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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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zu ganz Italien sei. Das Ministerium Bozzelli, in die Klemme gerathen
zwischen den Forderungen der Sicilianer, welche unabhängig sein wollten, und
den Liberalen Neapels, welche Frieden mit Sicilien verlangten, dankte ab.
Unter des Duca ti Serracapriola Präsidentschaft wurde das alte Ministerium
neu gebildet.

Inzwischen war Louis Philipp gestürzt worden, und Lamartincs Pro¬
gramm berechtigte zu der Besorgnis), eine republikanische Einmischung könne
die' Insel der Bourbonenherrschaft völlig entreißen. Man gestand daher die
Hauptförderungen zu und unterwarf die endliche Entscheidung bei Meinungs¬
verschiedenheiten zwischen dem neapolitanischen und sicilianischen Parlament
dem Ausspruch der Parlamente von Toscana und Piemont und in letzter In¬
stanz dem des Papstes- Es schien die Zeit wiedergekehrt, wo Neapel seinem
Oberlehnsherrn in Rom, als Zeichen der Unterwürfigkeit, jährlich einen Beutel
mit Ducaten und einen Zelter senden mußte. Die Sicilianer hatten aber auch
nicht ohne Nutzen die Grundsätze des Verfassers der Confidences studirt. Sie
spannten die Saiten abermals höher und verlangten: der König solle sich
nicht mehr act regn" c>vU"z col Sioilk nennen, sondern einfach lwie.1812)
1'^ civile eins Sioilk. Das ^Ita-r <zxc> solle unwiderruflich sein. Sie forderten
ferner: alle neu Angestellten verbleiben im Amt, und andere Aemter werden
nur mit Siciliauern besetzt. Die Festungen, so weit sie sür die Städte ge¬
fährlich, werden dcmolirt; die andern binnen acht Tagen abgeliefert. Eigne
Münze. Tricolore. Der vierte Theil der Flotte und des Kriegsmaterials
wird an Sicilien abgegeben oder Entschädigung dafür in Geld. Theilweiser
Ersatz der Kriegskosten. Die Schäden Messinas ersetzt Neapel. Messina
Freihafen wie vor 1826. Dies kecke Ultimatum datirte vom 18. März. Die
Regierung lehnte es am 22. März ab. Drei Tage später trat das Parlament
in Palermo zusammen, ging über den Protest des Königs zur Tagesordnung
über und schloß dann auf Giov. Andrea Romeos Anlaß bis zur Eröffnung
des neapolitanischen Parlaments einen Waffenstillstand mit Neapel ab, dem¬
zufolge die Besatzung von Syrakus nach Desarmirung des Forts nach Neapel
eingeschifft wurde. Hier waren in der Zwischenzeit nach mancher Verzögerung
Waffen für die neue Nationalgarde herbeigeschafft worden. Die Beschützerin
dieses Instituts war die Madonna del Carmine, eine Nachbarin der Santa
verging del Mercato, um derentwillen nicht lange vorher die Lazzaroni sast eine
Contrerevolution gemacht hätten, da die Mönche ihnen gesagt hatten, es sei
die Entführung der Heiligen im Werke. Diese nämliche neapolitanische National¬
garde bewies später, als man das Fließen des Januariusblutes verzögert
fürchtete, ihren strenggläubigen Sinn durch Abordnung einer Deputation an
die Geistlichkeit, diese auffordernd, fleißig zu dem Heiligen zu beten.

Genügte man so von einer Seite dem orthodoxen Theile des Volks, so


zu ganz Italien sei. Das Ministerium Bozzelli, in die Klemme gerathen
zwischen den Forderungen der Sicilianer, welche unabhängig sein wollten, und
den Liberalen Neapels, welche Frieden mit Sicilien verlangten, dankte ab.
Unter des Duca ti Serracapriola Präsidentschaft wurde das alte Ministerium
neu gebildet.

