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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Kaulbachschen Art vortrefflich ausgeführt; aber einige Bedenken möchten wir
doch dagegen haben. Einmal greift die ganze Art zu sehr der Bildhauerei ins
Handwerk. Die allegorischen Figuren sind nichts Andres als Übertragungen
vom Marmor auf die Leinwand. Dann ist die Symbolik, eben weil ste'phtlo-
sovhisch sehr weit ausholt, nicht aus dem Innern des Gemüths hervorgegangen,
sondern ein Erzeugniß der Reflexion, und die alten Madonnenbilder sind uns
doch unendlich viel lieber, als diese phantastisch aufgeputzten Theaterprinzessinnen,
die doch zum Theil so aussehen, als setzten sie sich mit Bewußtsein vor dem
Publicum in Positur. Auf dem Carton sieht daS alles viel hübscher aus. -
Auch in dem vielgefeierten Moses finden wir doch jene künstliche Steigerung
des Ausdrucks, die uns bei Kaulbach überhaupt häufig unangenehm berührt.
In architektonischer Beziehung dagegen läßt sich für diese Vertheiln"-, der
Gruppen viel sagen. Jene gewissermaßen ruhenden Figuren bilden gegen die
bewegten historischen Bilder einen angenehmen Contrast und stellen eine Har¬
monie des Eindrucks her, die auf andere Weise kaum zu erzielen wäre. -- Aber
die Symbolik geht noch viel weiter. In der Farbe des FrieseS ziehen sich eine
Reihe von Arabesken zwischen den großen Wandgemälden und den allegorischen
Bildern dju, um den symbolischen Grundgedanken der Geschichte zu vermitteln.
So finden wir unter der Isis die Eroberung des alten Indiens durch Rhamses
den Großen, unter der Venus die Eroberung Persiens durch Alexander den
Großen, unter der Italia und Germania werden dann ähnliche Zwischen¬
friese in Grau angebracht werden. Den Gipfel erreicht die Symbolik in den
- gleichfalls in Grau ausgeführten Arabeskenpilastern. Diese Erfindung ist zu
charakteristisch für unsre Zeit, als daß wir sie nicht hier anführen sollten. Wir
folgen der allgemein bekannten Beschreibung von Max Schafter, indem wir
bemerken, daß mit den Buchstaben -r. die Inder, K. die Perser, e. die Aegyp-
ter, 6. die Griechen, <z. die Juden, k. die Römer bezeichnet werden., und mit
den Zahlen 1. die älteste Gottesvorstellung des betreffenden Volkes, 2. daS
oberste weibliche Naturprincip, 3. der oberste positive Gott, i. die Vorstellung
von der Weltschöpfung, s. die ältesten heiligen Bücher, 6. der älteste Gesetz¬
geber, 7. der älteste Staatenbegründer, 8. der Älteste Religionsbegründer, Philo¬
soph und Prophet des betreffenden Volks. -- Hier folgt nun also das System
der allgemeinen Mythologie.

1. Wischnu. b) Mitras. °) Ku-ph, 6) Uranos. s) Logos. 0 Saturnus.
'
2. Ä) Lakschai. b) Zeruanaakerana. <-) Neith. <1) Artemis, s) Offenbarungsthier,
k> In"o.
3. a) Brahma, d) Ormuzd. °) Ammon, 6) Zeus, ") Jehova, Y Jupiter.
'
. i- Ä) Erdkugelvon Weltelephanten getragen, b) Urstier e) Scaral'aus, ä) Atlas. s) Adam
und Eva. y Tellus.
ö. s) Nedas, b) Zcudavest, e) Thot-Hermesbücher. S> Theoaonie, e) Fünf Bücher Mosis.
k> SivrMnische Bücher.
6- a) Manu, d) Zerduscht. <-) Thot-Hermes, ä) Orpheus, ") Samuel, Y Numa.

Kaulbachschen Art vortrefflich ausgeführt; aber einige Bedenken möchten wir
doch dagegen haben. Einmal greift die ganze Art zu sehr der Bildhauerei ins
Handwerk. Die allegorischen Figuren sind nichts Andres als Übertragungen
vom Marmor auf die Leinwand. Dann ist die Symbolik, eben weil ste'phtlo-
sovhisch sehr weit ausholt, nicht aus dem Innern des Gemüths hervorgegangen,
sondern ein Erzeugniß der Reflexion, und die alten Madonnenbilder sind uns
doch unendlich viel lieber, als diese phantastisch aufgeputzten Theaterprinzessinnen,
die doch zum Theil so aussehen, als setzten sie sich mit Bewußtsein vor dem
Publicum in Positur. Auf dem Carton sieht daS alles viel hübscher aus. -
Auch in dem vielgefeierten Moses finden wir doch jene künstliche Steigerung
des Ausdrucks, die uns bei Kaulbach überhaupt häufig unangenehm berührt.
In architektonischer Beziehung dagegen läßt sich für diese Vertheiln«-, der
Gruppen viel sagen. Jene gewissermaßen ruhenden Figuren bilden gegen die
bewegten historischen Bilder einen angenehmen Contrast und stellen eine Har¬
monie des Eindrucks her, die auf andere Weise kaum zu erzielen wäre. — Aber
die Symbolik geht noch viel weiter. In der Farbe des FrieseS ziehen sich eine
Reihe von Arabesken zwischen den großen Wandgemälden und den allegorischen
Bildern dju, um den symbolischen Grundgedanken der Geschichte zu vermitteln.
So finden wir unter der Isis die Eroberung des alten Indiens durch Rhamses
den Großen, unter der Venus die Eroberung Persiens durch Alexander den
Großen, unter der Italia und Germania werden dann ähnliche Zwischen¬
friese in Grau angebracht werden. Den Gipfel erreicht die Symbolik in den
- gleichfalls in Grau ausgeführten Arabeskenpilastern. Diese Erfindung ist zu
charakteristisch für unsre Zeit, als daß wir sie nicht hier anführen sollten. Wir
folgen der allgemein bekannten Beschreibung von Max Schafter, indem wir
bemerken, daß mit den Buchstaben -r. die Inder, K. die Perser, e. die Aegyp-
ter, 6. die Griechen, <z. die Juden, k. die Römer bezeichnet werden., und mit
den Zahlen 1. die älteste Gottesvorstellung des betreffenden Volkes, 2. daS
oberste weibliche Naturprincip, 3. der oberste positive Gott, i. die Vorstellung
von der Weltschöpfung, s. die ältesten heiligen Bücher, 6. der älteste Gesetz¬
geber, 7. der älteste Staatenbegründer, 8. der Älteste Religionsbegründer, Philo¬
soph und Prophet des betreffenden Volks. — Hier folgt nun also das System
der allgemeinen Mythologie.

