier eine bevorrechtigte Stellung
zum Licht des Tages einnehmen. Er macht sich sofort an die Musterung der
Mansardenatelierö, findet, daß Aussicht und frische Lust mit jeder Treppe, die
ersteigt, gewinnen, und schließt nach manchen Mißverständnissen mit derjenigen Be¬
sitzerin eines fünften Stockwerks ab, welche am meisten Talent verräth, seine
Geberdensprache zu enträthseln. Es ist wahr, sie hat ihm für fünf Scuvi
monatlich nur ein einziges Stübchen mit einem Stuhl, einem Tisch, einem eiser-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/372>, abgerufen am 23.07.2024.