Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht gemeine Kenntniß der Alten bewiesen und auch als Dichter sich bekannt¬
lich Ruhm erworben hat, so ist er doch, wie das der Fall der heutigen mit
dem Geniewesen sich auszeichnenden Schöngeister ist, zum Erzieher und Ju¬
gendlehrer nicht zu gebrauchen. -- Ueberhaupt ist an Leuten, die die alten
Sprachen verstehen, eben kein Mangel, und da ich besonders darauf Bedacht
nehme, alle Gelegenheit aus dem Wege zu räumen, daß die Jugend keinen
frühen Hang zu der alle Seelenkraft und alle zu Geschäften erforderliche Thä¬
tigkeit untergrabenden Poeterei bekomme, so kann ich mit gutem Gewissen den
Bürger, so sehr ich ihn auch schätze, in meinem Departement nicht versorgen,
welches Ew. Excellenz unter Zurücksendung der mir communicirten Original¬
eingabe ganz dienstlich zu erwiedern die Ehre habe." -- So blieb dem Justiz¬
minister nichts Anderes übrig, als Bürgers Gesuch abzulehnen, was er übri¬
gens in den schicklichsten Formen that. "Hochedelgeborner, Hochgelehrter, in-
sonders hochgeschätzter Herr Justizamtmann! Sobald Ew. Hochedelgeboren
letzteres Schreiben, worin Sie mir Ihre Wünsche und Absichten wegen einer in
hiesigen Landen zu übernehmenden Bedienung näher eröffnen,, eingegangen
war, habe ich aus Mittel gedacht, Ihnen die Erfüllung dieser Wünsche zu ver¬
schaffen. Da bei Ihrer Anstellung in meinem Departement sich die Schwierig¬
keit findet, daß nach unsern neuern Gesetzen jeder, der eine Justizvedienung
erhalten will, zuvor bei einem Landes-Justiz-Collegio als Referendarius gestan¬
den, sich daselbst in den verschiedenen Geschäften des richterlichen Amtes geübt
haben und hier nächst einer genauen Prüfung in den theoretischen und prak¬
tischen Theilen der Rechtsgelehrsamkeit unterwerfen muß, so hielt ich es für
rathsam, erst einen Versuch zu machen, ob Ihnen nicht eine akademische Stelle
verschafft werden könnte, da bei dieser dergleichen Schwierigkeit nicht vorwaltet
und ich überzeugt bin, daß Sie in einem solchen Posten nicht nur Ihrem Lieb-
lingssache mehr Zeit als in jedem andern würden widmen, sondern auch den
ausgebreitetsten Nutzen stiften können. Allein mein desfalls bei dem Obercu-
ratorio der Universität gemachter Versuch ist wider alles mein Erwarten frucht¬
los gewesen. Da ich nun nicht fordern kann, daß ein Mann von Jahren,
Charakter und in der gelehrten Welt erworbenem Ruhme sich erst jenen stufen¬
weisen Uebungen, gleich einem jungen Schüler der Themis unterwerfen solle,
so bleibt mir kein anderes Mittel übrig, als eine Gelegenheit abzuwarten, wo
ich Sie zu einer Bedienung rufen kann, bei der das Gesetz jene Erfordernisse
nicht so unbedingt als absolut nothwendig vorschreibt. -- Dergleichen Bedie¬
nungen sind in meinem Departement wenig, ich kann also auch keine Zeit be¬
stimmen, wenn es mir möglich sein wird, Ihren und zugleich meinen Wunsch
auf solche Art zu befriedigen. Dessen aber können Sie" sehr gewiß sein, daß
ich alles anwenden werde, den hiesigen Landen einen Mitbürger wieder zu
verschaffen, der ihnen so viel Ehre macht, und dadurch der Welt zu zeigen,


nicht gemeine Kenntniß der Alten bewiesen und auch als Dichter sich bekannt¬
