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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Deutschland selten Aar erkannten Streitigkeiten innerhalb der "Ritterschaft",
welche vom "eingebornen Adel" und den "bürgerlichen Gutsbesitzern" gebildet
wird. Sie traten auch auf dem letzten Landtag in den Vordergrund. Damals
war es ein (wahrscheinlich gar nicht in Mecklenburg wohnender) Korrespondent
der A. Allg. Ztg., welcher durch seine in fast alle Blätter übergegangenen
Mittheilungen darüber die größten Verwirrungen der Begriffe von der eigent¬
lichen Streitfrage in Cours brachte. Nach seinen Darstellungen mußte es
scheinen, als habe es sich bei den Wahlen der Landstände(i. Dez.) von Land¬
räthen, Klosterprovisoren, Deputaten bei der Militärdistrictsbehvrde und dem
Landkostencomit" :c. zwischen den bürgerlichen Gutsbesitzern und eingebornen
Rittern um Differenzen über das Wahlresultat gehandelt. Man mußte glauben,
die bürgerlichen Gutsbesitzer hätten gewissermaßen ein liberales Princip ver¬
treten. Dies war keineswegs der Fall, vielmehr Harmoniren beide Theile im
reactionären Sinn vollständig. Aber der "eingeborne Adel" ging gradezu
darauf aus, die ,.bürgerlichen Gutsbesitzer" bei den aus der gesammren ,,Ritter¬
schaft" (wie erwähnt aus beiden Körperschaften bestehend) vorzunehmenden
Wahlen vom activen Wahlrecht völlig auszuschließen. Ersterer erklärte sich
nämlich als ausschließliche Wahlcorporation und für ermächtigt,, ganz nach
eignem Ermessen neue Mitglieder in den "eingebornen Adel" aufzunehmen.
Darauf legten 20 "bürgerliche Gutsbesitzer" Protest ein, um sich alle ihnen
"dieserhalb zustehenden Rechte" zu reserviren. Nunmehr beschloß dagegen.die
Mehrheit "gesammter Ritterschaft" -- unter etwa 120 Wählern waren zu dem
Wahltage freilich nur etwa 35 bürgerliche Gutsbesitzer eingetroffen -- daß die
Zuziehung eines Notars zu den ständischen Sitzungen nicht statthaft sei, welche
ein bürgerlicher Gutsbesitzer, um Protest einzulegen, verlangt hatte. So war
also eine Spaltung da, doch keine Spaltung um allgemeinere politische Prin¬
cipien, sondern nur um Pmcisirung der Rechte beider Theile der "Ritterschaft".
Dieser Streit ist auch jetzt noch nicht entschieden. Vielmehr hat jede Partei
Deputirte gewählt, welche die Beilegung berathen sollen.




Die Freiheitskriege.

Geschichte der deutschen Freiheitskriege in den Jahren -18 13 und
1814 vom Major Beitzke. 3 Bde. Berlin, Duncker A Humblot.

"Bei den beständigen starken Eingriffen des Auslandes und bei unsrer
politischen Getheiltheit mangelt uns das Gefühl der unzertrennlichen Zusammen¬
gehörigkeit, der Einheit, der Macht und früherer gemeinsamer Triumphe, aus


Deutschland selten Aar erkannten Streitigkeiten innerhalb der „Ritterschaft",
welche vom „eingebornen Adel" und den „bürgerlichen Gutsbesitzern" gebildet
wird. Sie traten auch auf dem letzten Landtag in den Vordergrund. Damals
war es ein (wahrscheinlich gar nicht in Mecklenburg wohnender) Korrespondent
der A. Allg. Ztg., welcher durch seine in fast alle Blätter übergegangenen
Mittheilungen darüber die größten Verwirrungen der Begriffe von der eigent¬
lichen Streitfrage in Cours brachte. Nach seinen Darstellungen mußte es
scheinen, als habe es sich bei den Wahlen der Landstände(i. Dez.) von Land¬
räthen, Klosterprovisoren, Deputaten bei der Militärdistrictsbehvrde und dem
Landkostencomit« :c. zwischen den bürgerlichen Gutsbesitzern und eingebornen
Rittern um Differenzen über das Wahlresultat gehandelt. Man mußte glauben,
die bürgerlichen Gutsbesitzer hätten gewissermaßen ein liberales Princip ver¬
treten. Dies war keineswegs der Fall, vielmehr Harmoniren beide Theile im
reactionären Sinn vollständig. Aber der „eingeborne Adel" ging gradezu
darauf aus, die ,.bürgerlichen Gutsbesitzer" bei den aus der gesammren ,,Ritter¬
schaft" (wie erwähnt aus beiden Körperschaften bestehend) vorzunehmenden
Wahlen vom activen Wahlrecht völlig auszuschließen. Ersterer erklärte sich
nämlich als ausschließliche Wahlcorporation und für ermächtigt,, ganz nach
eignem Ermessen neue Mitglieder in den „eingebornen Adel" aufzunehmen.
Darauf legten 20 „bürgerliche Gutsbesitzer" Protest ein, um sich alle ihnen
„dieserhalb zustehenden Rechte" zu reserviren. Nunmehr beschloß dagegen.die
Mehrheit „gesammter Ritterschaft" — unter etwa 120 Wählern waren zu dem
Wahltage freilich nur etwa 35 bürgerliche Gutsbesitzer eingetroffen — daß die
Zuziehung eines Notars zu den ständischen Sitzungen nicht statthaft sei, welche
ein bürgerlicher Gutsbesitzer, um Protest einzulegen, verlangt hatte. So war
also eine Spaltung da, doch keine Spaltung um allgemeinere politische Prin¬
cipien, sondern nur um Pmcisirung der Rechte beider Theile der „Ritterschaft".
Dieser Streit ist auch jetzt noch nicht entschieden. Vielmehr hat jede Partei
Deputirte gewählt, welche die Beilegung berathen sollen.




