Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nützliche Anwendung finden könnten, dem Gesandten specielle Menschen bei¬
zugeben, um unter seinen Auspicien das Materielle und Handwerksmäßige des
Geschäfts -- wie Friedensschlüsse, Handelsvertrage und sonstige Conventionen --
in die hergebrachten Formen zu bringen. Auch werden in den ministeriellen
Bureaus immer untergeordnete Fachleute gehalten, welche mit der Abfassung
der wichtigern Noten^und Memoiren beauftragt sind, die dann dem Gesandten
zur Vermeidung der Mißverständnisse und des Zeitverlustes ganz fertig zu¬
geschickt werden, so daß er dem eorxs as 1a lettrs nur die veäötts und scm-
soi'iMon beizufügen braucht.

Es eristirt aber noch ein viel triftigerer Grund, das tiefere Studium des
Völkerrechts und besonders des Staatsrechts zu fliehen. Fast alle Schriftsteller,
besonders die Professoren von Handwerk, die es versucht haben, diese sublimen
Fragen der Politik, vor welchen die Menschen eine religiöse Scheu haben sollten,
vor die Schranken gemeiner wissenschaftlicher Untersuchung zu ziehen, sind
auf gefährliche Irrwege gerathen und zu Demagogen geworden. Männer,
von denen eS bekannt wird, daß sie solche Bücher Hantiren, kommen daher an
den Höfen in üblen Geruch. So wie im Civilrecht die Definitionen für ge¬
fährlich gehalten werden, so sind es in weit höherem Grade die Principien im
Staatsrecht, loui es cM Ur"z ü, eonsvciueneö, ist sorgfältig zu vermeiden,
weil alles stets von der eonvenanes ein, moment abhängt und darnach zu be¬
urtheilen ist. Die Kunst besteht darin, diese nackte eoaven-rnLe in ein an¬
ständiges und faltenreiches, dem gemeinen Vorurtheil von Recht der Form
Nach entsprechendes Gewand einzukleiden und so zu präsentiren.

I.e si^is K8t l'donne; -- so wie also der Diplomat selbst, so soll auch
sein Stil in den Formen glatt und geschmeidig, an le>n"Z aber fest und hohl
sein wie das Schilfrohr. -- Früher bediente man sich fast ausschließlich der
französischen Sprache wegen ihrer Eleganz; doch läßt sich gar nicht in Abrede
stellen, daß in neuerer Zeit auch die deutsche Sprache mit gutem Erfolg für
diplomatische Zwecke ausgebildet worden ist. Dabei kommen die Hilfszeit¬
wörter "dürfte", "möchte", trefflich zu statten, welcher die französische Sprache
entbehrt. Wie sich die Würde des alten deutschen Kanzleistils sehr wohl mit
der erforderlichen diplomatisch-ausweichenden und ablehnenden Leerheit ver¬
binden läßt, davon sind die Protokolle des Bundestags schöne Muster. Der
unzusammenhängend,:, abgebrochene Bau der Phrasen ist im diplomatischen
Stil sorgfältig zu vermeiden, und das, was die Grammatik Anakoluth nennt,
mehr im Räsonnement selbst anzuwenden.

Ich stehe nicht an, Ihnen, lieber Vetter, als einem so nahen Verwandten,
eine Lehre zu geben, zu welcher sich öffentlich zu bekennen man vielleicht einigen
Atistand nehmen müßte. Es ist folgende: Verlieren Sie nie aus den Augen,
daß diplomatische Kunst und Feinheit nicht blos gegen den Hof, bei welchem


nützliche Anwendung finden könnten, dem Gesandten specielle Menschen bei¬
zugeben, um unter seinen Auspicien das Materielle und Handwerksmäßige des
Geschäfts — wie Friedensschlüsse, Handelsvertrage und sonstige Conventionen —
in die hergebrachten Formen zu bringen. Auch werden in den ministeriellen
Bureaus immer untergeordnete Fachleute gehalten, welche mit der Abfassung
der wichtigern Noten^und Memoiren beauftragt sind, die dann dem Gesandten
zur Vermeidung der Mißverständnisse und des Zeitverlustes ganz fertig zu¬
geschickt werden, so daß er dem eorxs as 1a lettrs nur die veäötts und scm-
soi'iMon beizufügen braucht.

Es eristirt aber noch ein viel triftigerer Grund, das tiefere Studium des
Völkerrechts und besonders des Staatsrechts zu fliehen. Fast alle Schriftsteller,
besonders die Professoren von Handwerk, die es versucht haben, diese sublimen
Fragen der Politik, vor welchen die Menschen eine religiöse Scheu haben sollten,
vor die Schranken gemeiner wissenschaftlicher Untersuchung zu ziehen, sind
auf gefährliche Irrwege gerathen und zu Demagogen geworden. Männer,
von denen eS bekannt wird, daß sie solche Bücher Hantiren, kommen daher an
den Höfen in üblen Geruch. So wie im Civilrecht die Definitionen für ge¬
fährlich gehalten werden, so sind es in weit höherem Grade die Principien im
Staatsrecht, loui es cM Ur«z ü, eonsvciueneö, ist sorgfältig zu vermeiden,
weil alles stets von der eonvenanes ein, moment abhängt und darnach zu be¬
urtheilen ist. Die Kunst besteht darin, diese nackte eoaven-rnLe in ein an¬
ständiges und faltenreiches, dem gemeinen Vorurtheil von Recht der Form
Nach entsprechendes Gewand einzukleiden und so zu präsentiren.

