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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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entschlossen hätten. Pezuela, ein Günstling der absolutistischen Camarilla,
wurde übrigens von seinem Posten abberufen und durch Jost de la Concha
ersetzt, dessen frühere Verwaltung in Cuba im besten Andenken geblieben und
der mehr als jeder andre geeignet war, die reichen Inseln vor innern Aufstün¬
den und Flibustierunternehmungen aus den Vereinigten Staaten zu bewahren.

Der 28. August entfernte die unmittelbare Gefahr der anarchischen Bewe¬
gungen, die aus dem Juliaufstande aufgetaucht waren, und setzte die Negie¬
rung in den Stand, die äußere Ordnung mindestens in erträglicher Weise auf¬
recht zu erhalten. Trotzdem hatte sie namentlich in den Provinzen mit großen
Schwierigkeiten zu kämpfen. Die städtischen Provinzialbehörden hatten in¬
folge der Revolution überall einen durchgreifenden Wechsel erfahren. Das
centralisirende Gesetz von <8es, ein Lieblingswerk der ModeradoS, fiel sofort
mit dem Sieg der Progressisten und mit ihm die aus ihm hervorgegangenen
Ayuntamientos und Provinzialdeputationen; sie wurden als gefügige Werk¬
zeuge des gestürzten Ministeriums dem Volkshaß zum Opfer gebracht. An ihre
Stelle traten provisorisch die Gemeindeobrigkeiten von I8i3, die nach der .dama¬
ligen Niederlage der Progressisten moderirten Bürgerschaften hatten weichen müssen.
So sehr die Progressisten berechtigt waren in ihrem Beharren bei den uralten Com-
munalfreiheiten Spaniens, welche die ModeradoS bekämpft und durch ein französi¬
schem Muster nachgebildetes, antinationales System unterdrückt hatten, so trug die¬
ser jähe Umschwung doch dazu bei, die Zügel der.Verwaltung noch mehr zu
lockern. Die städtischen Behörden begingen, vielfache Eigenmächtigkeiten und
mißachteten die Weisungen der Centralgewalt. Doch kam es nirgend zu ge¬
fährlichen Ausbrüchen des Widerstandes, mit Ausnahme Barcelonas, das
gleichzeitig dnrch die Cholera, den Aufstand der Arbeiter und die Meuterei der
Besatzung heimgesucht wurde. Die heroische Energie Manuel de la Eonchcis,
den die Regierung als Generalcapitän hinschickte, und der seine Person in
die Schanze schlug, um die Truppen zum Gehorsam zurückzubringen und mit¬
telst ihrer der Arbeiterbevölkerung Herr wurde, bewältigte diese furchtbaren
Uebelstände. Nach hergestellter Ordnung legte er seinen Posten nieder und
wurde durch Dulce ersetzt. Die äußern Verhältnisse gestalteten sich günstig.
Der Juliaufstand siel in eine Epoche, in der Spanien von fremder Einmischung
nichts zu befürchten hatte. Denn die Negierung, welche unter andern Um¬
stünden der spanischen Revolution gegenüber wahrscheinlich eine feindselige Hal¬
tung eingenommen hätte, die Regierung Napoleons III., war durch den orien¬
talischen Krieg zu sehr in Anspruch genoiymen, um an eine Intervention in
Spanien denken zu können. Auch war das englische Bündniß mit einer sol<
chen unvereinbar. Der französische Kaiser befolgte daher die weise Politik,
nicht durch nutzlose Demonstrationen und kleinliche Intriguen die in Spanien
zur Herrschaft gekommene Partei zu reizen; er suchte sie vielmehr durch ent-


entschlossen hätten. Pezuela, ein Günstling der absolutistischen Camarilla,
wurde übrigens von seinem Posten abberufen und durch Jost de la Concha
ersetzt, dessen frühere Verwaltung in Cuba im besten Andenken geblieben und
der mehr als jeder andre geeignet war, die reichen Inseln vor innern Aufstün¬
den und Flibustierunternehmungen aus den Vereinigten Staaten zu bewahren.

Der 28. August entfernte die unmittelbare Gefahr der anarchischen Bewe¬
gungen, die aus dem Juliaufstande aufgetaucht waren, und setzte die Negie¬
rung in den Stand, die äußere Ordnung mindestens in erträglicher Weise auf¬
recht zu erhalten. Trotzdem hatte sie namentlich in den Provinzen mit großen
Schwierigkeiten zu kämpfen. Die städtischen Provinzialbehörden hatten in¬
folge der Revolution überall einen durchgreifenden Wechsel erfahren. Das
centralisirende Gesetz von <8es, ein Lieblingswerk der ModeradoS, fiel sofort
mit dem Sieg der Progressisten und mit ihm die aus ihm hervorgegangenen
Ayuntamientos und Provinzialdeputationen; sie wurden als gefügige Werk¬
zeuge des gestürzten Ministeriums dem Volkshaß zum Opfer gebracht. An ihre
Stelle traten provisorisch die Gemeindeobrigkeiten von I8i3, die nach der .dama¬
ligen Niederlage der Progressisten moderirten Bürgerschaften hatten weichen müssen.
So sehr die Progressisten berechtigt waren in ihrem Beharren bei den uralten Com-
munalfreiheiten Spaniens, welche die ModeradoS bekämpft und durch ein französi¬
schem Muster nachgebildetes, antinationales System unterdrückt hatten, so trug die¬
ser jähe Umschwung doch dazu bei, die Zügel der.Verwaltung noch mehr zu
lockern. Die städtischen Behörden begingen, vielfache Eigenmächtigkeiten und
mißachteten die Weisungen der Centralgewalt. Doch kam es nirgend zu ge¬
fährlichen Ausbrüchen des Widerstandes, mit Ausnahme Barcelonas, das
gleichzeitig dnrch die Cholera, den Aufstand der Arbeiter und die Meuterei der
Besatzung heimgesucht wurde. Die heroische Energie Manuel de la Eonchcis,
den die Regierung als Generalcapitän hinschickte, und der seine Person in
die Schanze schlug, um die Truppen zum Gehorsam zurückzubringen und mit¬
telst ihrer der Arbeiterbevölkerung Herr wurde, bewältigte diese furchtbaren
Uebelstände. Nach hergestellter Ordnung legte er seinen Posten nieder und
wurde durch Dulce ersetzt. Die äußern Verhältnisse gestalteten sich günstig.
Der Juliaufstand siel in eine Epoche, in der Spanien von fremder Einmischung
nichts zu befürchten hatte. Denn die Negierung, welche unter andern Um¬
stünden der spanischen Revolution gegenüber wahrscheinlich eine feindselige Hal¬
tung eingenommen hätte, die Regierung Napoleons III., war durch den orien¬
talischen Krieg zu sehr in Anspruch genoiymen, um an eine Intervention in
Spanien denken zu können. Auch war das englische Bündniß mit einer sol<
chen unvereinbar. Der französische Kaiser befolgte daher die weise Politik,
nicht durch nutzlose Demonstrationen und kleinliche Intriguen die in Spanien
zur Herrschaft gekommene Partei zu reizen; er suchte sie vielmehr durch ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/340>, abgerufen am 03.07.2024.