Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gegcnkommende Schritte und Dienstleistungen zu verpflichten, und Einfluß auf
sie zu gewinnen. So zeigte das französische Cabinet entschieden günstige Dis¬
positionen für Spanien in den zwischen diesem und der amerikanischen Union
schwebenden Differenzen. England, daS von jeher Espartero und die Progres¬
sion unterstützt hatte, war natürlich mit dem eingetretenen Wechsel sehr zu¬
frieden; die nordischen Mächte entbehrten augenblicklich jedes Einflusses in
Madrid,?) !.!.?'-> l'2^i.u ,^I'.^si>^j! et^',^ - ^ >

Im Schoß des Ministeriums riefen indeß die sich gegenüberstehenden
Elemente der Progressiven und Moderirten, und der persönliche Antagonismus
O'Donncls und Esparteros fortwährende Reibungen hervor. Gegen Ende
September machte der SiegeSherzog den Versuch, O'Dommel aus dem Kriegs-
ministerium hinauszudrängen und an seine Stelle den progressistischen, ihm
gänzlich ergebenen General Gurrea einzuschieben. Der erstere sollte durch das
Portefeuille des Auswärtigen entschädigt werden. DaS -Projekt scheiterte je¬
doch an der Zähigkeit des Grafen von Lucera, welcher wußte, daß er mit
der Armee seine Macht und politische Bedeutung ans den Händen gab, und dessen
Einfluß im Heere zu groß war, um ihn gradezu feines Postens entheben zu
können. Esparteros Vertrauter, der Marineminister Salazar, kam zum Hofe,
zu den meisten seiner College" und zur gemäßigteren Fraction der Progressisten
durch seine offne Hinneigung zu den extremen Parteien mehr und mehr in
eine mißliche Stellung. Bei Gelegenheit der Wahlen richtete er an eine Wähler¬
schaft seines Heimathlandes Biscaya, um deren Stimmen er sich bewarb, eine
für die Oeffentlichkeit bestimmte Erklärung, in der den constituirenden Cortes
die souveräne Entscheidung über das Thronrecht Jsabellciö II. zuerkannt und
die Negierung der Königin damit gewissermaßen als ein Provisorium bezeich¬
net wurde. Ein solches Glaubensbekenntnis, im Widerspruch mit dem von
der Negierung im Einberufungsdecret der Cortes ausgesprochenen Vorbehalt,
erschien im höchsten Grade unpassend für einen'Minister der Krone und Be¬
sorgn iß erregend 'bei einem Manne, dessen Einfluß auf den Siegesherzog allge¬
mein bekannt war. Die Wahlen, die im October stattfanden, gaben übrigens,
in Betracht der obwaltenden Zustände, der Aufregung aller politischen Leiden¬
schaften und der ungehinderten Action der revolutionären Factionen ein erträg¬
liches Resultat. Die ungeheure Mehrheit, fast vier Fünftel der 349 Abgeord¬
neten,' geHorten den Progressisten an. Aber hiervon konnte die gemäßigte
Nuance derselben über ein Drittel für sich beanspruchen,, und nur ein kleiner
Theil trug eine Färbung, die sich den Demokraten zuneigte. Die entschie¬
dene Fraction, welche jedoch die Verbindung mit den letzteren zurückwies, bil¬
dete die Mehrheit in der progressistischen Partei. Die Demokratie brachte nur
etwa zwanzig Mitglieder durch, eine Zahl, deren Kleinheit bewies, wie wenig
reellen Boden ihre Grundsätze im Lande fanden; aber ihr Anhang in der


gegcnkommende Schritte und Dienstleistungen zu verpflichten, und Einfluß auf
sie zu gewinnen. So zeigte das französische Cabinet entschieden günstige Dis¬
positionen für Spanien in den zwischen diesem und der amerikanischen Union
schwebenden Differenzen. England, daS von jeher Espartero und die Progres¬
sion unterstützt hatte, war natürlich mit dem eingetretenen Wechsel sehr zu¬
frieden; die nordischen Mächte entbehrten augenblicklich jedes Einflusses in
Madrid,?) !.!.?'-> l'2^i.u ,^I'.^si>^j! et^',^ - ^ >

Im Schoß des Ministeriums riefen indeß die sich gegenüberstehenden
Elemente der Progressiven und Moderirten, und der persönliche Antagonismus
O'Donncls und Esparteros fortwährende Reibungen hervor. Gegen Ende
September machte der SiegeSherzog den Versuch, O'Dommel aus dem Kriegs-
ministerium hinauszudrängen und an seine Stelle den progressistischen, ihm
gänzlich ergebenen General Gurrea einzuschieben. Der erstere sollte durch das
Portefeuille des Auswärtigen entschädigt werden. DaS -Projekt scheiterte je¬
doch an der Zähigkeit des Grafen von Lucera, welcher wußte, daß er mit
der Armee seine Macht und politische Bedeutung ans den Händen gab, und dessen
