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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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den Besucher einer Grabstätte gesammelt und feierlich zu stimmen und seine
Gedanken in würdigen Zusammenhang mit dem Verstorbenen zu bringen.

Ein Kreuz auf grünem Friedhofe vermag das in den meisten Fällen besser.
Je weniger dem Auge an äußerlichen Beiwerk und Schmuck geboten wird,
desto freier bemächtigt das Gemüth sich der richtigen Stimmung, desto weniger
drängt sich zwischen den enterbten Todten und den zum Grabe gepilgerten
Lebenden, desto unbeschränkter wirkt die umgebende Natur und ihre Ruhe auf
sein Inneres.

Aber wenn diese Eigenschaft einfacher Friedhöfe die größte Bescheidenheit
beim Aufwenden monumentalen Schmucks empfiehlt und wenn die Nichtachtung
dieser Selbstbeschränkung unseren modernen Kirchhöfen so leicht den Charakter
von Paradebetten gibt, so darf der Bildhauer freilich in den sonnenhellen,
geräuschvollen Kirchen Italiens nach andern Gesetzen fragen und dem Monu¬
mente die selbstständigen Eigenschaften eines Kunstwerkes in erster Reihe vor¬
behalten.

Hier ist es nicht mehr der nahestehende, der Verwandte des Verstorbenen,
welcher in Betracht kommt, wie auf dem Friedhofe, wo andere kaum sein Grab
besuchen. Hier handelt sichs um ein öffentliches Denkmal für alle, und ihnen
die Eigenschaften der Todten in würdiger Weise ins Gedächtniß zu rufen, gilt
nun dem Künstler für einen wesentlichen Zweck seiner Aufgabe.

Durch solche Sonderung jener und dieser Denksteine kommen die vielen
Verherrlichungen nichtöffentlicher Persönlichkeiten ins Gedränge, und alle
Bemühungen des Künstlers, durch.die Art, wie er seine Aufgabe löst, ihre
Verherrlichung in öffentlichen Versammlungsorten, wie eine Kirche es ist, zu
rechtfertigen, scheitern an der Widersinnigkeit der Ausgabe selbst.

Aber selbst bei Monumenten, welche das Andenken an Namen stärkeren
Klanges verlängern sollen, darf der Künstler nicht aus den Augen lassen, daß
er nicht allein für seinen Besteller arbeitet. Er hat die Aufgabe, zugleich die
Ornamentik eines großen Bauwerkes zu vervollständigen. Beiden Zwecken
muß er vereinigt zu genügen suchen. Sein Werk soll den Todten verherrli¬
chen und zugleich den Lebenden ein Kunstgebilde selbstständiger Art bieten, da¬
mit der innere Kunstwerth dem häufig zweifelhaften Werthe des Verstorbenen
die Wage halte.

Diese mehrfachen Rücksichten, so vielseitig bedingt durch die Räumlichkeit
der Stätte selbst, durch den Charakter des Baues wie der angrenzenden Denk¬
male, schließen die Möglichkeit aus, eine bestimmte Form'aufzustellen, welche
als vorwiegend zweckmäßig sich immer und aller Orten empfehlen könnte.

Wenn man indessen auf die vielen Versuche in dieser Richtung zurück¬
blickt, wird man einzelne Punkte hervorheben können, die unter allen Umstän¬
den Beachtung verdienen dürften. Möglichst große Einfachheit und Ruhe ist


den Besucher einer Grabstätte gesammelt und feierlich zu stimmen und seine
Gedanken in würdigen Zusammenhang mit dem Verstorbenen zu bringen.

Ein Kreuz auf grünem Friedhofe vermag das in den meisten Fällen besser.
Je weniger dem Auge an äußerlichen Beiwerk und Schmuck geboten wird,
desto freier bemächtigt das Gemüth sich der richtigen Stimmung, desto weniger
drängt sich zwischen den enterbten Todten und den zum Grabe gepilgerten
Lebenden, desto unbeschränkter wirkt die umgebende Natur und ihre Ruhe auf
sein Inneres.

Aber wenn diese Eigenschaft einfacher Friedhöfe die größte Bescheidenheit
beim Aufwenden monumentalen Schmucks empfiehlt und wenn die Nichtachtung
dieser Selbstbeschränkung unseren modernen Kirchhöfen so leicht den Charakter
von Paradebetten gibt, so darf der Bildhauer freilich in den sonnenhellen,
geräuschvollen Kirchen Italiens nach andern Gesetzen fragen und dem Monu¬
mente die selbstständigen Eigenschaften eines Kunstwerkes in erster Reihe vor¬
behalten.

Hier ist es nicht mehr der nahestehende, der Verwandte des Verstorbenen,
welcher in Betracht kommt, wie auf dem Friedhofe, wo andere kaum sein Grab
besuchen. Hier handelt sichs um ein öffentliches Denkmal für alle, und ihnen
die Eigenschaften der Todten in würdiger Weise ins Gedächtniß zu rufen, gilt
nun dem Künstler für einen wesentlichen Zweck seiner Aufgabe.

Durch solche Sonderung jener und dieser Denksteine kommen die vielen
Verherrlichungen nichtöffentlicher Persönlichkeiten ins Gedränge, und alle
Bemühungen des Künstlers, durch.die Art, wie er seine Aufgabe löst, ihre
Verherrlichung in öffentlichen Versammlungsorten, wie eine Kirche es ist, zu
rechtfertigen, scheitern an der Widersinnigkeit der Ausgabe selbst.

Aber selbst bei Monumenten, welche das Andenken an Namen stärkeren
Klanges verlängern sollen, darf der Künstler nicht aus den Augen lassen, daß
er nicht allein für seinen Besteller arbeitet. Er hat die Aufgabe, zugleich die
Ornamentik eines großen Bauwerkes zu vervollständigen. Beiden Zwecken
muß er vereinigt zu genügen suchen. Sein Werk soll den Todten verherrli¬
chen und zugleich den Lebenden ein Kunstgebilde selbstständiger Art bieten, da¬
mit der innere Kunstwerth dem häufig zweifelhaften Werthe des Verstorbenen
die Wage halte.

Diese mehrfachen Rücksichten, so vielseitig bedingt durch die Räumlichkeit
der Stätte selbst, durch den Charakter des Baues wie der angrenzenden Denk¬
male, schließen die Möglichkeit aus, eine bestimmte Form'aufzustellen, welche
als vorwiegend zweckmäßig sich immer und aller Orten empfehlen könnte.

Wenn man indessen auf die vielen Versuche in dieser Richtung zurück¬
blickt, wird man einzelne Punkte hervorheben können, die unter allen Umstän¬
den Beachtung verdienen dürften. Möglichst große Einfachheit und Ruhe ist


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[0112] den Besucher einer Grabstätte gesammelt und feierlich zu stimmen und seine Gedanken in würdigen Zusammenhang mit dem Verstorbenen zu bringen. Ein Kreuz auf grünem Friedhofe vermag das in den meisten Fällen besser. Je weniger dem Auge an äußerlichen Beiwerk und Schmuck geboten wird, desto freier bemächtigt das Gemüth sich der richtigen Stimmung, desto weniger drängt sich zwischen den enterbten Todten und den zum Grabe gepilgerten Lebenden, desto unbeschränkter wirkt die umgebende Natur und ihre Ruhe auf sein Inneres. Aber wenn diese Eigenschaft einfacher Friedhöfe die größte Bescheidenheit beim Aufwenden monumentalen Schmucks empfiehlt und wenn die Nichtachtung dieser Selbstbeschränkung unseren modernen Kirchhöfen so leicht den Charakter von Paradebetten gibt, so darf der Bildhauer freilich in den sonnenhellen, geräuschvollen Kirchen Italiens nach andern Gesetzen fragen und dem Monu¬ mente die selbstständigen Eigenschaften eines Kunstwerkes in erster Reihe vor¬ behalten. Hier ist es nicht mehr der nahestehende, der Verwandte des Verstorbenen, welcher in Betracht kommt, wie auf dem Friedhofe, wo andere kaum sein Grab besuchen. Hier handelt sichs um ein öffentliches Denkmal für alle, und ihnen die Eigenschaften der Todten in würdiger Weise ins Gedächtniß zu rufen, gilt nun dem Künstler für einen wesentlichen Zweck seiner Aufgabe. Durch solche Sonderung jener und dieser Denksteine kommen die vielen Verherrlichungen nichtöffentlicher Persönlichkeiten ins Gedränge, und alle Bemühungen des Künstlers, durch.die Art, wie er seine Aufgabe löst, ihre Verherrlichung in öffentlichen Versammlungsorten, wie eine Kirche es ist, zu rechtfertigen, scheitern an der Widersinnigkeit der Ausgabe selbst. Aber selbst bei Monumenten, welche das Andenken an Namen stärkeren Klanges verlängern sollen, darf der Künstler nicht aus den Augen lassen, daß er nicht allein für seinen Besteller arbeitet. Er hat die Aufgabe, zugleich die Ornamentik eines großen Bauwerkes zu vervollständigen. Beiden Zwecken muß er vereinigt zu genügen suchen. Sein Werk soll den Todten verherrli¬ chen und zugleich den Lebenden ein Kunstgebilde selbstständiger Art bieten, da¬ mit der innere Kunstwerth dem häufig zweifelhaften Werthe des Verstorbenen die Wage halte. Diese mehrfachen Rücksichten, so vielseitig bedingt durch die Räumlichkeit der Stätte selbst, durch den Charakter des Baues wie der angrenzenden Denk¬ male, schließen die Möglichkeit aus, eine bestimmte Form'aufzustellen, welche als vorwiegend zweckmäßig sich immer und aller Orten empfehlen könnte. Wenn man indessen auf die vielen Versuche in dieser Richtung zurück¬ blickt, wird man einzelne Punkte hervorheben können, die unter allen Umstän¬ den Beachtung verdienen dürften. Möglichst große Einfachheit und Ruhe ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/112>, abgerufen am 23.07.2024.