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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Rom ist nun aber auch recht eigentlich die Stadt der Bildhauerei und
wird es aller Wahrscheinlichkeit nach noch lange bleiben. In keiner Stadt
der Welt wird es dem Bildhauer so leicht möglich, seine schöpferische Kraft
ohne ein Aufgehen in dem Handwerksmäßigen seiner Kunst zu entfalten.

Wenn es ihm behagt, braucht er nur in Thon zu arbeiten und alles
Uebrige thun andere für ihn. In der That ist ein solcher Ueberfluß an tüch¬
tigen Technikern, die den mechanischen Theil eines Bildwerks -- das Aus¬
messen nach complicirten Dreiecken, die Handhabung des Tasterzirkels, des
Bohrers, Hammers, Meißels, bis zur Raspel hinab -- auf sich nehmen, daß
die Künstler von einem eben fertigen Modell schon zum andern übergehen
können und, während sie ungestört erfinden und weiter modelliren, rings um
sie her eine fabrikmäßige Vervielfältigung ihrer Bildwerke in geregeltem Fort-
gange ist.

Unsere heimischen Künstler sind grade in dieser Beziehung viel ungünsti¬
ger gestellt, und die Natur der Sache verweist sie mit Gewalt auf den
Mctallguß.

Ohne Zweifel hat es sein Gutes, wenn der Bildhauer sich der Behand¬
lung des Marmors nicht zu sehr entfremdet; in vielen Fällen auch fühlt man
eine gewisse Trockenheit und Nüchternheit der Arbeit, wenn der Künstler dem
Techniker gar zuviel freie Hand ließ; aber je leichter dem Geiste sein Schaffen
gemacht wird, desto besser für ihn und für die Kunst; der technischen Schwierig¬
keiten git'es ohnehin noch genug.

Michel Angelo verachtete bekanntlich diese Aushilfe. Er liebte es, einen
Weg zu gehe", auf dem so ziemlich alle, die ihm folgen würden, straucheln
müßten. Thon war ihm ein zu weichliches, leicht bildsames Material, den
Marmor selbst, wie er im Block vor ihm lag, nahm er in Angriff. Aber wie
vieles blieb auch darum unvollendet, wie oft begegnete es ihm, daß er zu tief
schlug, wie schwer war es ihm, eine gewisse Herbheit, Härte und ein Zurschau-
tragen von Krastübermaß zu vermeiden, was der stete Kampf mit dem stößigen
Material so leicht in seinem Gefolge hat!

Dem Bildhauer in Rom kommt außer den schon berührten Vortheilen
noch die Nähe Carraras zu statten. Bekanntlich verdrängte der tunesische
weiße, jetzt nach der Stadt Carrara benannte Marmor schon zu Caesars
Zeiten die von den Griechen benutzten pentelischen und parischen Marmorarten.
In Carrara werden manche größere Sculptursachen schon punktirt, so daß
einerseits der Block in geringerem Gewichte nach Rom gelangt, andrerseits
aber die Gefahr beseitigt wird, in der römischen Werkstatt erst Adern und
Fehler im Stein zu entdecken. Der Transport solcher halbfertigen Werke er¬
fordert indessen natürlich größere Sorgfalt und macht größere Kosten, weshalb
aus Carrara meistens nur die rohe Masse herübergeschafft wird.


Rom ist nun aber auch recht eigentlich die Stadt der Bildhauerei und
wird es aller Wahrscheinlichkeit nach noch lange bleiben. In keiner Stadt
der Welt wird es dem Bildhauer so leicht möglich, seine schöpferische Kraft
ohne ein Aufgehen in dem Handwerksmäßigen seiner Kunst zu entfalten.

Wenn es ihm behagt, braucht er nur in Thon zu arbeiten und alles
Uebrige thun andere für ihn. In der That ist ein solcher Ueberfluß an tüch¬
tigen Technikern, die den mechanischen Theil eines Bildwerks — das Aus¬
messen nach complicirten Dreiecken, die Handhabung des Tasterzirkels, des
Bohrers, Hammers, Meißels, bis zur Raspel hinab — auf sich nehmen, daß
die Künstler von einem eben fertigen Modell schon zum andern übergehen
können und, während sie ungestört erfinden und weiter modelliren, rings um
sie her eine fabrikmäßige Vervielfältigung ihrer Bildwerke in geregeltem Fort-
gange ist.

Unsere heimischen Künstler sind grade in dieser Beziehung viel ungünsti¬
ger gestellt, und die Natur der Sache verweist sie mit Gewalt auf den
Mctallguß.

Ohne Zweifel hat es sein Gutes, wenn der Bildhauer sich der Behand¬
lung des Marmors nicht zu sehr entfremdet; in vielen Fällen auch fühlt man
eine gewisse Trockenheit und Nüchternheit der Arbeit, wenn der Künstler dem
Techniker gar zuviel freie Hand ließ; aber je leichter dem Geiste sein Schaffen
gemacht wird, desto besser für ihn und für die Kunst; der technischen Schwierig¬
keiten git'es ohnehin noch genug.