Einfluß im Heere zu groß war, um ihn gradezu feines Postens entheben zu
können. Esparteros Vertrauter, der Marineminister Salazar, kam zum Hofe,
zu den meisten seiner College» und zur gemäßigteren Fraction der Progressisten
durch seine offne Hinneigung zu den extremen Parteien mehr und mehr in
eine mißliche Stellung. Bei Gelegenheit der Wahlen richtete er an eine Wähler¬
schaft seines Heimathlandes Biscaya, um deren Stimmen er sich bewarb, eine
für die Oeffentlichkeit bestimmte Erklärung, in der den constituirenden Cortes
die souveräne Entscheidung über das Thronrecht Jsabellciö II. zuerkannt und
die Negierung der Königin damit gewissermaßen als ein Provisorium bezeich¬
net wurde. Ein solches Glaubensbekenntnis, im Widerspruch mit dem von
der Negierung im Einberufungsdecret der Cortes ausgesprochenen Vorbehalt,
erschien im höchsten Grade unpassend für einen'Minister der Krone und Be¬
sorgn iß erregend 'bei einem Manne, dessen Einfluß auf den Siegesherzog allge¬
mein bekannt war. Die Wahlen, die im October stattfanden, gaben übrigens,
in Betracht der obwaltenden Zustände, der Aufregung aller politischen Leiden¬
schaften und der ungehinderten Action der revolutionären Factionen ein erträg¬
liches Resultat. Die ungeheure Mehrheit, fast vier Fünftel der 349 Abgeord¬
neten,' geHorten den Progressisten an. Aber hiervon konnte die gemäßigte
Nuance derselben über ein Drittel für sich beanspruchen,, und nur ein kleiner
Theil trug eine Färbung, die sich den Demokraten zuneigte. Die entschie¬
dene Fraction, welche jedoch die Verbindung mit den letzteren zurückwies, bil¬
dete die Mehrheit in der progressistischen Partei. Die Demokratie brachte nur
etwa zwanzig Mitglieder durch, eine Zahl, deren Kleinheit bewies, wie wenig
reellen Boden ihre Grundsätze im Lande fanden; aber ihr Anhang in der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102936"/>
            <p xml:id="ID_1132" prev="#ID_1131"> gegcnkommende Schritte und Dienstleistungen zu verpflichten, und Einfluß auf<lb/>
sie zu gewinnen. So zeigte das französische Cabinet entschieden günstige Dis¬<lb/>
positionen für Spanien in den zwischen diesem und der amerikanischen Union<lb/>
schwebenden Differenzen. England, daS von jeher Espartero und die Progres¬<lb/>
sion unterstützt hatte, war natürlich mit dem eingetretenen Wechsel sehr zu¬<lb/>
frieden; die nordischen Mächte entbehrten augenblicklich jedes Einflusses in<lb/>
Madrid,?)   !.!.?'-&gt; l'2^i.u ,^I'.^si&gt;^j! et^',^ -    ^ &gt;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1133" next="#ID_1134"> Im Schoß des Ministeriums riefen indeß die sich gegenüberstehenden<lb/>
Elemente der Progressiven und Moderirten, und der persönliche Antagonismus<lb/>
O'Donncls und Esparteros fortwährende Reibungen hervor. Gegen Ende<lb/>
September machte der SiegeSherzog den Versuch, O'Dommel aus dem Kriegs-<lb/>
ministerium hinauszudrängen und an seine Stelle den progressistischen, ihm<lb/>
gänzlich ergebenen General Gurrea einzuschieben. Der erstere sollte durch das<lb/>
Portefeuille des Auswärtigen entschädigt werden. DaS -Projekt scheiterte je¬<lb/>
doch an der Zähigkeit des Grafen von Lucera, welcher wußte, daß er mit<lb/>
der Armee seine Macht und politische Bedeutung ans den Händen gab, und dessen<lb/>
Einfluß im Heere zu groß war, um ihn gradezu feines Postens entheben zu<lb/>
können. Esparteros Vertrauter, der Marineminister Salazar, kam zum Hofe,<lb/>
zu den meisten seiner College» und zur gemäßigteren Fraction der Progressisten<lb/>
durch seine offne Hinneigung zu den extremen Parteien mehr und mehr in<lb/>
eine mißliche Stellung. Bei Gelegenheit der Wahlen richtete er an eine Wähler¬<lb/>
schaft seines Heimathlandes Biscaya, um deren Stimmen er sich bewarb, eine<lb/>
für die Oeffentlichkeit bestimmte Erklärung, in der den constituirenden Cortes<lb/>
die souveräne Entscheidung über das Thronrecht Jsabellciö II. zuerkannt und<lb/>
die Negierung der Königin damit gewissermaßen als ein Provisorium bezeich¬<lb/>
net wurde. Ein solches Glaubensbekenntnis, im Widerspruch mit dem von<lb/>
der Negierung im Einberufungsdecret der Cortes ausgesprochenen Vorbehalt,<lb/>
