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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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aus gcrmanistrt; aufgeweckten, regsamen Geistes, von guten Anlagen, durch¬
schnittlich sehr wohlhabend und zugleich geneigt, ihren Wohlstand sehen zu
lassen, vor allem aber wackre deutsche Patrioten. Ueber Flensburg hinaus, in
Sundewitt und auf Alsen, so wie in den Aemtern Hadersleben und Apenrade
wiegt in Sprache und Art das dänische Element vor, hier und da auch die
dänische Gesinnung, wiewol dieselbe seit der Herrschaft Karl Moltkes bedeutend
an Terrain verloren hat. Die Bauart der Häuser ist wesentlich anders als
in Süd- und Mittelschleswig, auch die Sitten weichen in Sundewitt und auf
der Insel Alsen vielfach -- und zwar nicht eben vortheilhaft -- ab. Die
Landwirthschaft aber ist in allen diesen Districten von der lauenburgischen
Grenze bis hinauf an die jüdische genau dieselbe: in der Viehzucht auf
Milchwirthschaft zum Zwecke der Butterbereilung gerichtet, im Ackerbau Koppel¬
wirthschaft in eingefriedigten Schlägen mit bestimmter Saatfolge und Brachzeit.

Wesentlich verschieden von den Schleswiger Dänen, Anglern und Sachsen
sind die Friesen, welche zum großem Theil die Marschen und Inseln der
Westküste innehaben, und von deren Leben und Treiben einige der Briefe
gleichfalls dctaillirten Bericht enthalten. Sie reden ihre eigne Sprache, sind
auf dem Festlande meist Viehzüchter, auf den Inseln tüchtige Seeleute, sie
haben manchen guten Nest ursprünglieber Tüchtigkeit bewahrt, mögen im All¬
gemeinen den Anglern an Intelligenz und Regsamkeit nachstehen. An sie
schließen sich südlich die stammverwandten, einst friesisch redenden Eiderstedter
und an diese endlich die Ditmarftl^r an, die in alter Zeit glorreiche Schlachten
gegen die Dänen gewannen, bei der Erhebung von -1858 aber mehrfach
Zeichen von Lauheit- gaben.

Im Vordergrund steht dem Verfasser das Leben der Menschen in der
bewegten Gegenwart, überall faßt er in Bildern zusammen, was ihm charakteristisch
erschien. Zuerst die Städte: Kiel und Schleswig, Flensburg und Haders¬
leben, Tondern und Husum treten uns als kleine Bilder entgegen. Das
Schlachtfeld von Jdstedt und die Schlacht selbst, an die eine Geschichte der
Schleswig-holsteinischen Armee geknüpft ist, wird uns vorgeführt. Der Angler
Hausgeist Nissepuk erhält se-me Biographie. Das zweite Gesicht der Halte-
t'ewohner, diese "Fata Morgana der Seelen" wird ausführlich behandelt,
ebenso die Sagen von den Unterirdischen, die namentlich in Nordschleswig
früher eine große Rolle spielten. Eine grote Hochtiid in Angeln, das Ning-
reiten, ein Besuch in der Bogelkoje auf Föhr, der Möveupriis, der Markt von
Brarup geben Gelegenheit andre Genrebilder zu liefern. Ueberall gute Kennt¬
niß des Volks und seiner Art.

Hauptsache bleibt dem Verfasser die Schilderung der politischen Zustände
des Landes. Seine Absicht war, in der cinmuthigen Form einer Reisebeschrei-
bung auf die staatsrechtlichen Fragen, die hier noch der Antwort harren, auf


aus gcrmanistrt; aufgeweckten, regsamen Geistes, von guten Anlagen, durch¬
schnittlich sehr wohlhabend und zugleich geneigt, ihren Wohlstand sehen zu
lassen, vor allem aber wackre deutsche Patrioten. Ueber Flensburg hinaus, in
Sundewitt und auf Alsen, so wie in den Aemtern Hadersleben und Apenrade
wiegt in Sprache und Art das dänische Element vor, hier und da auch die
dänische Gesinnung, wiewol dieselbe seit der Herrschaft Karl Moltkes bedeutend
an Terrain verloren hat. Die Bauart der Häuser ist wesentlich anders als
in Süd- und Mittelschleswig, auch die Sitten weichen in Sundewitt und auf
der Insel Alsen vielfach — und zwar nicht eben vortheilhaft — ab. Die
Landwirthschaft aber ist in allen diesen Districten von der lauenburgischen
Grenze bis hinauf an die jüdische genau dieselbe: in der Viehzucht auf
Milchwirthschaft zum Zwecke der Butterbereilung gerichtet, im Ackerbau Koppel¬
wirthschaft in eingefriedigten Schlägen mit bestimmter Saatfolge und Brachzeit.

Wesentlich verschieden von den Schleswiger Dänen, Anglern und Sachsen
sind die Friesen, welche zum großem Theil die Marschen und Inseln der
Westküste innehaben, und von deren Leben und Treiben einige der Briefe
gleichfalls dctaillirten Bericht enthalten. Sie reden ihre eigne Sprache, sind
auf dem Festlande meist Viehzüchter, auf den Inseln tüchtige Seeleute, sie
haben manchen guten Nest ursprünglieber Tüchtigkeit bewahrt, mögen im All¬
gemeinen den Anglern an Intelligenz und Regsamkeit nachstehen. An sie
schließen sich südlich die stammverwandten, einst friesisch redenden Eiderstedter
und an diese endlich die Ditmarftl^r an, die in alter Zeit glorreiche Schlachten
gegen die Dänen gewannen, bei der Erhebung von -1858 aber mehrfach
Zeichen von Lauheit- gaben.