lich Ruhm erworben hat, so ist er doch, wie das der Fall der heutigen mit
dem Geniewesen sich auszeichnenden Schöngeister ist, zum Erzieher und Ju¬
gendlehrer nicht zu gebrauchen. — Ueberhaupt ist an Leuten, die die alten
Sprachen verstehen, eben kein Mangel, und da ich besonders darauf Bedacht
nehme, alle Gelegenheit aus dem Wege zu räumen, daß die Jugend keinen
frühen Hang zu der alle Seelenkraft und alle zu Geschäften erforderliche Thä¬
tigkeit untergrabenden Poeterei bekomme, so kann ich mit gutem Gewissen den
Bürger, so sehr ich ihn auch schätze, in meinem Departement nicht versorgen,
welches Ew. Excellenz unter Zurücksendung der mir communicirten Original¬
eingabe ganz dienstlich zu erwiedern die Ehre habe." — So blieb dem Justiz¬
minister nichts Anderes übrig, als Bürgers Gesuch abzulehnen, was er übri¬
gens in den schicklichsten Formen that. „Hochedelgeborner, Hochgelehrter, in-
sonders hochgeschätzter Herr Justizamtmann! Sobald Ew. Hochedelgeboren
letzteres Schreiben, worin Sie mir Ihre Wünsche und Absichten wegen einer in
hiesigen Landen zu übernehmenden Bedienung näher eröffnen,, eingegangen
war, habe ich aus Mittel gedacht, Ihnen die Erfüllung dieser Wünsche zu ver¬
schaffen. Da bei Ihrer Anstellung in meinem Departement sich die Schwierig¬
keit findet, daß nach unsern neuern Gesetzen jeder, der eine Justizvedienung
erhalten will, zuvor bei einem Landes-Justiz-Collegio als Referendarius gestan¬
den, sich daselbst in den verschiedenen Geschäften des richterlichen Amtes geübt
haben und hier nächst einer genauen Prüfung in den theoretischen und prak¬
tischen Theilen der Rechtsgelehrsamkeit unterwerfen muß, so hielt ich es für
rathsam, erst einen Versuch zu machen, ob Ihnen nicht eine akademische Stelle
verschafft werden könnte, da bei dieser dergleichen Schwierigkeit nicht vorwaltet
und ich überzeugt bin, daß Sie in einem solchen Posten nicht nur Ihrem Lieb-
lingssache mehr Zeit als in jedem andern würden widmen, sondern auch den
ausgebreitetsten Nutzen stiften können. Allein mein desfalls bei dem Obercu-
ratorio der Universität gemachter Versuch ist wider alles mein Erwarten frucht¬
los gewesen. Da ich nun nicht fordern kann, daß ein Mann von Jahren,
Charakter und in der gelehrten Welt erworbenem Ruhme sich erst jenen stufen¬
weisen Uebungen, gleich einem jungen Schüler der Themis unterwerfen solle,
so bleibt mir kein anderes Mittel übrig, als eine Gelegenheit abzuwarten, wo
ich Sie zu einer Bedienung rufen kann, bei der das Gesetz jene Erfordernisse
nicht so unbedingt als absolut nothwendig vorschreibt. — Dergleichen Bedie¬
nungen sind in meinem Departement wenig, ich kann also auch keine Zeit be¬
stimmen, wenn es mir möglich sein wird, Ihren und zugleich meinen Wunsch
auf solche Art zu befriedigen. Dessen aber können Sie" sehr gewiß sein, daß
ich alles anwenden werde, den hiesigen Landen einen Mitbürger wieder zu
verschaffen, der ihnen so viel Ehre macht, und dadurch der Welt zu zeigen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0255" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102850"/>
            <p xml:id="ID_834" prev="#ID_833" next="#ID_835"> nicht gemeine Kenntniß der Alten bewiesen und auch als Dichter sich bekannt¬<lb/>