erschien im höchsten Grade unpassend für einen'Minister der Krone und Be¬<lb/>
sorgn iß erregend 'bei einem Manne, dessen Einfluß auf den Siegesherzog allge¬<lb/>
mein bekannt war. Die Wahlen, die im October stattfanden, gaben übrigens,<lb/>
in Betracht der obwaltenden Zustände, der Aufregung aller politischen Leiden¬<lb/>
schaften und der ungehinderten Action der revolutionären Factionen ein erträg¬<lb/>
liches Resultat. Die ungeheure Mehrheit, fast vier Fünftel der 349 Abgeord¬<lb/>
neten,' geHorten den Progressisten an. Aber hiervon konnte die gemäßigte<lb/>
Nuance derselben über ein Drittel für sich beanspruchen,, und nur ein kleiner<lb/>
Theil trug eine Färbung, die sich den Demokraten zuneigte. Die entschie¬<lb/>
dene Fraction, welche jedoch die Verbindung mit den letzteren zurückwies, bil¬<lb/>
dete die Mehrheit in der progressistischen Partei. Die Demokratie brachte nur<lb/>
etwa zwanzig Mitglieder durch, eine Zahl, deren Kleinheit bewies, wie wenig<lb/>
reellen Boden ihre Grundsätze im Lande fanden; aber ihr Anhang in der</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0341] gegcnkommende Schritte und Dienstleistungen zu verpflichten, und Einfluß auf sie zu gewinnen. So zeigte das französische Cabinet entschieden günstige Dis¬ positionen für Spanien in den zwischen diesem und der amerikanischen Union schwebenden Differenzen. England, daS von jeher Espartero und die Progres¬ sion unterstützt hatte, war natürlich mit dem eingetretenen Wechsel sehr zu¬ frieden; die nordischen Mächte entbehrten augenblicklich jedes Einflusses in Madrid,?) !.!.?'-> l'2^i.u ,^I'.^si>^j! et^',^ - ^ > Im Schoß des Ministeriums riefen indeß die sich gegenüberstehenden Elemente der Progressiven und Moderirten, und der persönliche Antagonismus O'Donncls und Esparteros fortwährende Reibungen hervor. Gegen Ende September machte der SiegeSherzog den Versuch, O'Dommel aus dem Kriegs- ministerium hinauszudrängen und an seine Stelle den progressistischen, ihm gänzlich ergebenen General Gurrea einzuschieben. Der erstere sollte durch das Portefeuille des Auswärtigen entschädigt werden. DaS -Projekt scheiterte je¬ doch an der Zähigkeit des Grafen von Lucera, welcher wußte, daß er mit der Armee seine Macht und politische Bedeutung ans den Händen gab, und dessen Einfluß im Heere zu groß war, um ihn gradezu feines Postens entheben zu können. Esparteros Vertrauter, der Marineminister Salazar, kam zum Hofe, zu den meisten seiner College» und zur gemäßigteren Fraction der Progressisten durch seine offne Hinneigung zu den extremen Parteien mehr und mehr in eine mißliche Stellung. Bei Gelegenheit der Wahlen richtete er an eine Wähler¬ schaft seines Heimathlandes Biscaya, um deren Stimmen er sich bewarb, eine für die Oeffentlichkeit bestimmte Erklärung, in der den constituirenden Cortes die souveräne Entscheidung über das Thronrecht Jsabellciö II. zuerkannt und die Negierung der Königin damit gewissermaßen als ein Provisorium bezeich¬ net wurde. Ein solches Glaubensbekenntnis, im Widerspruch mit dem von der Negierung im Einberufungsdecret der Cortes ausgesprochenen Vorbehalt, erschien im höchsten Grade unpassend für einen'Minister der Krone und Be¬ sorgn iß erregend 'bei einem Manne, dessen Einfluß auf den Siegesherzog allge¬ mein bekannt war. Die Wahlen, die im October stattfanden, gaben übrigens, in Betracht der obwaltenden Zustände, der Aufregung aller politischen Leiden¬ schaften und der ungehinderten Action der revolutionären Factionen ein erträg¬ liches Resultat. Die ungeheure Mehrheit, fast vier Fünftel der 349 Abgeord¬ neten,' geHorten den Progressisten an. Aber hiervon konnte die gemäßigte Nuance derselben über ein Drittel für sich beanspruchen,, und nur ein kleiner Theil trug eine Färbung, die sich den Demokraten zuneigte. Die entschie¬ dene Fraction, welche jedoch die Verbindung mit den letzteren zurückwies, bil¬ dete die Mehrheit in der progressistischen Partei. Die Demokratie brachte nur etwa zwanzig Mitglieder durch, eine Zahl, deren Kleinheit bewies, wie wenig reellen Boden ihre Grundsätze im Lande fanden; aber ihr Anhang in der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/341
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/341>, abgerufen am 03.07.2024.