I.e si^is K8t l'donne; — so wie also der Diplomat selbst, so soll auch
sein Stil in den Formen glatt und geschmeidig, an le>n«Z aber fest und hohl
sein wie das Schilfrohr. — Früher bediente man sich fast ausschließlich der
französischen Sprache wegen ihrer Eleganz; doch läßt sich gar nicht in Abrede
stellen, daß in neuerer Zeit auch die deutsche Sprache mit gutem Erfolg für
diplomatische Zwecke ausgebildet worden ist. Dabei kommen die Hilfszeit¬
wörter „dürfte", „möchte", trefflich zu statten, welcher die französische Sprache
entbehrt. Wie sich die Würde des alten deutschen Kanzleistils sehr wohl mit
der erforderlichen diplomatisch-ausweichenden und ablehnenden Leerheit ver¬
binden läßt, davon sind die Protokolle des Bundestags schöne Muster. Der
unzusammenhängend,:, abgebrochene Bau der Phrasen ist im diplomatischen
Stil sorgfältig zu vermeiden, und das, was die Grammatik Anakoluth nennt,
mehr im Räsonnement selbst anzuwenden.

Ich stehe nicht an, Ihnen, lieber Vetter, als einem so nahen Verwandten,
eine Lehre zu geben, zu welcher sich öffentlich zu bekennen man vielleicht einigen
Atistand nehmen müßte. Es ist folgende: Verlieren Sie nie aus den Augen,
daß diplomatische Kunst und Feinheit nicht blos gegen den Hof, bei welchem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102866"/>
          <p xml:id="ID_879" prev="#ID_878"> nützliche Anwendung finden könnten, dem Gesandten specielle Menschen bei¬<lb/>
zugeben, um unter seinen Auspicien das Materielle und Handwerksmäßige des<lb/>
Geschäfts &#x2014; wie Friedensschlüsse, Handelsvertrage und sonstige Conventionen &#x2014;<lb/>
in die hergebrachten Formen zu bringen. Auch werden in den ministeriellen<lb/>
Bureaus immer untergeordnete Fachleute gehalten, welche mit der Abfassung<lb/>
der wichtigern Noten^und Memoiren beauftragt sind, die dann dem Gesandten<lb/>
zur Vermeidung der Mißverständnisse und des Zeitverlustes ganz fertig zu¬<lb/>
geschickt werden, so daß er dem eorxs as 1a lettrs nur die veäötts und scm-<lb/>
soi'iMon beizufügen braucht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_880"> Es eristirt aber noch ein viel triftigerer Grund, das tiefere Studium des<lb/>
Völkerrechts und besonders des Staatsrechts zu fliehen. Fast alle Schriftsteller,<lb/>
besonders die Professoren von Handwerk, die es versucht haben, diese sublimen<lb/>
Fragen der Politik, vor welchen die Menschen eine religiöse Scheu haben sollten,<lb/>
vor die Schranken gemeiner wissenschaftlicher Untersuchung zu ziehen, sind<lb/>
auf gefährliche Irrwege gerathen und zu Demagogen geworden. Männer,<lb/>
von denen eS bekannt wird, daß sie solche Bücher Hantiren, kommen daher an<lb/>
den Höfen in üblen Geruch. So wie im Civilrecht die Definitionen für ge¬<lb/>
fährlich gehalten werden, so sind es in weit höherem Grade die Principien im<lb/>
Staatsrecht, loui es cM Ur«z ü, eonsvciueneö, ist sorgfältig zu vermeiden,<lb/>
weil alles stets von der eonvenanes ein, moment abhängt und darnach zu be¬<lb/>
urtheilen ist. Die Kunst besteht darin, diese nackte eoaven-rnLe in ein an¬<lb/>
ständiges und faltenreiches, dem gemeinen Vorurtheil von Recht der Form<lb/>
Nach entsprechendes Gewand einzukleiden und so zu präsentiren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_881"> I.e si^is K8t l'donne; &#x2014; so wie also der Diplomat selbst, so soll auch<lb/>
sein Stil in den Formen glatt und geschmeidig, an le&gt;n«Z aber fest und hohl<lb/>
sein wie das Schilfrohr. &#x2014; Früher bediente man sich fast ausschließlich der<lb/>
französischen Sprache wegen ihrer Eleganz; doch läßt sich gar nicht in Abrede<lb/>
stellen, daß in neuerer Zeit auch die deutsche Sprache mit gutem Erfolg für<lb/>
diplomatische Zwecke ausgebildet worden ist. Dabei kommen die Hilfszeit¬<lb/>
wörter &#x201E;dürfte", &#x201E;möchte", trefflich zu statten, welcher die französische Sprache<lb/>
entbehrt. Wie sich die Würde des alten deutschen Kanzleistils sehr wohl mit<lb/>