lich Ruhm erworben hat, so ist er doch, wie das der Fall der heutigen mit<lb/>
dem Geniewesen sich auszeichnenden Schöngeister ist, zum Erzieher und Ju¬<lb/>
gendlehrer nicht zu gebrauchen. &#x2014; Ueberhaupt ist an Leuten, die die alten<lb/>
Sprachen verstehen, eben kein Mangel, und da ich besonders darauf Bedacht<lb/>
nehme, alle Gelegenheit aus dem Wege zu räumen, daß die Jugend keinen<lb/>
frühen Hang zu der alle Seelenkraft und alle zu Geschäften erforderliche Thä¬<lb/>
tigkeit untergrabenden Poeterei bekomme, so kann ich mit gutem Gewissen den<lb/>
Bürger, so sehr ich ihn auch schätze, in meinem Departement nicht versorgen,<lb/>
welches Ew. Excellenz unter Zurücksendung der mir communicirten Original¬<lb/>
eingabe ganz dienstlich zu erwiedern die Ehre habe." &#x2014; So blieb dem Justiz¬<lb/>
minister nichts Anderes übrig, als Bürgers Gesuch abzulehnen, was er übri¬<lb/>
gens in den schicklichsten Formen that.  &#x201E;Hochedelgeborner, Hochgelehrter, in-<lb/>
sonders hochgeschätzter Herr Justizamtmann! Sobald Ew. Hochedelgeboren<lb/>
letzteres Schreiben, worin Sie mir Ihre Wünsche und Absichten wegen einer in<lb/>
hiesigen Landen zu übernehmenden Bedienung näher eröffnen,, eingegangen<lb/>
war, habe ich aus Mittel gedacht, Ihnen die Erfüllung dieser Wünsche zu ver¬<lb/>
schaffen. Da bei Ihrer Anstellung in meinem Departement sich die Schwierig¬<lb/>
keit findet, daß nach unsern neuern Gesetzen jeder, der eine Justizvedienung<lb/>
erhalten will, zuvor bei einem Landes-Justiz-Collegio als Referendarius gestan¬<lb/>
den, sich daselbst in den verschiedenen Geschäften des richterlichen Amtes geübt<lb/>
haben und hier nächst einer genauen Prüfung in den theoretischen und prak¬<lb/>
tischen Theilen der Rechtsgelehrsamkeit unterwerfen muß, so hielt ich es für<lb/>
rathsam, erst einen Versuch zu machen, ob Ihnen nicht eine akademische Stelle<lb/>
verschafft werden könnte, da bei dieser dergleichen Schwierigkeit nicht vorwaltet<lb/>
und ich überzeugt bin, daß Sie in einem solchen Posten nicht nur Ihrem Lieb-<lb/>
lingssache mehr Zeit als in jedem andern würden widmen, sondern auch den<lb/>
ausgebreitetsten Nutzen stiften können.  Allein mein desfalls bei dem Obercu-<lb/>
ratorio der Universität gemachter Versuch ist wider alles mein Erwarten frucht¬<lb/>
los gewesen.  Da ich nun nicht fordern kann, daß ein Mann von Jahren,<lb/>
Charakter und in der gelehrten Welt erworbenem Ruhme sich erst jenen stufen¬<lb/>
weisen Uebungen, gleich einem jungen Schüler der Themis unterwerfen solle,<lb/>
so bleibt mir kein anderes Mittel übrig, als eine Gelegenheit abzuwarten, wo<lb/>
ich Sie zu einer Bedienung rufen kann, bei der das Gesetz jene Erfordernisse<lb/>
nicht so unbedingt als absolut nothwendig vorschreibt. &#x2014; Dergleichen Bedie¬<lb/>
nungen sind in meinem Departement wenig, ich kann also auch keine Zeit be¬<lb/>
stimmen, wenn es mir möglich sein wird, Ihren und zugleich meinen Wunsch<lb/>
auf solche Art zu befriedigen.  Dessen aber können Sie" sehr gewiß sein, daß<lb/>
ich alles anwenden werde, den hiesigen Landen einen Mitbürger wieder zu<lb/>
