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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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und dunkel und Nachts besuchen einen zwar nicht die Geister der Mönche,
aber andre Plagegeister, nämlich "die duzwitt niarschir und die langsam
marschir", wie unser alter Wachtmeister von den Flöhen und Läusen sagte.
Hat man eines Tages etliche Stunden frei und geht in Neapel spaziren, so
kann man nicht mit den Leuten diöcouriren, weil niemand deutsch versteht oder
verstehen will, und man kanns den Bürgern anmerken, wie sie uns verachten,
hassen und für Blutsauger und Vergebensfresser ansehen, die der König an¬
gestellt und mit schwerem Gelde besolde, damit sie die Freiheit unterdrücken.
Da ists kein Wunder, daß viele Soldaten sich dem schlechten Leben ergeben,
oder vor Heimweh sterben und desertiren. Das geräth aber unter hundert
Fällen einmal, und deren, die man wieder kriegt, wartet die Galeere.

Es sind jetzt vier Schweizerregimenter und ein Jägerbataillon im König¬
reich Neapel. Ein Regiment ist drüben in Palermo, die übrigen liegen in
Neapel und der Umgegend. Unter uns Schweizern sind viele Deutsche, ehe¬
malige Freischärler und dergleichen Leute; auch Handswcrksburschen', die von
den Werbern durch schöne Versprechungen über den Löffel barbiert worden
sind. Und was für schlechte Leute sind unter den Soldaten! Kerls, Gott ver¬
zeih mirs, von denen man glaubt, sie seien dem Henker entlaufen. Bürschlein,
die daheim meisterlosig waren und vor Wollust nicht wußten, was anfangen.
Ich bin nicht verwöhnt worden beim Schlempenbaner und hab bei der Mutter
selig oft Sparsich und Mangelkraut gehabt, aber ich hab doch schon oft im
Stillen gedacht, wenn ich nur wieder daheim wäre. Denn was die Kost be¬
trifft, so bekamen wir zweimal im Tag zu essen. Morgens acht Uhr wurde ein
Getöns aufgetragen, das aus Suppe, Fleisch und verschiedenem Gemüse in
einer Schüssel zusammen bestand. Nachmittags wurden Bohnen und Paften
oder Paften und Bohnen ausgestellt. Paften sind eine Art Kröpfli, nur
schwerer und unverdaulicher. Aber aus lauter Sorgfalt für unsere Mägen
war für ein gehöriges Quantum Brühe gesorgt, und manchmal wäre ein
Taucher nöthig gewesen, um das wenige Dicke aus der Tiefe herauszuholen.
Das Beste hatten am Morgen die drei bis vier Köche, der Ordinärchef, Feld-
weibel, Fouriere und übrigen Unteroffiziere, die nichts in die Soldatenmenage
legen, in ihre hungrigen Mägen wandern lassen. Das Brot ist schlecht und
das Wasser nicht gut. Darum waren wir alle recht herzlich' froh, als uns
der Nest des Handgeldes ausbezahlt wurde, besonders da wir so lange darauf
hatten warten müssen. , ".

Man kann sich gar nicht denken, wie großartig die Schelmerei in diesen
Schweizerregimentern betrieben wirb, und es drückt einem fast das Herz ab,
wenn man einen Blick in diesen unsaubern Hafen wirft. Wir wollen nur
einige von den himmelschreienden Ungerechtigkeiten aufdecken. Der Mann
"hält vom König 14 Gran Sold. Hiervon fallen 6^ Gran ins Ordinäre,


und dunkel und Nachts besuchen einen zwar nicht die Geister der Mönche,
aber andre Plagegeister, nämlich „die duzwitt niarschir und die langsam
marschir", wie unser alter Wachtmeister von den Flöhen und Läusen sagte.
Hat man eines Tages etliche Stunden frei und geht in Neapel spaziren, so
kann man nicht mit den Leuten diöcouriren, weil niemand deutsch versteht oder
verstehen will, und man kanns den Bürgern anmerken, wie sie uns verachten,
hassen und für Blutsauger und Vergebensfresser ansehen, die der König an¬
gestellt und mit schwerem Gelde besolde, damit sie die Freiheit unterdrücken.
Da ists kein Wunder, daß viele Soldaten sich dem schlechten Leben ergeben,
oder vor Heimweh sterben und desertiren. Das geräth aber unter hundert
Fällen einmal, und deren, die man wieder kriegt, wartet die Galeere.

