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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Widerstand gegen kaiserliche Commissarien, eine neue Absetzung und strenge
Haft zu Breslau. Aus dieser Haft entwich er und trieb sich als heimathloser
Abenteurer in der Fremde umher, bot sich der Königin Elisabeth von England
im Kriege gegen Philipp von Spanien an, und zog zuletzt nach Polen, um
gegen Oestreich zu kämpfen. Dort, in Krakau, starb er plötzlich 1S86, wahr¬
scheinlich an Gift.

Das Leben dieses unseligen Fürsten ist für uns verbunden mit dem
eines schlesischen Edelmannes aus altem Geschlecht, Hans von Schweinichen,
der als sein treuer Kammerjunker, Hofmarschall und Factotum die meisten
abenteuerlichen Streiche seines.Herrn mitgemacht und uns in zwei Biographien
überliefert hat. Die eine ist seine eigne Lebensbeschreibung (Leben und Aben¬
teuer des schlesischen Ritters Hans von Schweinichen, herausgegeben von
Professor Büsching. 3 Theile 1820 u. f.) die andere ein Auszug daraus mit eini¬
gen Veränderungen und Zusätzen: Das Leben Herzog Heinrichs XI." (heraus¬
gegeben in ScriM. Ker> Silks. IV.,) beide Werke von hohem Werth für die
Sittengeschichte des 16. Jahrhunderts.

Aus diesen Biographien ScbweinichenS sei hier zunächst eine Episode in
der Sprache unserer Zeit mitgetheilt. Sie fällt in die Zeit, in welcher Herzog
Heinrich suspendin war, und mit einem firirten Einkommen in Haman unter der
Herrschaft seines jüngern Bruders saß.

1578.

Herzog Heinrich befand, daß es nicht länger möglich wäre, in Haman
Hof zu halten, und zeigte der kaiserlichen Majestät an, da Herzog Friedrich
kein Deputat mehr gäbe, wollten Seine Fürstliche Gnaden selbst nehmen, wo sie
könnten. Darauf gab der Kaiser keine Antwort, sondern ließ die Dinge gehn,
wie sie wollten, weil von beiden Theilen kaiserlicher Majestät Befehlen nicht
nachgelebt werden konnte; denn der eine Fürst zerbrach Töpfe, der andre
Kruge. Nun wußten Fürstliche Gnaden, daß die Stände einen großen
Vorrath an Getreide aus dem Gröditzberg liegen hatten, deshalb hielten der
Herzog mit mir Rath, wie Sie den Gröditzberg einnehmen und dort bis zu
kaiserlicher Resolution Haus halten könnten. Dieser Sache konnte ich keinen
Beifall geben, noch dazu rathen, aus vielen bedenklichen Ursachen, die ich
Seiner Fürstlichen Gnaden zu Gemüthe führte. Denn die kaiserliche Majestät
würden es für einen Friedensbruch auslegen, und Seine Fürstlichen Gnaden
würden die Sache dadurch ärger und nicht besser machen. Und weil ich dar¬
über etwas mit dem Herzoge discurirte, so wurden Fürstliche Gnaden
schlecht mit mir zufrieden und sagten, ich taugte zu solchen Sachen nicht, dero-
wegen hätten Seine Fürstliche Gnaden bei sich beschlossen, sie wollten aus¬
rücken und versuchen,, ob sie den Berg einnehmen könnten, befahlen mir,


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Widerstand gegen kaiserliche Commissarien, eine neue Absetzung und strenge
Haft zu Breslau. Aus dieser Haft entwich er und trieb sich als heimathloser
Abenteurer in der Fremde umher, bot sich der Königin Elisabeth von England
im Kriege gegen Philipp von Spanien an, und zog zuletzt nach Polen, um
gegen Oestreich zu kämpfen. Dort, in Krakau, starb er plötzlich 1S86, wahr¬
scheinlich an Gift.

Das Leben dieses unseligen Fürsten ist für uns verbunden mit dem
eines schlesischen Edelmannes aus altem Geschlecht, Hans von Schweinichen,
der als sein treuer Kammerjunker, Hofmarschall und Factotum die meisten
abenteuerlichen Streiche seines.Herrn mitgemacht und uns in zwei Biographien
überliefert hat. Die eine ist seine eigne Lebensbeschreibung (Leben und Aben¬
teuer des schlesischen Ritters Hans von Schweinichen, herausgegeben von
Professor Büsching. 3 Theile 1820 u. f.) die andere ein Auszug daraus mit eini¬
gen Veränderungen und Zusätzen: Das Leben Herzog Heinrichs XI." (heraus¬
gegeben in ScriM. Ker> Silks. IV.,) beide Werke von hohem Werth für die
Sittengeschichte des 16. Jahrhunderts.

Aus diesen Biographien ScbweinichenS sei hier zunächst eine Episode in
der Sprache unserer Zeit mitgetheilt. Sie fällt in die Zeit, in welcher Herzog
Heinrich suspendin war, und mit einem firirten Einkommen in Haman unter der
Herrschaft seines jüngern Bruders saß.

