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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Die Straßen Londons.

Die Hauptstraßen Londons sind das Jnteressanteste' und Merkwürdigste,
was London dem Beobachter von Menschen und Sitten zu bieten hat.

Nicht daß wir damit ihre architektonische Schönheit meinten, obschon manche
Straßen im West End tauge Reihen von Palästen sind, in Pakt Malt eine
Menge der stattlichsten Clubhäuser sich befinden, in Regentstreet die Fronten
jedes Häuservierecks so verbunden sind, daß sie eine einzige Fac^abe bilden, und
jede Fa^abe verschieden ist, so daß eine Art architektonisches Panorama sich
den Augen darbietet, in Tyburnia und Belgravia endlich die Terrassen und
Squares ungeheure Colonien von Palästen darstellen. Ebensowenig denken
wir dabei an die Pracht der VerkaufSgewvlbe, diese krystallnen Schatzkammern,
deren Glasscheiben sowol nach ihrer Große als nach ihrer Durchsichtigkeit
dem reinsten Eise von Landseen gleichen und hinter deren Fenstern und Thüren
die theuersten Producte der Welt blitzen und schillern. Ebensowenig ferner
haben wir dabei die geräumigen Docks am östlichen Ende der Stadt im Auge,
wo die benachbarten Straßen die amphibienhafte Wunderlichkeit holländischer
Städte zeigen, wo die Spitzen der Mastbäume sich mit den Spitzen der Schorn¬
steine mischen, und wo die Empfindung des ungeheuren Waarenreichthums alle
Begriffe übersteigt. Noch weniger endlich blicken wir bei jener Bemerkung auf
die großen grünen Parks, die wie ebensoviele heitere Ausschnitte aus der
frischen Natur des Landlebens in der rauchgedörrten Stadt zerstreut sind, und
wo das grüne Laub unb Gras sich im Vergleich mit den staubigen Massen
rostfarbner, Mauern, die es umgeben, doppelt anmuthig aufnimmt.

Wir nennen diese großen londoner Durchfahrten deshalb ein so. inter¬
essantes Schauspiel, weil durch sie eine so endlose und unermeßliche Mannigfal¬
tigkeit von Leben, flutet.

Ohne Zweifel machen diese ungeheuern Massen von Menschen, die ohne
Unterbrechung durch die Hauptstraßen der-Riesenstadt strömen, den ersten tiefen
Eindruck aus das Gemüth des Fremden, und wir selbst betrachteten diese leben¬
digen Scenen nie ohne bie Empfindung, daß hierin die wahre Größe der
Capitale, das eigentliche Merkzeichen ihrer Bedeutung für die Welt liegt.
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M'nüzt'lte". II,, >8ni, 36
Die Straßen Londons.

Die Hauptstraßen Londons sind das Jnteressanteste' und Merkwürdigste,
was London dem Beobachter von Menschen und Sitten zu bieten hat.

Nicht daß wir damit ihre architektonische Schönheit meinten, obschon manche
Straßen im West End tauge Reihen von Palästen sind, in Pakt Malt eine
Menge der stattlichsten Clubhäuser sich befinden, in Regentstreet die Fronten
jedes Häuservierecks so verbunden sind, daß sie eine einzige Fac^abe bilden, und
jede Fa^abe verschieden ist, so daß eine Art architektonisches Panorama sich
den Augen darbietet, in Tyburnia und Belgravia endlich die Terrassen und
Squares ungeheure Colonien von Palästen darstellen. Ebensowenig denken
wir dabei an die Pracht der VerkaufSgewvlbe, diese krystallnen Schatzkammern,
deren Glasscheiben sowol nach ihrer Große als nach ihrer Durchsichtigkeit
dem reinsten Eise von Landseen gleichen und hinter deren Fenstern und Thüren
die theuersten Producte der Welt blitzen und schillern. Ebensowenig ferner
haben wir dabei die geräumigen Docks am östlichen Ende der Stadt im Auge,
wo die benachbarten Straßen die amphibienhafte Wunderlichkeit holländischer
Städte zeigen, wo die Spitzen der Mastbäume sich mit den Spitzen der Schorn¬
steine mischen, und wo die Empfindung des ungeheuren Waarenreichthums alle
Begriffe übersteigt. Noch weniger endlich blicken wir bei jener Bemerkung auf
die großen grünen Parks, die wie ebensoviele heitere Ausschnitte aus der
frischen Natur des Landlebens in der rauchgedörrten Stadt zerstreut sind, und
wo das grüne Laub unb Gras sich im Vergleich mit den staubigen Massen
rostfarbner, Mauern, die es umgeben, doppelt anmuthig aufnimmt.

