Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.fachen entweder schweigend zugestehen oder sie nur in sehr bedingter Weise Molü besteht zunächst darauf, daß eS einen förmlichen Senat, gebildet Von einer Convulsivnärin, der Rosalie, erzählt er, daß sie eine Cour¬ 20*
fachen entweder schweigend zugestehen oder sie nur in sehr bedingter Weise Molü besteht zunächst darauf, daß eS einen förmlichen Senat, gebildet Von einer Convulsivnärin, der Rosalie, erzählt er, daß sie eine Cour¬ 20*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102758"/> <p xml:id="ID_533" prev="#ID_532"> fachen entweder schweigend zugestehen oder sie nur in sehr bedingter Weise<lb/> leugnen. Wir denken, es wird den Leser interessieren, einiges Detail des Un¬<lb/> sinns zu erfahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_534"> Molü besteht zunächst darauf, daß eS einen förmlichen Senat, gebildet<lb/> aus zwei Präsidenten, einigen Ehrenräthen, deren Stimmen nicht gezählt wurden,<lb/> wenn jene es nicht angemessen gefunden und drei bis vier untergeordneten<lb/> Personen, gegeben habe, welcher insgeheim die Konvulsionen angestiftet und<lb/> geleitet habe; durch Geldunterstützungen habe er einen großen Einfluß über<lb/> die einzelnen Cvnvulsionärinnen geübt und sie beseitigt, wenn sie sich durch<lb/> zu großen Skandal blamirt hätten. Dieser Senat habe auch dem Bescherant<lb/> zu den Convulsionen Auftrag gegeben und ihn dabei erhalten, als er sich der<lb/> Fruchtlosigkeit seiner Anstrengungen schämte. Von dem Zusammenlaufen auf<lb/> dem Kirchhof Se. Medard sagt er: „Im November -1732 wurde die Menge<lb/> so groß, nicht allein auf dem kleinen Kirchhof, wo M. Paris beerdigt ist,<lb/> sondern auch im Beüihause, daß man sich dort Rendezvous aller und mehr<lb/> schlechter, als guter Art gab; man machte dort Heirathen aus, schloß Käufe<lb/> von Stellen oder von andern Sachen und wenn ich Leuten von Welt, die<lb/> zum Zeitvertreib dorthin gingen, glauben will, so haben diese dort Dinge ge¬<lb/> sehen, welche ich nicht zu erzählen wage."</p><lb/> <p xml:id="ID_535" next="#ID_536"> Von einer Convulsivnärin, der Rosalie, erzählt er, daß sie eine Cour¬<lb/> tisane gewesen und daß sie schon in früheren Zeiten zweimal eine heftige<lb/> Krankheit mit Zuckungen simulirt habe. Der Pfarrer habe ihr wirklich zweimal<lb/> die letzte Oelung gegeben, das letzte Mal aber den Betrug entdeckt und sie aus<lb/> dem Sprengel fortgejagt. „Man weiß nicht, fährt er fort, was sie seitdem<lb/> gethan hat, außer daß sie in Se. Pelagie eingesperrt war, als sie anfing,<lb/> Konvulsionen zu bekommen, welche ihr dieses Mal noch viel besser, glückten, als<lb/> früher, weil so viele Geistliche, andere Personen nicht zurechnen, nicht allein<lb/> alles, was sie wünschen konnte, ihr verschafften, sondern ihr auch eine große<lb/> Verehrung erwiesen. Uebrigens ist es gut, sich zu merken, daß das Gefängniß<lb/> Se. Pelagie den Convulsionärinnen ihre besten Subjecte geliefert hat; es ist<lb/> gewissermaßen die Universität dieser Prophetinnen; auch tilgen die Convul-<lb/> sionen nicht allein die vergangenen Sünden aus, sondern sie heiligen auch die<lb/> täglichen und alles ist gut und erlaubt bei diesen Personen. Dieses Mädchen<lb/> hatte vorhergesagt, daß sie drei Tage lang ohne Bewußtsein, ohne Empfindung,<lb/> kurz in einem Zustande des Todes sein werde. Einige Monate vorher hatte<lb/> der Senat Censoren ernannt, welche täglich eine oder mehre Convnlsionärinnen<lb/> besuchen und genau aufschreiben mußten, was sie gesagt oder gethan hatten,<lb/> um in den Senatsversammlungen darüber zu berichten. Einer derselben, welcher<lb/> die Rosalie in ihrem TodcSzustande zu beobachten hatte, bemerkte Folgendes.<lb/> Sie lag in demselben Zimmer, wie die Unsichtbare, von welcher sogleich die</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 20*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0163]
fachen entweder schweigend zugestehen oder sie nur in sehr bedingter Weise
leugnen. Wir denken, es wird den Leser interessieren, einiges Detail des Un¬
sinns zu erfahren.