der erforderlichen diplomatisch-ausweichenden und ablehnenden Leerheit ver¬<lb/>
binden läßt, davon sind die Protokolle des Bundestags schöne Muster. Der<lb/>
unzusammenhängend,:, abgebrochene Bau der Phrasen ist im diplomatischen<lb/>
Stil sorgfältig zu vermeiden, und das, was die Grammatik Anakoluth nennt,<lb/>
mehr im Räsonnement selbst anzuwenden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_882" next="#ID_883"> Ich stehe nicht an, Ihnen, lieber Vetter, als einem so nahen Verwandten,<lb/>
eine Lehre zu geben, zu welcher sich öffentlich zu bekennen man vielleicht einigen<lb/>
Atistand nehmen müßte. Es ist folgende: Verlieren Sie nie aus den Augen,<lb/>
daß diplomatische Kunst und Feinheit nicht blos gegen den Hof, bei welchem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0271] nützliche Anwendung finden könnten, dem Gesandten specielle Menschen bei¬ zugeben, um unter seinen Auspicien das Materielle und Handwerksmäßige des Geschäfts — wie Friedensschlüsse, Handelsvertrage und sonstige Conventionen — in die hergebrachten Formen zu bringen. Auch werden in den ministeriellen Bureaus immer untergeordnete Fachleute gehalten, welche mit der Abfassung der wichtigern Noten^und Memoiren beauftragt sind, die dann dem Gesandten zur Vermeidung der Mißverständnisse und des Zeitverlustes ganz fertig zu¬ geschickt werden, so daß er dem eorxs as 1a lettrs nur die veäötts und scm- soi'iMon beizufügen braucht. Es eristirt aber noch ein viel triftigerer Grund, das tiefere Studium des Völkerrechts und besonders des Staatsrechts zu fliehen. Fast alle Schriftsteller, besonders die Professoren von Handwerk, die es versucht haben, diese sublimen Fragen der Politik, vor welchen die Menschen eine religiöse Scheu haben sollten, vor die Schranken gemeiner wissenschaftlicher Untersuchung zu ziehen, sind auf gefährliche Irrwege gerathen und zu Demagogen geworden. Männer, von denen eS bekannt wird, daß sie solche Bücher Hantiren, kommen daher an den Höfen in üblen Geruch. So wie im Civilrecht die Definitionen für ge¬ fährlich gehalten werden, so sind es in weit höherem Grade die Principien im Staatsrecht, loui es cM Ur«z ü, eonsvciueneö, ist sorgfältig zu vermeiden, weil alles stets von der eonvenanes ein, moment abhängt und darnach zu be¬ urtheilen ist. Die Kunst besteht darin, diese nackte eoaven-rnLe in ein an¬ ständiges und faltenreiches, dem gemeinen Vorurtheil von Recht der Form Nach entsprechendes Gewand einzukleiden und so zu präsentiren. I.e si^is K8t l'donne; — so wie also der Diplomat selbst, so soll auch sein Stil in den Formen glatt und geschmeidig, an le>n«Z aber fest und hohl sein wie das Schilfrohr. — Früher bediente man sich fast ausschließlich der französischen Sprache wegen ihrer Eleganz; doch läßt sich gar nicht in Abrede stellen, daß in neuerer Zeit auch die deutsche Sprache mit gutem Erfolg für diplomatische Zwecke ausgebildet worden ist. Dabei kommen die Hilfszeit¬ wörter „dürfte", „möchte", trefflich zu statten, welcher die französische Sprache entbehrt. Wie sich die Würde des alten deutschen Kanzleistils sehr wohl mit der erforderlichen diplomatisch-ausweichenden und ablehnenden Leerheit ver¬ binden läßt, davon sind die Protokolle des Bundestags schöne Muster. Der unzusammenhängend,:, abgebrochene Bau der Phrasen ist im diplomatischen Stil sorgfältig zu vermeiden, und das, was die Grammatik Anakoluth nennt, mehr im Räsonnement selbst anzuwenden. Ich stehe nicht an, Ihnen, lieber Vetter, als einem so nahen Verwandten, eine Lehre zu geben, zu welcher sich öffentlich zu bekennen man vielleicht einigen Atistand nehmen müßte. Es ist folgende: Verlieren Sie nie aus den Augen, daß diplomatische Kunst und Feinheit nicht blos gegen den Hof, bei welchem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/271
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/271>, abgerufen am 23.07.2024.