Wir nennen diese großen londoner Durchfahrten deshalb ein so. inter¬
essantes Schauspiel, weil durch sie eine so endlose und unermeßliche Mannigfal¬
tigkeit von Leben, flutet.

Ohne Zweifel machen diese ungeheuern Massen von Menschen, die ohne
Unterbrechung durch die Hauptstraßen der-Riesenstadt strömen, den ersten tiefen
Eindruck aus das Gemüth des Fremden, und wir selbst betrachteten diese leben¬
digen Scenen nie ohne bie Empfindung, daß hierin die wahre Größe der
Capitale, das eigentliche Merkzeichen ihrer Bedeutung für die Welt liegt.
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[0449] Die Straßen Londons. Die Hauptstraßen Londons sind das Jnteressanteste' und Merkwürdigste, was London dem Beobachter von Menschen und Sitten zu bieten hat. Nicht daß wir damit ihre architektonische Schönheit meinten, obschon manche Straßen im West End tauge Reihen von Palästen sind, in Pakt Malt eine Menge der stattlichsten Clubhäuser sich befinden, in Regentstreet die Fronten jedes Häuservierecks so verbunden sind, daß sie eine einzige Fac^abe bilden, und jede Fa^abe verschieden ist, so daß eine Art architektonisches Panorama sich den Augen darbietet, in Tyburnia und Belgravia endlich die Terrassen und Squares ungeheure Colonien von Palästen darstellen. Ebensowenig denken wir dabei an die Pracht der VerkaufSgewvlbe, diese krystallnen Schatzkammern, deren Glasscheiben sowol nach ihrer Große als nach ihrer Durchsichtigkeit dem reinsten Eise von Landseen gleichen und hinter deren Fenstern und Thüren die theuersten Producte der Welt blitzen und schillern. Ebensowenig ferner haben wir dabei die geräumigen Docks am östlichen Ende der Stadt im Auge, wo die benachbarten Straßen die amphibienhafte Wunderlichkeit holländischer Städte zeigen, wo die Spitzen der Mastbäume sich mit den Spitzen der Schorn¬ steine mischen, und wo die Empfindung des ungeheuren Waarenreichthums alle Begriffe übersteigt. Noch weniger endlich blicken wir bei jener Bemerkung auf die großen grünen Parks, die wie ebensoviele heitere Ausschnitte aus der frischen Natur des Landlebens in der rauchgedörrten Stadt zerstreut sind, und wo das grüne Laub unb Gras sich im Vergleich mit den staubigen Massen rostfarbner, Mauern, die es umgeben, doppelt anmuthig aufnimmt. Wir nennen diese großen londoner Durchfahrten deshalb ein so. inter¬ essantes Schauspiel, weil durch sie eine so endlose und unermeßliche Mannigfal¬ tigkeit von Leben, flutet. Ohne Zweifel machen diese ungeheuern Massen von Menschen, die ohne Unterbrechung durch die Hauptstraßen der-Riesenstadt strömen, den ersten tiefen Eindruck aus das Gemüth des Fremden, und wir selbst betrachteten diese leben¬ digen Scenen nie ohne bie Empfindung, daß hierin die wahre Größe der Capitale, das eigentliche Merkzeichen ihrer Bedeutung für die Welt liegt. ' M'nüzt'lte». II,, >8ni, 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/449>, abgerufen am 27.06.2024.