verschaffen, der ihnen so viel Ehre macht, und dadurch der Welt zu zeigen,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0255] nicht gemeine Kenntniß der Alten bewiesen und auch als Dichter sich bekannt¬ lich Ruhm erworben hat, so ist er doch, wie das der Fall der heutigen mit dem Geniewesen sich auszeichnenden Schöngeister ist, zum Erzieher und Ju¬ gendlehrer nicht zu gebrauchen. — Ueberhaupt ist an Leuten, die die alten Sprachen verstehen, eben kein Mangel, und da ich besonders darauf Bedacht nehme, alle Gelegenheit aus dem Wege zu räumen, daß die Jugend keinen frühen Hang zu der alle Seelenkraft und alle zu Geschäften erforderliche Thä¬ tigkeit untergrabenden Poeterei bekomme, so kann ich mit gutem Gewissen den Bürger, so sehr ich ihn auch schätze, in meinem Departement nicht versorgen, welches Ew. Excellenz unter Zurücksendung der mir communicirten Original¬ eingabe ganz dienstlich zu erwiedern die Ehre habe." — So blieb dem Justiz¬ minister nichts Anderes übrig, als Bürgers Gesuch abzulehnen, was er übri¬ gens in den schicklichsten Formen that. „Hochedelgeborner, Hochgelehrter, in- sonders hochgeschätzter Herr Justizamtmann! Sobald Ew. Hochedelgeboren letzteres Schreiben, worin Sie mir Ihre Wünsche und Absichten wegen einer in hiesigen Landen zu übernehmenden Bedienung näher eröffnen,, eingegangen war, habe ich aus Mittel gedacht, Ihnen die Erfüllung dieser Wünsche zu ver¬ schaffen. Da bei Ihrer Anstellung in meinem Departement sich die Schwierig¬ keit findet, daß nach unsern neuern Gesetzen jeder, der eine Justizvedienung erhalten will, zuvor bei einem Landes-Justiz-Collegio als Referendarius gestan¬ den, sich daselbst in den verschiedenen Geschäften des richterlichen Amtes geübt haben und hier nächst einer genauen Prüfung in den theoretischen und prak¬ tischen Theilen der Rechtsgelehrsamkeit unterwerfen muß, so hielt ich es für rathsam, erst einen Versuch zu machen, ob Ihnen nicht eine akademische Stelle verschafft werden könnte, da bei dieser dergleichen Schwierigkeit nicht vorwaltet und ich überzeugt bin, daß Sie in einem solchen Posten nicht nur Ihrem Lieb- lingssache mehr Zeit als in jedem andern würden widmen, sondern auch den ausgebreitetsten Nutzen stiften können. Allein mein desfalls bei dem Obercu- ratorio der Universität gemachter Versuch ist wider alles mein Erwarten frucht¬ los gewesen. Da ich nun nicht fordern kann, daß ein Mann von Jahren, Charakter und in der gelehrten Welt erworbenem Ruhme sich erst jenen stufen¬ weisen Uebungen, gleich einem jungen Schüler der Themis unterwerfen solle, so bleibt mir kein anderes Mittel übrig, als eine Gelegenheit abzuwarten, wo ich Sie zu einer Bedienung rufen kann, bei der das Gesetz jene Erfordernisse nicht so unbedingt als absolut nothwendig vorschreibt. — Dergleichen Bedie¬ nungen sind in meinem Departement wenig, ich kann also auch keine Zeit be¬ stimmen, wenn es mir möglich sein wird, Ihren und zugleich meinen Wunsch auf solche Art zu befriedigen. Dessen aber können Sie" sehr gewiß sein, daß ich alles anwenden werde, den hiesigen Landen einen Mitbürger wieder zu verschaffen, der ihnen so viel Ehre macht, und dadurch der Welt zu zeigen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/255
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/255>, abgerufen am 23.07.2024.