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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Eigenthümlichkeit seiner Laune, die aber mit der Natur seiner Stücke zustim¬
menhängt, welche oft weiter Nichts als Scenen des kopcnhag'euer Volkslebens
sind, und wobei es also auf die strafende Gerechtigkeit nicht so genau ankommt.

Holberg arbeitete rasch, ja flüchtig, wie die große Anzahl seiner Stücke
-- fünfundzwanzig" in weniger denn fünf Jahren, beweist. Merkt man es
auch gar vielen an, daß sie nicht weiter überdacht und ausgearbeitet sind, als
sie grade die Gunst des Augenblicks dein Dichter in die Feder dictirte, so ver¬
leugnet sich doch selbst in diesen eiligen Arbeiten der Genius nicht, insofern
die humoristische, lebendige Behandlung stets die gleiche bleibt. In den besse¬
ren Lustspielen zeigt sich diese seine Kunst aber ganz besonders. Mit sicherer
Hand führt er die Verwicklungen weiter, mit raschem Schritt" ohne hcrNmen-
deN Stillstand, bis sie ihren Gipfelpunkt erreicht haben, und ihre Lösung fin¬
den können. Letztere ist oft schwächer, zu plötzlich wieder und unmotivirt, doch
kann Uns das bei einem Dichter wenig wundern, dessen Stücke grade in der
lebendigen Beweglichkeit ihren Hauptvorzug gegenüber den ProdUctionen sei¬
ner Zeitgenossen erkennen lassen. Von ihnen mochten wir nun noch einige
als die besten hervorheben.

Zuerst "der politische Kannengießer", eine echt komische Satire, von der
scho'N oben die Rede war, und deren außerordentliche Verbreitung und deren
Glück uns schön der Umstand beweist, daß ein "Kannegießer" zum sprichwört¬
lichen Typ solcher' politisirenden Wirthshüushocker geworden ist.

Nicht minder vortrefflich ist ein andres Stück: "Jeppe vom Berg", ein
sceläNdisches VäuerNstück, das zum Gegenstand die oft benutzte Fabel hat,
die auch Shakespeare im Vorspiel zu seiner "Widerspenstigen" gebraucht. Wäh¬
rend der Scherz über dort nur angedeutet ist, erscheint er bei Holberg mit der
tollsten Laune aNsstafstrt, mit einem genialen Hrtmor, der oft an den großen
Briten erinnert, und der den stets trunkenen Bauer in der glücklichsten Ironie
nach seiner Art über Sein öder Nichtsein Philosophiren läßt.

' In "AM dr Franye" wird es versucht, die Gallomanie der jungen,
Stutzer von Kopenhagen zu treffen, während im "11. JuniUs" die Bedräng¬
nisse eines von schweren Schulden Bedrückten dargestellt sind, der sich aber
>nit Hilfe befreundeter Schelme durch eine an einem dummen Landjunker Ver¬
übte Prellerei dies Mal ungestraft aus der Noth zieht. Der Zuschauer muß
sein Gerechtigkeitsgefühl damit trösten, daß auch Dummheit eine Sünde' ist,
und daß der edle Herr Von Schuldenberg nicht allen seinen Gläubiger" so
wird Mitspielen können.

Deüi Miles Wrivsus des PlttntuS nachgebildet ist Hölbergs "Jacob von
Tybo", worin er sich jedoch nicht auf eine bloße Nachbildung des soldatischen
Prcchlhanses beschränkt, sondern das Spiel dadurch zu erweitern sucht, daß er
den, Soldaten Noch einen Pedanten gegenüberstellt, beide als Nebenbuhler bei


Eigenthümlichkeit seiner Laune, die aber mit der Natur seiner Stücke zustim¬
menhängt, welche oft weiter Nichts als Scenen des kopcnhag'euer Volkslebens
sind, und wobei es also auf die strafende Gerechtigkeit nicht so genau ankommt.

Holberg arbeitete rasch, ja flüchtig, wie die große Anzahl seiner Stücke
— fünfundzwanzig" in weniger denn fünf Jahren, beweist. Merkt man es
auch gar vielen an, daß sie nicht weiter überdacht und ausgearbeitet sind, als
sie grade die Gunst des Augenblicks dein Dichter in die Feder dictirte, so ver¬
leugnet sich doch selbst in diesen eiligen Arbeiten der Genius nicht, insofern
die humoristische, lebendige Behandlung stets die gleiche bleibt. In den besse¬
ren Lustspielen zeigt sich diese seine Kunst aber ganz besonders. Mit sicherer
Hand führt er die Verwicklungen weiter, mit raschem Schritt» ohne hcrNmen-
deN Stillstand, bis sie ihren Gipfelpunkt erreicht haben, und ihre Lösung fin¬
den können. Letztere ist oft schwächer, zu plötzlich wieder und unmotivirt, doch
kann Uns das bei einem Dichter wenig wundern, dessen Stücke grade in der
lebendigen Beweglichkeit ihren Hauptvorzug gegenüber den ProdUctionen sei¬
ner Zeitgenossen erkennen lassen. Von ihnen mochten wir nun noch einige
als die besten hervorheben.

Zuerst „der politische Kannengießer", eine echt komische Satire, von der
scho'N oben die Rede war, und deren außerordentliche Verbreitung und deren
Glück uns schön der Umstand beweist, daß ein „Kannegießer" zum sprichwört¬
lichen Typ solcher' politisirenden Wirthshüushocker geworden ist.