Michel Angelo verachtete bekanntlich diese Aushilfe. Er liebte es, einen
Weg zu gehe», auf dem so ziemlich alle, die ihm folgen würden, straucheln
müßten. Thon war ihm ein zu weichliches, leicht bildsames Material, den
Marmor selbst, wie er im Block vor ihm lag, nahm er in Angriff. Aber wie
vieles blieb auch darum unvollendet, wie oft begegnete es ihm, daß er zu tief
schlug, wie schwer war es ihm, eine gewisse Herbheit, Härte und ein Zurschau-
tragen von Krastübermaß zu vermeiden, was der stete Kampf mit dem stößigen
Material so leicht in seinem Gefolge hat!

Dem Bildhauer in Rom kommt außer den schon berührten Vortheilen
noch die Nähe Carraras zu statten. Bekanntlich verdrängte der tunesische
weiße, jetzt nach der Stadt Carrara benannte Marmor schon zu Caesars
Zeiten die von den Griechen benutzten pentelischen und parischen Marmorarten.
In Carrara werden manche größere Sculptursachen schon punktirt, so daß
einerseits der Block in geringerem Gewichte nach Rom gelangt, andrerseits
aber die Gefahr beseitigt wird, in der römischen Werkstatt erst Adern und
Fehler im Stein zu entdecken. Der Transport solcher halbfertigen Werke er¬
fordert indessen natürlich größere Sorgfalt und macht größere Kosten, weshalb
aus Carrara meistens nur die rohe Masse herübergeschafft wird.


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[0104] Rom ist nun aber auch recht eigentlich die Stadt der Bildhauerei und wird es aller Wahrscheinlichkeit nach noch lange bleiben. In keiner Stadt der Welt wird es dem Bildhauer so leicht möglich, seine schöpferische Kraft ohne ein Aufgehen in dem Handwerksmäßigen seiner Kunst zu entfalten. Wenn es ihm behagt, braucht er nur in Thon zu arbeiten und alles Uebrige thun andere für ihn. In der That ist ein solcher Ueberfluß an tüch¬ tigen Technikern, die den mechanischen Theil eines Bildwerks — das Aus¬ messen nach complicirten Dreiecken, die Handhabung des Tasterzirkels, des Bohrers, Hammers, Meißels, bis zur Raspel hinab — auf sich nehmen, daß die Künstler von einem eben fertigen Modell schon zum andern übergehen können und, während sie ungestört erfinden und weiter modelliren, rings um sie her eine fabrikmäßige Vervielfältigung ihrer Bildwerke in geregeltem Fort- gange ist. Unsere heimischen Künstler sind grade in dieser Beziehung viel ungünsti¬ ger gestellt, und die Natur der Sache verweist sie mit Gewalt auf den Mctallguß. Ohne Zweifel hat es sein Gutes, wenn der Bildhauer sich der Behand¬ lung des Marmors nicht zu sehr entfremdet; in vielen Fällen auch fühlt man eine gewisse Trockenheit und Nüchternheit der Arbeit, wenn der Künstler dem Techniker gar zuviel freie Hand ließ; aber je leichter dem Geiste sein Schaffen gemacht wird, desto besser für ihn und für die Kunst; der technischen Schwierig¬ keiten git'es ohnehin noch genug. Michel Angelo verachtete bekanntlich diese Aushilfe. Er liebte es, einen Weg zu gehe», auf dem so ziemlich alle, die ihm folgen würden, straucheln müßten. Thon war ihm ein zu weichliches, leicht bildsames Material, den Marmor selbst, wie er im Block vor ihm lag, nahm er in Angriff. Aber wie vieles blieb auch darum unvollendet, wie oft begegnete es ihm, daß er zu tief schlug, wie schwer war es ihm, eine gewisse Herbheit, Härte und ein Zurschau- tragen von Krastübermaß zu vermeiden, was der stete Kampf mit dem stößigen Material so leicht in seinem Gefolge hat! Dem Bildhauer in Rom kommt außer den schon berührten Vortheilen noch die Nähe Carraras zu statten. Bekanntlich verdrängte der tunesische weiße, jetzt nach der Stadt Carrara benannte Marmor schon zu Caesars Zeiten die von den Griechen benutzten pentelischen und parischen Marmorarten. In Carrara werden manche größere Sculptursachen schon punktirt, so daß einerseits der Block in geringerem Gewichte nach Rom gelangt, andrerseits aber die Gefahr beseitigt wird, in der römischen Werkstatt erst Adern und Fehler im Stein zu entdecken. Der Transport solcher halbfertigen Werke er¬ fordert indessen natürlich größere Sorgfalt und macht größere Kosten, weshalb aus Carrara meistens nur die rohe Masse herübergeschafft wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/104>, abgerufen am 23.07.2024.