Im Vordergrund steht dem Verfasser das Leben der Menschen in der
bewegten Gegenwart, überall faßt er in Bildern zusammen, was ihm charakteristisch
erschien. Zuerst die Städte: Kiel und Schleswig, Flensburg und Haders¬
leben, Tondern und Husum treten uns als kleine Bilder entgegen. Das
Schlachtfeld von Jdstedt und die Schlacht selbst, an die eine Geschichte der
Schleswig-holsteinischen Armee geknüpft ist, wird uns vorgeführt. Der Angler
Hausgeist Nissepuk erhält se-me Biographie. Das zweite Gesicht der Halte-
t'ewohner, diese „Fata Morgana der Seelen" wird ausführlich behandelt,
ebenso die Sagen von den Unterirdischen, die namentlich in Nordschleswig
früher eine große Rolle spielten. Eine grote Hochtiid in Angeln, das Ning-
reiten, ein Besuch in der Bogelkoje auf Föhr, der Möveupriis, der Markt von
Brarup geben Gelegenheit andre Genrebilder zu liefern. Ueberall gute Kennt¬
niß des Volks und seiner Art.

Hauptsache bleibt dem Verfasser die Schilderung der politischen Zustände
des Landes. Seine Absicht war, in der cinmuthigen Form einer Reisebeschrei-
bung auf die staatsrechtlichen Fragen, die hier noch der Antwort harren, auf


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[0013] aus gcrmanistrt; aufgeweckten, regsamen Geistes, von guten Anlagen, durch¬ schnittlich sehr wohlhabend und zugleich geneigt, ihren Wohlstand sehen zu lassen, vor allem aber wackre deutsche Patrioten. Ueber Flensburg hinaus, in Sundewitt und auf Alsen, so wie in den Aemtern Hadersleben und Apenrade wiegt in Sprache und Art das dänische Element vor, hier und da auch die dänische Gesinnung, wiewol dieselbe seit der Herrschaft Karl Moltkes bedeutend an Terrain verloren hat. Die Bauart der Häuser ist wesentlich anders als in Süd- und Mittelschleswig, auch die Sitten weichen in Sundewitt und auf der Insel Alsen vielfach — und zwar nicht eben vortheilhaft — ab. Die Landwirthschaft aber ist in allen diesen Districten von der lauenburgischen Grenze bis hinauf an die jüdische genau dieselbe: in der Viehzucht auf Milchwirthschaft zum Zwecke der Butterbereilung gerichtet, im Ackerbau Koppel¬ wirthschaft in eingefriedigten Schlägen mit bestimmter Saatfolge und Brachzeit. Wesentlich verschieden von den Schleswiger Dänen, Anglern und Sachsen sind die Friesen, welche zum großem Theil die Marschen und Inseln der Westküste innehaben, und von deren Leben und Treiben einige der Briefe gleichfalls dctaillirten Bericht enthalten. Sie reden ihre eigne Sprache, sind auf dem Festlande meist Viehzüchter, auf den Inseln tüchtige Seeleute, sie haben manchen guten Nest ursprünglieber Tüchtigkeit bewahrt, mögen im All¬ gemeinen den Anglern an Intelligenz und Regsamkeit nachstehen. An sie schließen sich südlich die stammverwandten, einst friesisch redenden Eiderstedter und an diese endlich die Ditmarftl^r an, die in alter Zeit glorreiche Schlachten gegen die Dänen gewannen, bei der Erhebung von -1858 aber mehrfach Zeichen von Lauheit- gaben. Im Vordergrund steht dem Verfasser das Leben der Menschen in der bewegten Gegenwart, überall faßt er in Bildern zusammen, was ihm charakteristisch erschien. Zuerst die Städte: Kiel und Schleswig, Flensburg und Haders¬ leben, Tondern und Husum treten uns als kleine Bilder entgegen. Das Schlachtfeld von Jdstedt und die Schlacht selbst, an die eine Geschichte der Schleswig-holsteinischen Armee geknüpft ist, wird uns vorgeführt. Der Angler Hausgeist Nissepuk erhält se-me Biographie. Das zweite Gesicht der Halte- t'ewohner, diese „Fata Morgana der Seelen" wird ausführlich behandelt, ebenso die Sagen von den Unterirdischen, die namentlich in Nordschleswig früher eine große Rolle spielten. Eine grote Hochtiid in Angeln, das Ning- reiten, ein Besuch in der Bogelkoje auf Föhr, der Möveupriis, der Markt von Brarup geben Gelegenheit andre Genrebilder zu liefern. Ueberall gute Kennt¬ niß des Volks und seiner Art. Hauptsache bleibt dem Verfasser die Schilderung der politischen Zustände des Landes. Seine Absicht war, in der cinmuthigen Form einer Reisebeschrei- bung auf die staatsrechtlichen Fragen, die hier noch der Antwort harren, auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/13>, abgerufen am 23.07.2024.