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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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gedankt, d. h. abgelehnt. So dauerte der interimistische Zustand fort, und da
die zerrütteten Finanzen Siciliens durch die täglich für das sogenannte Heer
allein 30,000 Fi. C. M. betragenden Ausgaben immer hilfloser wurden, so
war der Waffenstillstand für Sicilien, ohne weitere Zwangsmaßregeln gegen
die Regierung in Neapel, nichts als eine Galgensrist. Von weiterer Ein¬
mischung als der in Form von freundschaftlichen Rathschlägen, in der neuer¬
dings wieder versuchten Weise, war indessen keine Rede. Herr Temple sprach
gegen den König von den Leiden Siciliens, dieser antwortete mit denjenigen
Irlands; man machte sich gegenseitige Verbeugungen und war beiderseits der
Meinung, daß die kitzliche Geschichte ein Ende haben müsse, wolle man irgend
eine Freude dabei finden, Gesandter im Palazzo Caramonica ober souveräner
Fürst neben dem Theater Se. Carlo zu sein.

Die Flucht des Papstes nach Gasta brachte im December eine erwünschte
Abwechslung in die Eintönigkeit. In der Kalesche des bairischen Gesandten
war Pio Nouv als Mönch verkleidet, am 24. November Abends dem Quirinal
entronnen und hatte schon am nächsten Morgen neun Uhr die Wälle Gavta's er¬
reicht. Am 26. November gelangte diese Botschaft an den König. Sofort
sandte er die Dampfer Roberto und Tancredi nach diesem, seinem Lieblings¬
asyl und folgte unmittelbar selbst mit seiner ganzen Familie.

Die nächste Zeit brachte in Oberitalien reactionäre Wandelungen in
Menge, und eine Rückwirkung derselben aus die Politik Neapels blieb nicht
aus. Im März -1849 kündigte Neapel den Waffenstillstand, und nachdem
Sicilien durch die Berufung MieroslawSkis, des Generalissimus auf Monatö-
gage, ein Zeichen seiner "wachsenden Rathlosigkeit gegeben hatte, erlagen im
April Catania, Syrakus und Palermo. Die fremden Mächte erlaubten sich
abermals schüchterne Bemerkungen über die zweckmäßigste Art, Unzufriedene
durch Liebe zu versöhnen. Dies Mal aber verbat man sich ernstlich alle Arten
von Theilnahme-Bezeugungen. Man wasche, hieß es, seine schmuzige Wäsche
am besten en kawille.

Seit jener Zeit begannen die Verfolgungen und Grausamkeiten, welche
in Gladstone einen so beredten Anwalt gefunden und bis aus die Gegenwart
jedem menschlichen Gefühl ein Aergerniß gegeben haben. Nach offizieller An¬
gabe beliefen sich die Verhaftungen seit -1848 auf 3706 und es wurden nicht
weniger als 227 Bände Acten vollgeschrieben. Der Proceß Mignona ist noch
in d'er Schwebe. In dem s. g. Riesenproceß von -1850, der mit der Januar¬
emeute Palermos in Verbindung stand, waren Leute von Poerio, Dragonetti,
Scialoja verwickelt. Die -I8S2 der Insel bewilligte Amnestie war durchaus
beschränkter Art.

Von dem Charakter des Königs ist dem Volke mehr Negatives als Posi¬
tives bekannt.----Im Gegensatz übrigens zu dem corpulenter Prinzen


gedankt, d. h. abgelehnt. So dauerte der interimistische Zustand fort, und da
die zerrütteten Finanzen Siciliens durch die täglich für das sogenannte Heer
allein 30,000 Fi. C. M. betragenden Ausgaben immer hilfloser wurden, so
war der Waffenstillstand für Sicilien, ohne weitere Zwangsmaßregeln gegen
die Regierung in Neapel, nichts als eine Galgensrist. Von weiterer Ein¬
mischung als der in Form von freundschaftlichen Rathschlägen, in der neuer¬
dings wieder versuchten Weise, war indessen keine Rede. Herr Temple sprach
gegen den König von den Leiden Siciliens, dieser antwortete mit denjenigen
Irlands; man machte sich gegenseitige Verbeugungen und war beiderseits der
Meinung, daß die kitzliche Geschichte ein Ende haben müsse, wolle man irgend
eine Freude dabei finden, Gesandter im Palazzo Caramonica ober souveräner
Fürst neben dem Theater Se. Carlo zu sein.

Die Flucht des Papstes nach Gasta brachte im December eine erwünschte
Abwechslung in die Eintönigkeit. In der Kalesche des bairischen Gesandten
war Pio Nouv als Mönch verkleidet, am 24. November Abends dem Quirinal
entronnen und hatte schon am nächsten Morgen neun Uhr die Wälle Gavta's er¬
reicht. Am 26. November gelangte diese Botschaft an den König. Sofort
sandte er die Dampfer Roberto und Tancredi nach diesem, seinem Lieblings¬
asyl und folgte unmittelbar selbst mit seiner ganzen Familie.