Die Freiheitskriege.

Geschichte der deutschen Freiheitskriege in den Jahren -18 13 und
1814 vom Major Beitzke. 3 Bde. Berlin, Duncker A Humblot.

„Bei den beständigen starken Eingriffen des Auslandes und bei unsrer
politischen Getheiltheit mangelt uns das Gefühl der unzertrennlichen Zusammen¬
gehörigkeit, der Einheit, der Macht und früherer gemeinsamer Triumphe, aus


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[0093] Deutschland selten Aar erkannten Streitigkeiten innerhalb der „Ritterschaft", welche vom „eingebornen Adel" und den „bürgerlichen Gutsbesitzern" gebildet wird. Sie traten auch auf dem letzten Landtag in den Vordergrund. Damals war es ein (wahrscheinlich gar nicht in Mecklenburg wohnender) Korrespondent der A. Allg. Ztg., welcher durch seine in fast alle Blätter übergegangenen Mittheilungen darüber die größten Verwirrungen der Begriffe von der eigent¬ lichen Streitfrage in Cours brachte. Nach seinen Darstellungen mußte es scheinen, als habe es sich bei den Wahlen der Landstände(i. Dez.) von Land¬ räthen, Klosterprovisoren, Deputaten bei der Militärdistrictsbehvrde und dem Landkostencomit« :c. zwischen den bürgerlichen Gutsbesitzern und eingebornen Rittern um Differenzen über das Wahlresultat gehandelt. Man mußte glauben, die bürgerlichen Gutsbesitzer hätten gewissermaßen ein liberales Princip ver¬ treten. Dies war keineswegs der Fall, vielmehr Harmoniren beide Theile im reactionären Sinn vollständig. Aber der „eingeborne Adel" ging gradezu darauf aus, die ,.bürgerlichen Gutsbesitzer" bei den aus der gesammren ,,Ritter¬ schaft" (wie erwähnt aus beiden Körperschaften bestehend) vorzunehmenden Wahlen vom activen Wahlrecht völlig auszuschließen. Ersterer erklärte sich nämlich als ausschließliche Wahlcorporation und für ermächtigt,, ganz nach eignem Ermessen neue Mitglieder in den „eingebornen Adel" aufzunehmen. Darauf legten 20 „bürgerliche Gutsbesitzer" Protest ein, um sich alle ihnen „dieserhalb zustehenden Rechte" zu reserviren. Nunmehr beschloß dagegen.die Mehrheit „gesammter Ritterschaft" — unter etwa 120 Wählern waren zu dem Wahltage freilich nur etwa 35 bürgerliche Gutsbesitzer eingetroffen — daß die Zuziehung eines Notars zu den ständischen Sitzungen nicht statthaft sei, welche ein bürgerlicher Gutsbesitzer, um Protest einzulegen, verlangt hatte. So war also eine Spaltung da, doch keine Spaltung um allgemeinere politische Prin¬ cipien, sondern nur um Pmcisirung der Rechte beider Theile der „Ritterschaft". Dieser Streit ist auch jetzt noch nicht entschieden. Vielmehr hat jede Partei Deputirte gewählt, welche die Beilegung berathen sollen. Die Freiheitskriege. Geschichte der deutschen Freiheitskriege in den Jahren -18 13 und 1814 vom Major Beitzke. 3 Bde. Berlin, Duncker A Humblot. „Bei den beständigen starken Eingriffen des Auslandes und bei unsrer politischen Getheiltheit mangelt uns das Gefühl der unzertrennlichen Zusammen¬ gehörigkeit, der Einheit, der Macht und früherer gemeinsamer Triumphe, aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/93>, abgerufen am 27.06.2024.