Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.Mommsens Römische Geschichte. In der Culturentwicklung der Völker gibt es Perioden, gegen die man Ganz anders wird der Eindruck, wenn wir aus dem Kreise der Dichtkunst Greuzbvte". II. 1
Mommsens Römische Geschichte. In der Culturentwicklung der Völker gibt es Perioden, gegen die man Ganz anders wird der Eindruck, wenn wir aus dem Kreise der Dichtkunst Greuzbvte». II. 1
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0009" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101536"/> </div> </div> </div> </div> <div n="1"> <head> Mommsens Römische Geschichte.</head><lb/> <p xml:id="ID_7"> In der Culturentwicklung der Völker gibt es Perioden, gegen die man<lb/> gewöhnlich ungerecht ist, weil man den herkömmlichen künstlerischen Maßstab<lb/> an sie anlegt und nicht daran denkt, daß die schöpferische Volkskraft sich von<lb/> Zeit zu Zeit ein neues Gebiet suchen muß, um nicht in einseitiger Ausbildung<lb/> einzelner Richtungen zu erkranken. Das gilt auch von der deutschen Literatur<lb/> der Gegenwart. Wir haben uns daran gewöhnt, das Zeitalter Schillers und<lb/> Goethes, Fichtes und Schellings als die goldene Zeit unserer Literatur zu be¬<lb/> trachten, und was damals in der Dichtung und Philosophie geleistet wurde,<lb/> als die Norm anzusehen, an welcher der Werth der neuen Schöpfungen zu<lb/> messen sei. Indem wir nun die Entwicklung der Dichtkunst und Philosophie<lb/> verfolgen, sehen wir eine stetige Abnahme der Naturkraft, eine immer weiter<lb/> um sich greifende Verwilderung des Stils, eine immer trübere Gährung in.<lb/> den Principien. Heine ist der letzte aus der alten Dichterschule, Feuerbach<lb/> der letzte aus der alten Philosophenschule, und wie bedeutend die Begabung<lb/> dieser Männer ist, es macht doch einen unheimlichen Eindruck auf uns, wenn<lb/> wir den wilden, dämonischen Zerstörungstrieb, der in ihnen sich ausspricht, mit<lb/> jener griechischen, sonnenhellen Heiterkeit vergleichen, die uns in den classischen<lb/> Schöpfungen von Weimar und Jena noch immer erfrischt. Noch tiefer ist der<lb/> Verfall in der spätern Zeit. Talente sind genug vorhanden, es zeigt sich auch<lb/> hin und wieder ein guter Wille und eine richtige Einsicht, aber das Gefühl<lb/> der innern, zwingenden Nothwendigkeit wird durch eine neue Schöpfung nur<lb/> selten in uns erregt, und die schöne Literatur im Ganzen betrachtet steht nicht<lb/> über, sondern unter der allgemeinen Bildung.</p><lb/> <p xml:id="ID_8" next="#ID_9"> Ganz anders wird der Eindruck, wenn wir aus dem Kreise der Dichtkunst<lb/> heraustreten. Noch in die classische Zeit fallen die Anfänge einer neuen Wissen¬<lb/> schaft, deren Erinnerung als ein ewiger Ehrentempel des deutschen Ruhms<lb/> bestehen wird. Mit Wolf und seinen Schülern begann die Reihe jener herr¬<lb/> lichen Männer, die ein schönes und großes Leben einem mühsamen und an¬<lb/> scheinend wenig belohnender Studium Hingaben, um ein riesenhaftes Gebäude<lb/> aufzuführen, das nicht den Namen seiner einzelnen Urheber, sondern den der<lb/> Nation an der Stirn tragen sollte. Die Namen sind wohl bekannt; von</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Greuzbvte». II. 1</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Mommsens Römische Geschichte.
In der Culturentwicklung der Völker gibt es Perioden, gegen die man
gewöhnlich ungerecht ist, weil man den herkömmlichen künstlerischen Maßstab
an sie anlegt und nicht daran denkt, daß die schöpferische Volkskraft sich von
Zeit zu Zeit ein neues Gebiet suchen muß, um nicht in einseitiger Ausbildung
einzelner Richtungen zu erkranken. Das gilt auch von der deutschen Literatur
der Gegenwart. Wir haben uns daran gewöhnt, das Zeitalter Schillers und
Goethes, Fichtes und Schellings als die goldene Zeit unserer Literatur zu be¬
trachten, und was damals in der Dichtung und Philosophie geleistet wurde,
als die Norm anzusehen, an welcher der Werth der neuen Schöpfungen zu
messen sei. Indem wir nun die Entwicklung der Dichtkunst und Philosophie
verfolgen, sehen wir eine stetige Abnahme der Naturkraft, eine immer weiter
um sich greifende Verwilderung des Stils, eine immer trübere Gährung in.
den Principien. Heine ist der letzte aus der alten Dichterschule, Feuerbach
der letzte aus der alten Philosophenschule, und wie bedeutend die Begabung
dieser Männer ist, es macht doch einen unheimlichen Eindruck auf uns, wenn
wir den wilden, dämonischen Zerstörungstrieb, der in ihnen sich ausspricht, mit
jener griechischen, sonnenhellen Heiterkeit vergleichen, die uns in den classischen
Schöpfungen von Weimar und Jena noch immer erfrischt. Noch tiefer ist der
Verfall in der spätern Zeit. Talente sind genug vorhanden, es zeigt sich auch
hin und wieder ein guter Wille und eine richtige Einsicht, aber das Gefühl
der innern, zwingenden Nothwendigkeit wird durch eine neue Schöpfung nur
selten in uns erregt, und die schöne Literatur im Ganzen betrachtet steht nicht
über, sondern unter der allgemeinen Bildung.
Ganz anders wird der Eindruck, wenn wir aus dem Kreise der Dichtkunst
heraustreten. Noch in die classische Zeit fallen die Anfänge einer neuen Wissen¬
schaft, deren Erinnerung als ein ewiger Ehrentempel des deutschen Ruhms
bestehen wird. Mit Wolf und seinen Schülern begann die Reihe jener herr¬
lichen Männer, die ein schönes und großes Leben einem mühsamen und an¬
scheinend wenig belohnender Studium Hingaben, um ein riesenhaftes Gebäude
aufzuführen, das nicht den Namen seiner einzelnen Urheber, sondern den der
Nation an der Stirn tragen sollte. Die Namen sind wohl bekannt; von
Greuzbvte». II. 1
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |