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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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in seinen Beamten. I^e conseil An Ko^ ist zugleich CassativnShof, höchste Ver-
wallnngs-, Finanz- und Gesetzgebungsbehörde, die Fiction ist, daß der König
in allen diesen Dingen entscheidet, in der Wirklichkeit und namentlich unter
den unbedeutenden letzten Herrschern regierten die Mitglieder des Conseils.
Dasselbe beschloß in geheimer Sitzung die Vertheilung der Taille und Kopf¬
steuer, die Aushebung der Miliz, leitete den Bau der Landstraßen, gewährte
Unterstützungen, übte durch ein zahlreiches Corps (mgreedguLgee) die Wohl-
sahrtSpolizci, und griff überall, namentlich in der Rechtspflege, durch .seine
Arröts ein. Die Mitglieder dieses Rathes waren keinesweges aus dem hohen
Adel genommen, derselbe hatte die glänzenden Stellen am Hofe und in der
Armee, man findet seine großen Namen auch als Gouverneure der Provinzen,
aber wenig mehr als die Namen; der königliche Intendant, den der ^rann
kiziAnc-in' verachtete, wenn er ihn nicht brauchte, hatte alle Gewalt, ohne ihn
konnte nichts geschehen, er wie seine Untergebnen werden durch den königlichen
Rath in allen Willkürmaßregeln unterstützt und der gerichtlichen Verfolgung
entzogen. Die municipalen Freiheiten bestanden dem Namen nach vielerwartö,
aber sie waren ohne Sinn und Leben,' die Wahlen meist ein Possenspiel; das
platte Land wurde schon lange nicht mehr von den Grundherren verwaltet.
Es ist nicht zu leugnen, daß sich selbst in den hohlen Formen der Vergangen¬
heit noch ein Widerstand gegen die Centralisation zeigte, dieselbe zog nach der
Revolution alles an sich, was noch an Macht und Einfluß in der Peripherie
geblieben war, aber das Princip war schon unter der alten Monarchie aus-
gebildet. mowent, on ig, revolution survirtt" on o'gvait evLvre risv 66-
truie. als vivit vttilios g6miniiztrgl.it' 6e ig tsrgnee, ein en gvgit, pour ginsi
6ire, KiUi un guere en souL-oenvrs. p. 90. In einem sehr interessanten Ca¬
pitel führt der Verfasser aus, wie die damaligen Beamten schon alle bezeich¬
nenden Eigenthümlichkeiten unserer Bureaukratie hatten, Förmlichkeit, Classen¬
geist, Vielregiererei, ig farvur 6e faire ig ouisinv as Wut 1s mouäv wie Fouchv
sagte; die Negierung machte sich schon damals zur Vorsehung, die von Paris
aus alles zu regeln strebte. -- Von diesem administrativen Zustande gibt es
nur eine Ausnahme, die sogenannten pg^s 6'6tgts, von denen Languedoc das be¬
deutendste ist. Zwar war die königliche Macht auch hier so gut wie unbeschränkt,
aber die Provinz hatte ihre Stände erhalten, welche sich lebhaft mit den An¬
gelegenheiten des Landes beschäftigten und für dasselbe so gut sorgten, daß
der König sie gewähren ließ.

Sehen wir jetzt, wie diesem Verwaltungösystem gegenüber die verschiede¬
nen Classen der Gesellschaft standen. Der Adel n'ar in Frankreich, wie fast
auf dem ganzen Kontinent, zur Kaste geworden, nur in England hatte er sich
zur politischen Aristokratie zu erheben gewußt. Der französische Adel hatte seine
politischen Rechte an das absolute Königthum verloren, und statt ihrer nur


in seinen Beamten. I^e conseil An Ko^ ist zugleich CassativnShof, höchste Ver-
wallnngs-, Finanz- und Gesetzgebungsbehörde, die Fiction ist, daß der König
in allen diesen Dingen entscheidet, in der Wirklichkeit und namentlich unter
den unbedeutenden letzten Herrschern regierten die Mitglieder des Conseils.
Dasselbe beschloß in geheimer Sitzung die Vertheilung der Taille und Kopf¬
steuer, die Aushebung der Miliz, leitete den Bau der Landstraßen, gewährte
Unterstützungen, übte durch ein zahlreiches Corps (mgreedguLgee) die Wohl-
sahrtSpolizci, und griff überall, namentlich in der Rechtspflege, durch .seine
Arröts ein. Die Mitglieder dieses Rathes waren keinesweges aus dem hohen
Adel genommen, derselbe hatte die glänzenden Stellen am Hofe und in der
Armee, man findet seine großen Namen auch als Gouverneure der Provinzen,
aber wenig mehr als die Namen; der königliche Intendant, den der ^rann
kiziAnc-in' verachtete, wenn er ihn nicht brauchte, hatte alle Gewalt, ohne ihn
konnte nichts geschehen, er wie seine Untergebnen werden durch den königlichen
Rath in allen Willkürmaßregeln unterstützt und der gerichtlichen Verfolgung
entzogen. Die municipalen Freiheiten bestanden dem Namen nach vielerwartö,
aber sie waren ohne Sinn und Leben,' die Wahlen meist ein Possenspiel; das
platte Land wurde schon lange nicht mehr von den Grundherren verwaltet.
Es ist nicht zu leugnen, daß sich selbst in den hohlen Formen der Vergangen¬
heit noch ein Widerstand gegen die Centralisation zeigte, dieselbe zog nach der
Revolution alles an sich, was noch an Macht und Einfluß in der Peripherie
geblieben war, aber das Princip war schon unter der alten Monarchie aus-
gebildet. mowent, on ig, revolution survirtt» on o'gvait evLvre risv 66-
truie. als vivit vttilios g6miniiztrgl.it' 6e ig tsrgnee, ein en gvgit, pour ginsi
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pitel führt der Verfasser aus, wie die damaligen Beamten schon alle bezeich¬
nenden Eigenthümlichkeiten unserer Bureaukratie hatten, Förmlichkeit, Classen¬
geist, Vielregiererei, ig farvur 6e faire ig ouisinv as Wut 1s mouäv wie Fouchv
sagte; die Negierung machte sich schon damals zur Vorsehung, die von Paris
aus alles zu regeln strebte. — Von diesem administrativen Zustande gibt es
nur eine Ausnahme, die sogenannten pg^s 6'6tgts, von denen Languedoc das be¬
deutendste ist. Zwar war die königliche Macht auch hier so gut wie unbeschränkt,
aber die Provinz hatte ihre Stände erhalten, welche sich lebhaft mit den An¬
gelegenheiten des Landes beschäftigten und für dasselbe so gut sorgten, daß
der König sie gewähren ließ.

