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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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keitskloster (1773--18-1,5') in sich. -- Während der ersten Periode waren nicht
allein die griechische Richtung und die griechische Sprache, sondern auch der
Einfluß der griechischen Patriarchen vorherrschend. Die Brüder Lichuda thaten
Wunder; fast ohne Mittel, ohne die russische Sprache zu verstehn, den Be¬
drückungen und Verfolgungen der Finsterlinge Preis gegeben, die sie endlich
aus Moskau vertrieben, gelang eS ihnen, kundige Lehrer zu bilden, die das
begonnene Werk fortsetzten. Noch ehe sie die Hauptstadt Rußlands verließen,
trat einer ihrer Zöglinge an die Spitze der Akademie. Es war dies der erste
russische Gelehrte, Doctor Palladji Nogowskji, mit welchem eine neue Periode
in der Geschichte dieses Instituts beginnt. "Nachdem er anderthalb Jahre
hindurch den Vortragen der Lichudas im Kloster Epiphania beigewohnt, halte
Palladji, nach einer vollkommenen Wissenschaft verlangend, sich aus
Moskau entfernt, das Mönchskleid abgelegt und ein Jahr lang die Jesuiten¬
schule in Wilna besucht. Hierauf verbrachte er noch ein Jahr in der schle-
sischen Stadt Neisse im Studium der Poetik und ging dann nach Olmütz, um
Rhetorik zu hören." Die vlmützer Jesuiten weigerten sich, ihn in ihre Schule
aufzunehmen, wenn er sich nicht der Union' airschlösse, und aus Liebe zur
Wissenschaft entschloß sich der junge Russe zum einstweiligen, scheinbaren Ab¬
fall vom orthodoxen Glauben. Dies eröffnete ihm den Weg nach Rom, wo
er sieben Jahre hindurch die Philosophie und Gottesgelahrtheit im griechisch-
unirten Kollegium studire, von dem unirten Erzbischof Onuphnus zum
Priester geweiht wurde und zum Doctor der Philosophie und Theologie prv-
movirle, worauf er heimlich nach Nußland entwich, dem Patriarchen Adrian
seine unfreiwillige Apostasie beichtete und ein ausführliches Glaubensbekenntniß
im orthodoxen Sinne schrieb, in welchem er die mit den Lehren der orienta¬
lischen Kirche unvereinbarer Dogmen und Sophismen (muärstvovÄnicr) des
Westens verfluchte. Am 2. Juni -IK99 nahm der Patriarch den Reuigen wie¬
derum in den Schoß der rechtgläubigen Kirche auf, übertrug ihm im fol¬
genden Jahre das Amt eines Directors der Akademie und ernannte ihn zum
Abt des Klosters Saikonospask. Seine westliche Bildung hatte jede Spur der
von seinen griechischen Lehrmeistern erhaltenen Erziehung verwischt; er verstand
"icht einmal griechisch und hielt seine Vorlesungen in- lateinischer Sprache.
Aber seine Wirksamkeit dauerte nur kurze Zeit; von den Mühseligkeiten der
Reise und vieljährigen Studiums erschöpft, starb er.schon am 23. Januar -1703
und ward.im Kloster Saikonospask beerdigt. Unterdessen war nach dem Tode
des Patriarchen Adrian der Metropolit von Njäsan, Stephan Jaworökji, als
Vicarius deS Patriarchats an die Spitze der russischen Kirche getreten. Im
Jahr -I7V-I übertrug der Zar auch die moskauer Akademie seiner unmittel¬
baren Aufsicht, und Jaworökji nahm zuerst den Titel eines Protectors der
Akademie an. In der Akademie zu Kiew und später im Auslande gebildet,


Grenzboten. II. -I8L6, 60

keitskloster (1773—18-1,5') in sich. — Während der ersten Periode waren nicht
allein die griechische Richtung und die griechische Sprache, sondern auch der
Einfluß der griechischen Patriarchen vorherrschend. Die Brüder Lichuda thaten
Wunder; fast ohne Mittel, ohne die russische Sprache zu verstehn, den Be¬
drückungen und Verfolgungen der Finsterlinge Preis gegeben, die sie endlich
aus Moskau vertrieben, gelang eS ihnen, kundige Lehrer zu bilden, die das
begonnene Werk fortsetzten. Noch ehe sie die Hauptstadt Rußlands verließen,
trat einer ihrer Zöglinge an die Spitze der Akademie. Es war dies der erste
russische Gelehrte, Doctor Palladji Nogowskji, mit welchem eine neue Periode
in der Geschichte dieses Instituts beginnt. „Nachdem er anderthalb Jahre
hindurch den Vortragen der Lichudas im Kloster Epiphania beigewohnt, halte
Palladji, nach einer vollkommenen Wissenschaft verlangend, sich aus
Moskau entfernt, das Mönchskleid abgelegt und ein Jahr lang die Jesuiten¬
schule in Wilna besucht. Hierauf verbrachte er noch ein Jahr in der schle-
sischen Stadt Neisse im Studium der Poetik und ging dann nach Olmütz, um
Rhetorik zu hören." Die vlmützer Jesuiten weigerten sich, ihn in ihre Schule
aufzunehmen, wenn er sich nicht der Union' airschlösse, und aus Liebe zur
Wissenschaft entschloß sich der junge Russe zum einstweiligen, scheinbaren Ab¬
fall vom orthodoxen Glauben. Dies eröffnete ihm den Weg nach Rom, wo
er sieben Jahre hindurch die Philosophie und Gottesgelahrtheit im griechisch-
unirten Kollegium studire, von dem unirten Erzbischof Onuphnus zum
Priester geweiht wurde und zum Doctor der Philosophie und Theologie prv-
movirle, worauf er heimlich nach Nußland entwich, dem Patriarchen Adrian
seine unfreiwillige Apostasie beichtete und ein ausführliches Glaubensbekenntniß
im orthodoxen Sinne schrieb, in welchem er die mit den Lehren der orienta¬
lischen Kirche unvereinbarer Dogmen und Sophismen (muärstvovÄnicr) des
Westens verfluchte. Am 2. Juni -IK99 nahm der Patriarch den Reuigen wie¬
derum in den Schoß der rechtgläubigen Kirche auf, übertrug ihm im fol¬
genden Jahre das Amt eines Directors der Akademie und ernannte ihn zum
Abt des Klosters Saikonospask. Seine westliche Bildung hatte jede Spur der
von seinen griechischen Lehrmeistern erhaltenen Erziehung verwischt; er verstand
"icht einmal griechisch und hielt seine Vorlesungen in- lateinischer Sprache.
Aber seine Wirksamkeit dauerte nur kurze Zeit; von den Mühseligkeiten der
Reise und vieljährigen Studiums erschöpft, starb er.schon am 23. Januar -1703
und ward.im Kloster Saikonospask beerdigt. Unterdessen war nach dem Tode
des Patriarchen Adrian der Metropolit von Njäsan, Stephan Jaworökji, als
Vicarius deS Patriarchats an die Spitze der russischen Kirche getreten. Im
Jahr -I7V-I übertrug der Zar auch die moskauer Akademie seiner unmittel¬
baren Aufsicht, und Jaworökji nahm zuerst den Titel eines Protectors der
Akademie an. In der Akademie zu Kiew und später im Auslande gebildet,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/481>, abgerufen am 21.06.2024.