Nicht minder vortrefflich ist ein andres Stück: „Jeppe vom Berg", ein
sceläNdisches VäuerNstück, das zum Gegenstand die oft benutzte Fabel hat,
die auch Shakespeare im Vorspiel zu seiner „Widerspenstigen" gebraucht. Wäh¬
rend der Scherz über dort nur angedeutet ist, erscheint er bei Holberg mit der
tollsten Laune aNsstafstrt, mit einem genialen Hrtmor, der oft an den großen
Briten erinnert, und der den stets trunkenen Bauer in der glücklichsten Ironie
nach seiner Art über Sein öder Nichtsein Philosophiren läßt.

' In „AM dr Franye" wird es versucht, die Gallomanie der jungen,
Stutzer von Kopenhagen zu treffen, während im „11. JuniUs" die Bedräng¬
nisse eines von schweren Schulden Bedrückten dargestellt sind, der sich aber
>nit Hilfe befreundeter Schelme durch eine an einem dummen Landjunker Ver¬
übte Prellerei dies Mal ungestraft aus der Noth zieht. Der Zuschauer muß
sein Gerechtigkeitsgefühl damit trösten, daß auch Dummheit eine Sünde' ist,
und daß der edle Herr Von Schuldenberg nicht allen seinen Gläubiger» so
wird Mitspielen können.

Deüi Miles Wrivsus des PlttntuS nachgebildet ist Hölbergs „Jacob von
Tybo", worin er sich jedoch nicht auf eine bloße Nachbildung des soldatischen
Prcchlhanses beschränkt, sondern das Spiel dadurch zu erweitern sucht, daß er
den, Soldaten Noch einen Pedanten gegenüberstellt, beide als Nebenbuhler bei


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[0189] Eigenthümlichkeit seiner Laune, die aber mit der Natur seiner Stücke zustim¬ menhängt, welche oft weiter Nichts als Scenen des kopcnhag'euer Volkslebens sind, und wobei es also auf die strafende Gerechtigkeit nicht so genau ankommt. Holberg arbeitete rasch, ja flüchtig, wie die große Anzahl seiner Stücke — fünfundzwanzig" in weniger denn fünf Jahren, beweist. Merkt man es auch gar vielen an, daß sie nicht weiter überdacht und ausgearbeitet sind, als sie grade die Gunst des Augenblicks dein Dichter in die Feder dictirte, so ver¬ leugnet sich doch selbst in diesen eiligen Arbeiten der Genius nicht, insofern die humoristische, lebendige Behandlung stets die gleiche bleibt. In den besse¬ ren Lustspielen zeigt sich diese seine Kunst aber ganz besonders. Mit sicherer Hand führt er die Verwicklungen weiter, mit raschem Schritt» ohne hcrNmen- deN Stillstand, bis sie ihren Gipfelpunkt erreicht haben, und ihre Lösung fin¬ den können. Letztere ist oft schwächer, zu plötzlich wieder und unmotivirt, doch kann Uns das bei einem Dichter wenig wundern, dessen Stücke grade in der lebendigen Beweglichkeit ihren Hauptvorzug gegenüber den ProdUctionen sei¬ ner Zeitgenossen erkennen lassen. Von ihnen mochten wir nun noch einige als die besten hervorheben. Zuerst „der politische Kannengießer", eine echt komische Satire, von der scho'N oben die Rede war, und deren außerordentliche Verbreitung und deren Glück uns schön der Umstand beweist, daß ein „Kannegießer" zum sprichwört¬ lichen Typ solcher' politisirenden Wirthshüushocker geworden ist. Nicht minder vortrefflich ist ein andres Stück: „Jeppe vom Berg", ein sceläNdisches VäuerNstück, das zum Gegenstand die oft benutzte Fabel hat, die auch Shakespeare im Vorspiel zu seiner „Widerspenstigen" gebraucht. Wäh¬ rend der Scherz über dort nur angedeutet ist, erscheint er bei Holberg mit der tollsten Laune aNsstafstrt, mit einem genialen Hrtmor, der oft an den großen Briten erinnert, und der den stets trunkenen Bauer in der glücklichsten Ironie nach seiner Art über Sein öder Nichtsein Philosophiren läßt. ' In „AM dr Franye" wird es versucht, die Gallomanie der jungen, Stutzer von Kopenhagen zu treffen, während im „11. JuniUs" die Bedräng¬ nisse eines von schweren Schulden Bedrückten dargestellt sind, der sich aber >nit Hilfe befreundeter Schelme durch eine an einem dummen Landjunker Ver¬ übte Prellerei dies Mal ungestraft aus der Noth zieht. Der Zuschauer muß sein Gerechtigkeitsgefühl damit trösten, daß auch Dummheit eine Sünde' ist, und daß der edle Herr Von Schuldenberg nicht allen seinen Gläubiger» so wird Mitspielen können. Deüi Miles Wrivsus des PlttntuS nachgebildet ist Hölbergs „Jacob von Tybo", worin er sich jedoch nicht auf eine bloße Nachbildung des soldatischen Prcchlhanses beschränkt, sondern das Spiel dadurch zu erweitern sucht, daß er den, Soldaten Noch einen Pedanten gegenüberstellt, beide als Nebenbuhler bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/189>, abgerufen am 23.07.2024.