Sehen wir jetzt, wie diesem Verwaltungösystem gegenüber die verschiede¬
nen Classen der Gesellschaft standen. Der Adel n'ar in Frankreich, wie fast
auf dem ganzen Kontinent, zur Kaste geworden, nur in England hatte er sich
zur politischen Aristokratie zu erheben gewußt. Der französische Adel hatte seine
politischen Rechte an das absolute Königthum verloren, und statt ihrer nur


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[0264] in seinen Beamten. I^e conseil An Ko^ ist zugleich CassativnShof, höchste Ver- wallnngs-, Finanz- und Gesetzgebungsbehörde, die Fiction ist, daß der König in allen diesen Dingen entscheidet, in der Wirklichkeit und namentlich unter den unbedeutenden letzten Herrschern regierten die Mitglieder des Conseils. Dasselbe beschloß in geheimer Sitzung die Vertheilung der Taille und Kopf¬ steuer, die Aushebung der Miliz, leitete den Bau der Landstraßen, gewährte Unterstützungen, übte durch ein zahlreiches Corps (mgreedguLgee) die Wohl- sahrtSpolizci, und griff überall, namentlich in der Rechtspflege, durch .seine Arröts ein. Die Mitglieder dieses Rathes waren keinesweges aus dem hohen Adel genommen, derselbe hatte die glänzenden Stellen am Hofe und in der Armee, man findet seine großen Namen auch als Gouverneure der Provinzen, aber wenig mehr als die Namen; der königliche Intendant, den der ^rann kiziAnc-in' verachtete, wenn er ihn nicht brauchte, hatte alle Gewalt, ohne ihn konnte nichts geschehen, er wie seine Untergebnen werden durch den königlichen Rath in allen Willkürmaßregeln unterstützt und der gerichtlichen Verfolgung entzogen. Die municipalen Freiheiten bestanden dem Namen nach vielerwartö, aber sie waren ohne Sinn und Leben,' die Wahlen meist ein Possenspiel; das platte Land wurde schon lange nicht mehr von den Grundherren verwaltet. Es ist nicht zu leugnen, daß sich selbst in den hohlen Formen der Vergangen¬ heit noch ein Widerstand gegen die Centralisation zeigte, dieselbe zog nach der Revolution alles an sich, was noch an Macht und Einfluß in der Peripherie geblieben war, aber das Princip war schon unter der alten Monarchie aus- gebildet. mowent, on ig, revolution survirtt» on o'gvait evLvre risv 66- truie. als vivit vttilios g6miniiztrgl.it' 6e ig tsrgnee, ein en gvgit, pour ginsi 6ire, KiUi un guere en souL-oenvrs. p. 90. In einem sehr interessanten Ca¬ pitel führt der Verfasser aus, wie die damaligen Beamten schon alle bezeich¬ nenden Eigenthümlichkeiten unserer Bureaukratie hatten, Förmlichkeit, Classen¬ geist, Vielregiererei, ig farvur 6e faire ig ouisinv as Wut 1s mouäv wie Fouchv sagte; die Negierung machte sich schon damals zur Vorsehung, die von Paris aus alles zu regeln strebte. — Von diesem administrativen Zustande gibt es nur eine Ausnahme, die sogenannten pg^s 6'6tgts, von denen Languedoc das be¬ deutendste ist. Zwar war die königliche Macht auch hier so gut wie unbeschränkt, aber die Provinz hatte ihre Stände erhalten, welche sich lebhaft mit den An¬ gelegenheiten des Landes beschäftigten und für dasselbe so gut sorgten, daß der König sie gewähren ließ. Sehen wir jetzt, wie diesem Verwaltungösystem gegenüber die verschiede¬ nen Classen der Gesellschaft standen. Der Adel n'ar in Frankreich, wie fast auf dem ganzen Kontinent, zur Kaste geworden, nur in England hatte er sich zur politischen Aristokratie zu erheben gewußt. Der französische Adel hatte seine politischen Rechte an das absolute Königthum verloren, und statt ihrer nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/264>, abgerufen am 23.06.2024.