Es sind jetzt vier Schweizerregimenter und ein Jägerbataillon im König¬
reich Neapel. Ein Regiment ist drüben in Palermo, die übrigen liegen in
Neapel und der Umgegend. Unter uns Schweizern sind viele Deutsche, ehe¬
malige Freischärler und dergleichen Leute; auch Handswcrksburschen', die von
den Werbern durch schöne Versprechungen über den Löffel barbiert worden
sind. Und was für schlechte Leute sind unter den Soldaten! Kerls, Gott ver¬
zeih mirs, von denen man glaubt, sie seien dem Henker entlaufen. Bürschlein,
die daheim meisterlosig waren und vor Wollust nicht wußten, was anfangen.
Ich bin nicht verwöhnt worden beim Schlempenbaner und hab bei der Mutter
selig oft Sparsich und Mangelkraut gehabt, aber ich hab doch schon oft im
Stillen gedacht, wenn ich nur wieder daheim wäre. Denn was die Kost be¬
trifft, so bekamen wir zweimal im Tag zu essen. Morgens acht Uhr wurde ein
Getöns aufgetragen, das aus Suppe, Fleisch und verschiedenem Gemüse in
einer Schüssel zusammen bestand. Nachmittags wurden Bohnen und Paften
oder Paften und Bohnen ausgestellt. Paften sind eine Art Kröpfli, nur
schwerer und unverdaulicher. Aber aus lauter Sorgfalt für unsere Mägen
war für ein gehöriges Quantum Brühe gesorgt, und manchmal wäre ein
Taucher nöthig gewesen, um das wenige Dicke aus der Tiefe herauszuholen.
Das Beste hatten am Morgen die drei bis vier Köche, der Ordinärchef, Feld-
weibel, Fouriere und übrigen Unteroffiziere, die nichts in die Soldatenmenage
legen, in ihre hungrigen Mägen wandern lassen. Das Brot ist schlecht und
das Wasser nicht gut. Darum waren wir alle recht herzlich' froh, als uns
der Nest des Handgeldes ausbezahlt wurde, besonders da wir so lange darauf
hatten warten müssen. , ».

Man kann sich gar nicht denken, wie großartig die Schelmerei in diesen
Schweizerregimentern betrieben wirb, und es drückt einem fast das Herz ab,
wenn man einen Blick in diesen unsaubern Hafen wirft. Wir wollen nur
einige von den himmelschreienden Ungerechtigkeiten aufdecken. Der Mann
«hält vom König 14 Gran Sold. Hiervon fallen 6^ Gran ins Ordinäre,


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[0511] und dunkel und Nachts besuchen einen zwar nicht die Geister der Mönche, aber andre Plagegeister, nämlich „die duzwitt niarschir und die langsam marschir", wie unser alter Wachtmeister von den Flöhen und Läusen sagte. Hat man eines Tages etliche Stunden frei und geht in Neapel spaziren, so kann man nicht mit den Leuten diöcouriren, weil niemand deutsch versteht oder verstehen will, und man kanns den Bürgern anmerken, wie sie uns verachten, hassen und für Blutsauger und Vergebensfresser ansehen, die der König an¬ gestellt und mit schwerem Gelde besolde, damit sie die Freiheit unterdrücken. Da ists kein Wunder, daß viele Soldaten sich dem schlechten Leben ergeben, oder vor Heimweh sterben und desertiren. Das geräth aber unter hundert Fällen einmal, und deren, die man wieder kriegt, wartet die Galeere. Es sind jetzt vier Schweizerregimenter und ein Jägerbataillon im König¬ reich Neapel. Ein Regiment ist drüben in Palermo, die übrigen liegen in Neapel und der Umgegend. Unter uns Schweizern sind viele Deutsche, ehe¬ malige Freischärler und dergleichen Leute; auch Handswcrksburschen', die von den Werbern durch schöne Versprechungen über den Löffel barbiert worden sind. Und was für schlechte Leute sind unter den Soldaten! Kerls, Gott ver¬ zeih mirs, von denen man glaubt, sie seien dem Henker entlaufen. Bürschlein, die daheim meisterlosig waren und vor Wollust nicht wußten, was anfangen. Ich bin nicht verwöhnt worden beim Schlempenbaner und hab bei der Mutter selig oft Sparsich und Mangelkraut gehabt, aber ich hab doch schon oft im Stillen gedacht, wenn ich nur wieder daheim wäre. Denn was die Kost be¬ trifft, so bekamen wir zweimal im Tag zu essen. Morgens acht Uhr wurde ein Getöns aufgetragen, das aus Suppe, Fleisch und verschiedenem Gemüse in einer Schüssel zusammen bestand. Nachmittags wurden Bohnen und Paften oder Paften und Bohnen ausgestellt. Paften sind eine Art Kröpfli, nur schwerer und unverdaulicher. Aber aus lauter Sorgfalt für unsere Mägen war für ein gehöriges Quantum Brühe gesorgt, und manchmal wäre ein Taucher nöthig gewesen, um das wenige Dicke aus der Tiefe herauszuholen. Das Beste hatten am Morgen die drei bis vier Köche, der Ordinärchef, Feld- weibel, Fouriere und übrigen Unteroffiziere, die nichts in die Soldatenmenage legen, in ihre hungrigen Mägen wandern lassen. Das Brot ist schlecht und das Wasser nicht gut. Darum waren wir alle recht herzlich' froh, als uns der Nest des Handgeldes ausbezahlt wurde, besonders da wir so lange darauf hatten warten müssen. , ». Man kann sich gar nicht denken, wie großartig die Schelmerei in diesen Schweizerregimentern betrieben wirb, und es drückt einem fast das Herz ab, wenn man einen Blick in diesen unsaubern Hafen wirft. Wir wollen nur einige von den himmelschreienden Ungerechtigkeiten aufdecken. Der Mann «hält vom König 14 Gran Sold. Hiervon fallen 6^ Gran ins Ordinäre,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/511>, abgerufen am 22.06.2024.