1. Wischnu. b) Mitras. °) Ku-ph, 6) Uranos. s) Logos. 0 Saturnus.
'
2. Ä) Lakschai. b) Zeruanaakerana. <-) Neith. <1) Artemis, s) Offenbarungsthier,
k> In»o.
3. a) Brahma, d) Ormuzd. °) Ammon, 6) Zeus, «) Jehova, Y Jupiter.
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. i- Ä) Erdkugelvon Weltelephanten getragen, b) Urstier e) Scaral'aus, ä) Atlas. s) Adam
und Eva. y Tellus.
ö. s) Nedas, b) Zcudavest, e) Thot-Hermesbücher. S> Theoaonie, e) Fünf Bücher Mosis.
k> SivrMnische Bücher.
6- a) Manu, d) Zerduscht. <-) Thot-Hermes, ä) Orpheus, «) Samuel, Y Numa.

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[0061] Kaulbachschen Art vortrefflich ausgeführt; aber einige Bedenken möchten wir doch dagegen haben. Einmal greift die ganze Art zu sehr der Bildhauerei ins Handwerk. Die allegorischen Figuren sind nichts Andres als Übertragungen vom Marmor auf die Leinwand. Dann ist die Symbolik, eben weil ste'phtlo- sovhisch sehr weit ausholt, nicht aus dem Innern des Gemüths hervorgegangen, sondern ein Erzeugniß der Reflexion, und die alten Madonnenbilder sind uns doch unendlich viel lieber, als diese phantastisch aufgeputzten Theaterprinzessinnen, die doch zum Theil so aussehen, als setzten sie sich mit Bewußtsein vor dem Publicum in Positur. Auf dem Carton sieht daS alles viel hübscher aus. - Auch in dem vielgefeierten Moses finden wir doch jene künstliche Steigerung des Ausdrucks, die uns bei Kaulbach überhaupt häufig unangenehm berührt. In architektonischer Beziehung dagegen läßt sich für diese Vertheiln«-, der Gruppen viel sagen. Jene gewissermaßen ruhenden Figuren bilden gegen die bewegten historischen Bilder einen angenehmen Contrast und stellen eine Har¬ monie des Eindrucks her, die auf andere Weise kaum zu erzielen wäre. — Aber die Symbolik geht noch viel weiter. In der Farbe des FrieseS ziehen sich eine Reihe von Arabesken zwischen den großen Wandgemälden und den allegorischen Bildern dju, um den symbolischen Grundgedanken der Geschichte zu vermitteln. So finden wir unter der Isis die Eroberung des alten Indiens durch Rhamses den Großen, unter der Venus die Eroberung Persiens durch Alexander den Großen, unter der Italia und Germania werden dann ähnliche Zwischen¬ friese in Grau angebracht werden. Den Gipfel erreicht die Symbolik in den - gleichfalls in Grau ausgeführten Arabeskenpilastern. Diese Erfindung ist zu charakteristisch für unsre Zeit, als daß wir sie nicht hier anführen sollten. Wir folgen der allgemein bekannten Beschreibung von Max Schafter, indem wir bemerken, daß mit den Buchstaben -r. die Inder, K. die Perser, e. die Aegyp- ter, 6. die Griechen, <z. die Juden, k. die Römer bezeichnet werden., und mit den Zahlen 1. die älteste Gottesvorstellung des betreffenden Volkes, 2. daS oberste weibliche Naturprincip, 3. der oberste positive Gott, i. die Vorstellung von der Weltschöpfung, s. die ältesten heiligen Bücher, 6. der älteste Gesetz¬ geber, 7. der älteste Staatenbegründer, 8. der Älteste Religionsbegründer, Philo¬ soph und Prophet des betreffenden Volks. — Hier folgt nun also das System der allgemeinen Mythologie. 1. Wischnu. b) Mitras. °) Ku-ph, 6) Uranos. s) Logos. 0 Saturnus. ' 2. Ä) Lakschai. b) Zeruanaakerana. <-) Neith. <1) Artemis, s) Offenbarungsthier, k> In»o. 3. a) Brahma, d) Ormuzd. °) Ammon, 6) Zeus, «) Jehova, Y Jupiter. ' . i- Ä) Erdkugelvon Weltelephanten getragen, b) Urstier e) Scaral'aus, ä) Atlas. s) Adam und Eva. y Tellus. ö. s) Nedas, b) Zcudavest, e) Thot-Hermesbücher. S> Theoaonie, e) Fünf Bücher Mosis. k> SivrMnische Bücher. 6- a) Manu, d) Zerduscht. <-) Thot-Hermes, ä) Orpheus, «) Samuel, Y Numa.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/61>, abgerufen am 27.06.2024.