Inzwischen war Louis Philipp gestürzt worden, und Lamartincs Pro¬
gramm berechtigte zu der Besorgnis), eine republikanische Einmischung könne
die' Insel der Bourbonenherrschaft völlig entreißen. Man gestand daher die
Hauptförderungen zu und unterwarf die endliche Entscheidung bei Meinungs¬
verschiedenheiten zwischen dem neapolitanischen und sicilianischen Parlament
dem Ausspruch der Parlamente von Toscana und Piemont und in letzter In¬
stanz dem des Papstes- Es schien die Zeit wiedergekehrt, wo Neapel seinem
Oberlehnsherrn in Rom, als Zeichen der Unterwürfigkeit, jährlich einen Beutel
mit Ducaten und einen Zelter senden mußte. Die Sicilianer hatten aber auch
nicht ohne Nutzen die Grundsätze des Verfassers der Confidences studirt. Sie
spannten die Saiten abermals höher und verlangten: der König solle sich
nicht mehr act regn» c>vU«z col Sioilk nennen, sondern einfach lwie.1812)
1'^ civile eins Sioilk. Das ^Ita-r <zxc> solle unwiderruflich sein. Sie forderten
ferner: alle neu Angestellten verbleiben im Amt, und andere Aemter werden
nur mit Siciliauern besetzt. Die Festungen, so weit sie sür die Städte ge¬
fährlich, werden dcmolirt; die andern binnen acht Tagen abgeliefert. Eigne
Münze. Tricolore. Der vierte Theil der Flotte und des Kriegsmaterials
wird an Sicilien abgegeben oder Entschädigung dafür in Geld. Theilweiser
Ersatz der Kriegskosten. Die Schäden Messinas ersetzt Neapel. Messina
Freihafen wie vor 1826. Dies kecke Ultimatum datirte vom 18. März. Die
Regierung lehnte es am 22. März ab. Drei Tage später trat das Parlament
in Palermo zusammen, ging über den Protest des Königs zur Tagesordnung
über und schloß dann auf Giov. Andrea Romeos Anlaß bis zur Eröffnung
des neapolitanischen Parlaments einen Waffenstillstand mit Neapel ab, dem¬
zufolge die Besatzung von Syrakus nach Desarmirung des Forts nach Neapel
eingeschifft wurde. Hier waren in der Zwischenzeit nach mancher Verzögerung
Waffen für die neue Nationalgarde herbeigeschafft worden. Die Beschützerin
dieses Instituts war die Madonna del Carmine, eine Nachbarin der Santa
verging del Mercato, um derentwillen nicht lange vorher die Lazzaroni sast eine
Contrerevolution gemacht hätten, da die Mönche ihnen gesagt hatten, es sei
die Entführung der Heiligen im Werke. Diese nämliche neapolitanische National¬
garde bewies später, als man das Fließen des Januariusblutes verzögert
fürchtete, ihren strenggläubigen Sinn durch Abordnung einer Deputation an
die Geistlichkeit, diese auffordernd, fleißig zu dem Heiligen zu beten.

Genügte man so von einer Seite dem orthodoxen Theile des Volks, so


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[0292] zu ganz Italien sei. Das Ministerium Bozzelli, in die Klemme gerathen zwischen den Forderungen der Sicilianer, welche unabhängig sein wollten, und den Liberalen Neapels, welche Frieden mit Sicilien verlangten, dankte ab. Unter des Duca ti Serracapriola Präsidentschaft wurde das alte Ministerium neu gebildet. Inzwischen war Louis Philipp gestürzt worden, und Lamartincs Pro¬ gramm berechtigte zu der Besorgnis), eine republikanische Einmischung könne die' Insel der Bourbonenherrschaft völlig entreißen. Man gestand daher die Hauptförderungen zu und unterwarf die endliche Entscheidung bei Meinungs¬ verschiedenheiten zwischen dem neapolitanischen und sicilianischen Parlament dem Ausspruch der Parlamente von Toscana und Piemont und in letzter In¬ stanz dem des Papstes- Es schien die Zeit wiedergekehrt, wo Neapel seinem Oberlehnsherrn in Rom, als Zeichen der Unterwürfigkeit, jährlich einen Beutel mit Ducaten und einen Zelter senden mußte. Die Sicilianer hatten aber auch nicht ohne Nutzen die Grundsätze des Verfassers der Confidences studirt. Sie spannten die Saiten abermals höher und verlangten: der König solle sich nicht mehr act regn» c>vU«z col Sioilk nennen, sondern einfach lwie.1812) 1'^ civile eins Sioilk. Das ^Ita-r <zxc> solle unwiderruflich sein. Sie forderten ferner: alle neu Angestellten verbleiben im Amt, und andere Aemter werden nur mit Siciliauern besetzt. Die Festungen, so weit sie sür die Städte ge¬ fährlich, werden dcmolirt; die andern binnen acht Tagen abgeliefert. Eigne Münze. Tricolore. Der vierte Theil der Flotte und des Kriegsmaterials wird an Sicilien abgegeben oder Entschädigung dafür in Geld. Theilweiser Ersatz der Kriegskosten. Die Schäden Messinas ersetzt Neapel. Messina Freihafen wie vor 1826. Dies kecke Ultimatum datirte vom 18. März. Die Regierung lehnte es am 22. März ab. Drei Tage später trat das Parlament in Palermo zusammen, ging über den Protest des Königs zur Tagesordnung über und schloß dann auf Giov. Andrea Romeos Anlaß bis zur Eröffnung des neapolitanischen Parlaments einen Waffenstillstand mit Neapel ab, dem¬ zufolge die Besatzung von Syrakus nach Desarmirung des Forts nach Neapel eingeschifft wurde. Hier waren in der Zwischenzeit nach mancher Verzögerung Waffen für die neue Nationalgarde herbeigeschafft worden. Die Beschützerin dieses Instituts war die Madonna del Carmine, eine Nachbarin der Santa verging del Mercato, um derentwillen nicht lange vorher die Lazzaroni sast eine Contrerevolution gemacht hätten, da die Mönche ihnen gesagt hatten, es sei die Entführung der Heiligen im Werke. Diese nämliche neapolitanische National¬ garde bewies später, als man das Fließen des Januariusblutes verzögert fürchtete, ihren strenggläubigen Sinn durch Abordnung einer Deputation an die Geistlichkeit, diese auffordernd, fleißig zu dem Heiligen zu beten. Genügte man so von einer Seite dem orthodoxen Theile des Volks, so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/292>, abgerufen am 26.06.2024.