Die nächste Zeit brachte in Oberitalien reactionäre Wandelungen in
Menge, und eine Rückwirkung derselben aus die Politik Neapels blieb nicht
aus. Im März -1849 kündigte Neapel den Waffenstillstand, und nachdem
Sicilien durch die Berufung MieroslawSkis, des Generalissimus auf Monatö-
gage, ein Zeichen seiner »wachsenden Rathlosigkeit gegeben hatte, erlagen im
April Catania, Syrakus und Palermo. Die fremden Mächte erlaubten sich
abermals schüchterne Bemerkungen über die zweckmäßigste Art, Unzufriedene
durch Liebe zu versöhnen. Dies Mal aber verbat man sich ernstlich alle Arten
von Theilnahme-Bezeugungen. Man wasche, hieß es, seine schmuzige Wäsche
am besten en kawille.

Seit jener Zeit begannen die Verfolgungen und Grausamkeiten, welche
in Gladstone einen so beredten Anwalt gefunden und bis aus die Gegenwart
jedem menschlichen Gefühl ein Aergerniß gegeben haben. Nach offizieller An¬
gabe beliefen sich die Verhaftungen seit -1848 auf 3706 und es wurden nicht
weniger als 227 Bände Acten vollgeschrieben. Der Proceß Mignona ist noch
in d'er Schwebe. In dem s. g. Riesenproceß von -1850, der mit der Januar¬
emeute Palermos in Verbindung stand, waren Leute von Poerio, Dragonetti,
Scialoja verwickelt. Die -I8S2 der Insel bewilligte Amnestie war durchaus
beschränkter Art.

Von dem Charakter des Königs ist dem Volke mehr Negatives als Posi¬
tives bekannt.----Im Gegensatz übrigens zu dem corpulenter Prinzen


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[0304] gedankt, d. h. abgelehnt. So dauerte der interimistische Zustand fort, und da die zerrütteten Finanzen Siciliens durch die täglich für das sogenannte Heer allein 30,000 Fi. C. M. betragenden Ausgaben immer hilfloser wurden, so war der Waffenstillstand für Sicilien, ohne weitere Zwangsmaßregeln gegen die Regierung in Neapel, nichts als eine Galgensrist. Von weiterer Ein¬ mischung als der in Form von freundschaftlichen Rathschlägen, in der neuer¬ dings wieder versuchten Weise, war indessen keine Rede. Herr Temple sprach gegen den König von den Leiden Siciliens, dieser antwortete mit denjenigen Irlands; man machte sich gegenseitige Verbeugungen und war beiderseits der Meinung, daß die kitzliche Geschichte ein Ende haben müsse, wolle man irgend eine Freude dabei finden, Gesandter im Palazzo Caramonica ober souveräner Fürst neben dem Theater Se. Carlo zu sein. Die Flucht des Papstes nach Gasta brachte im December eine erwünschte Abwechslung in die Eintönigkeit. In der Kalesche des bairischen Gesandten war Pio Nouv als Mönch verkleidet, am 24. November Abends dem Quirinal entronnen und hatte schon am nächsten Morgen neun Uhr die Wälle Gavta's er¬ reicht. Am 26. November gelangte diese Botschaft an den König. Sofort sandte er die Dampfer Roberto und Tancredi nach diesem, seinem Lieblings¬ asyl und folgte unmittelbar selbst mit seiner ganzen Familie. Die nächste Zeit brachte in Oberitalien reactionäre Wandelungen in Menge, und eine Rückwirkung derselben aus die Politik Neapels blieb nicht aus. Im März -1849 kündigte Neapel den Waffenstillstand, und nachdem Sicilien durch die Berufung MieroslawSkis, des Generalissimus auf Monatö- gage, ein Zeichen seiner »wachsenden Rathlosigkeit gegeben hatte, erlagen im April Catania, Syrakus und Palermo. Die fremden Mächte erlaubten sich abermals schüchterne Bemerkungen über die zweckmäßigste Art, Unzufriedene durch Liebe zu versöhnen. Dies Mal aber verbat man sich ernstlich alle Arten von Theilnahme-Bezeugungen. Man wasche, hieß es, seine schmuzige Wäsche am besten en kawille. Seit jener Zeit begannen die Verfolgungen und Grausamkeiten, welche in Gladstone einen so beredten Anwalt gefunden und bis aus die Gegenwart jedem menschlichen Gefühl ein Aergerniß gegeben haben. Nach offizieller An¬ gabe beliefen sich die Verhaftungen seit -1848 auf 3706 und es wurden nicht weniger als 227 Bände Acten vollgeschrieben. Der Proceß Mignona ist noch in d'er Schwebe. In dem s. g. Riesenproceß von -1850, der mit der Januar¬ emeute Palermos in Verbindung stand, waren Leute von Poerio, Dragonetti, Scialoja verwickelt. Die -I8S2 der Insel bewilligte Amnestie war durchaus beschränkter Art. Von dem Charakter des Königs ist dem Volke mehr Negatives als Posi¬ tives bekannt.----Im Gegensatz übrigens zu dem corpulenter Prinzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/304>, abgerufen am 23.07.2024.