1578.

Herzog Heinrich befand, daß es nicht länger möglich wäre, in Haman
Hof zu halten, und zeigte der kaiserlichen Majestät an, da Herzog Friedrich
kein Deputat mehr gäbe, wollten Seine Fürstliche Gnaden selbst nehmen, wo sie
könnten. Darauf gab der Kaiser keine Antwort, sondern ließ die Dinge gehn,
wie sie wollten, weil von beiden Theilen kaiserlicher Majestät Befehlen nicht
nachgelebt werden konnte; denn der eine Fürst zerbrach Töpfe, der andre
Kruge. Nun wußten Fürstliche Gnaden, daß die Stände einen großen
Vorrath an Getreide aus dem Gröditzberg liegen hatten, deshalb hielten der
Herzog mit mir Rath, wie Sie den Gröditzberg einnehmen und dort bis zu
kaiserlicher Resolution Haus halten könnten. Dieser Sache konnte ich keinen
Beifall geben, noch dazu rathen, aus vielen bedenklichen Ursachen, die ich
Seiner Fürstlichen Gnaden zu Gemüthe führte. Denn die kaiserliche Majestät
würden es für einen Friedensbruch auslegen, und Seine Fürstlichen Gnaden
würden die Sache dadurch ärger und nicht besser machen. Und weil ich dar¬
über etwas mit dem Herzoge discurirte, so wurden Fürstliche Gnaden
schlecht mit mir zufrieden und sagten, ich taugte zu solchen Sachen nicht, dero-
wegen hätten Seine Fürstliche Gnaden bei sich beschlossen, sie wollten aus¬
rücken und versuchen,, ob sie den Berg einnehmen könnten, befahlen mir,


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[0115] Widerstand gegen kaiserliche Commissarien, eine neue Absetzung und strenge Haft zu Breslau. Aus dieser Haft entwich er und trieb sich als heimathloser Abenteurer in der Fremde umher, bot sich der Königin Elisabeth von England im Kriege gegen Philipp von Spanien an, und zog zuletzt nach Polen, um gegen Oestreich zu kämpfen. Dort, in Krakau, starb er plötzlich 1S86, wahr¬ scheinlich an Gift. Das Leben dieses unseligen Fürsten ist für uns verbunden mit dem eines schlesischen Edelmannes aus altem Geschlecht, Hans von Schweinichen, der als sein treuer Kammerjunker, Hofmarschall und Factotum die meisten abenteuerlichen Streiche seines.Herrn mitgemacht und uns in zwei Biographien überliefert hat. Die eine ist seine eigne Lebensbeschreibung (Leben und Aben¬ teuer des schlesischen Ritters Hans von Schweinichen, herausgegeben von Professor Büsching. 3 Theile 1820 u. f.) die andere ein Auszug daraus mit eini¬ gen Veränderungen und Zusätzen: Das Leben Herzog Heinrichs XI." (heraus¬ gegeben in ScriM. Ker> Silks. IV.,) beide Werke von hohem Werth für die Sittengeschichte des 16. Jahrhunderts. Aus diesen Biographien ScbweinichenS sei hier zunächst eine Episode in der Sprache unserer Zeit mitgetheilt. Sie fällt in die Zeit, in welcher Herzog Heinrich suspendin war, und mit einem firirten Einkommen in Haman unter der Herrschaft seines jüngern Bruders saß. 1578. Herzog Heinrich befand, daß es nicht länger möglich wäre, in Haman Hof zu halten, und zeigte der kaiserlichen Majestät an, da Herzog Friedrich kein Deputat mehr gäbe, wollten Seine Fürstliche Gnaden selbst nehmen, wo sie könnten. Darauf gab der Kaiser keine Antwort, sondern ließ die Dinge gehn, wie sie wollten, weil von beiden Theilen kaiserlicher Majestät Befehlen nicht nachgelebt werden konnte; denn der eine Fürst zerbrach Töpfe, der andre Kruge. Nun wußten Fürstliche Gnaden, daß die Stände einen großen Vorrath an Getreide aus dem Gröditzberg liegen hatten, deshalb hielten der Herzog mit mir Rath, wie Sie den Gröditzberg einnehmen und dort bis zu kaiserlicher Resolution Haus halten könnten. Dieser Sache konnte ich keinen Beifall geben, noch dazu rathen, aus vielen bedenklichen Ursachen, die ich Seiner Fürstlichen Gnaden zu Gemüthe führte. Denn die kaiserliche Majestät würden es für einen Friedensbruch auslegen, und Seine Fürstlichen Gnaden würden die Sache dadurch ärger und nicht besser machen. Und weil ich dar¬ über etwas mit dem Herzoge discurirte, so wurden Fürstliche Gnaden schlecht mit mir zufrieden und sagten, ich taugte zu solchen Sachen nicht, dero- wegen hätten Seine Fürstliche Gnaden bei sich beschlossen, sie wollten aus¬ rücken und versuchen,, ob sie den Berg einnehmen könnten, befahlen mir, 14*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/115>, abgerufen am 23.07.2024.