Molü besteht zunächst darauf, daß eS einen förmlichen Senat, gebildet
aus zwei Präsidenten, einigen Ehrenräthen, deren Stimmen nicht gezählt wurden,
wenn jene es nicht angemessen gefunden und drei bis vier untergeordneten
Personen, gegeben habe, welcher insgeheim die Konvulsionen angestiftet und
geleitet habe; durch Geldunterstützungen habe er einen großen Einfluß über
die einzelnen Cvnvulsionärinnen geübt und sie beseitigt, wenn sie sich durch
zu großen Skandal blamirt hätten. Dieser Senat habe auch dem Bescherant
zu den Convulsionen Auftrag gegeben und ihn dabei erhalten, als er sich der
Fruchtlosigkeit seiner Anstrengungen schämte. Von dem Zusammenlaufen auf
dem Kirchhof Se. Medard sagt er: „Im November -1732 wurde die Menge
so groß, nicht allein auf dem kleinen Kirchhof, wo M. Paris beerdigt ist,
sondern auch im Beüihause, daß man sich dort Rendezvous aller und mehr
schlechter, als guter Art gab; man machte dort Heirathen aus, schloß Käufe
von Stellen oder von andern Sachen und wenn ich Leuten von Welt, die
zum Zeitvertreib dorthin gingen, glauben will, so haben diese dort Dinge ge¬
sehen, welche ich nicht zu erzählen wage."
Von einer Convulsivnärin, der Rosalie, erzählt er, daß sie eine Cour¬
tisane gewesen und daß sie schon in früheren Zeiten zweimal eine heftige
Krankheit mit Zuckungen simulirt habe. Der Pfarrer habe ihr wirklich zweimal
die letzte Oelung gegeben, das letzte Mal aber den Betrug entdeckt und sie aus
dem Sprengel fortgejagt. „Man weiß nicht, fährt er fort, was sie seitdem
gethan hat, außer daß sie in Se. Pelagie eingesperrt war, als sie anfing,
Konvulsionen zu bekommen, welche ihr dieses Mal noch viel besser, glückten, als
früher, weil so viele Geistliche, andere Personen nicht zurechnen, nicht allein
alles, was sie wünschen konnte, ihr verschafften, sondern ihr auch eine große
Verehrung erwiesen. Uebrigens ist es gut, sich zu merken, daß das Gefängniß
Se. Pelagie den Convulsionärinnen ihre besten Subjecte geliefert hat; es ist
gewissermaßen die Universität dieser Prophetinnen; auch tilgen die Convul-
sionen nicht allein die vergangenen Sünden aus, sondern sie heiligen auch die
täglichen und alles ist gut und erlaubt bei diesen Personen. Dieses Mädchen
hatte vorhergesagt, daß sie drei Tage lang ohne Bewußtsein, ohne Empfindung,
kurz in einem Zustande des Todes sein werde. Einige Monate vorher hatte
der Senat Censoren ernannt, welche täglich eine oder mehre Convnlsionärinnen
besuchen und genau aufschreiben mußten, was sie gesagt oder gethan hatten,
um in den Senatsversammlungen darüber zu berichten. Einer derselben, welcher
die Rosalie in ihrem TodcSzustande zu beobachten hatte, bemerkte Folgendes.
Sie lag in demselben Zimmer, wie die Unsichtbare, von welcher sogleich die
20*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |