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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Dann kommt das wahre englische "Klanx" oder Nothwälsch, die Gauner-
und Diebssprache. Dieses ist ein Gemisch von mittelalterlichen Latein, hebräi¬
schen Worten, zigeunerischen Ausdrücken, willkürlichen Erfindungen und solchen
Bezeichnungen, die dem heutigen Englisch, der deutschen und italienischen
Sprache entnommen sind.

Da Schriftsteller, wie Dickens und Ainsworth häufig davon Gebrauch
machen, gehen wir etwas näher darauf ein. Das Wort "rMter", welches der
rothwälsche Ausdruck für "speizolr" ist, wurde von dem Paternoster entlehnt,
welches die alten Bettler zu murmeln pflegten. ,FaK"z" ferner, welches thun
oder- machen heißt, ist das lateinische kaoeriz, woher auch "kakoment", welches
in der Gaunersprache etwas Gemachtes, dann speciell einen Bettelbrief bedeu-
tet. Da der Hauptzweck des Nothwälsch der ist, eine Geheimsprache zu sein,
so wird es von den Eingeweihten fortwährend durch fremde Worte ergänzt,
welche man den Strolchen vom Festlande ablernt, wenn sie in die "pacläin^
Kens" d, h. in die Diebesherbergen Londons einkehren. So ist das Wort
"chi-ser" (ein vornehmes Haus) das italienische vasa, welches man /ich von
den Savoyardenknaben angeeignet hat, die mit dem Leierkasten herumziehen; so
das Wort "a^w" (ein kleines Auge) von den Holländern an Bord der Aal¬
boote in Billingsgate, so das Wort "sKovlUIl^ (schlecht) von den Juden,
denen wir das gleichklingende "schofel" verdanken und so das Wort "toKle" (ein
Taschentuch) wahrscheinlich von den deutschen Herumstreichern, welche hier mit
Vögeln handeln. Endlich haben sich in dein Slang- auch Neste der alten Spra¬
chen des Landes erhalten, wie "xamm^" (schlecht) das welsche xam, gekrümmt/
wunderlich, und die Redensart "it is not etre olwose" (es ist nicht, was ich
wählen würde) das altenglische, noch bei Chaucer zu findende Lltessö für
ednosL.

Den größten Theil des englischen Nothwälsch jedoch machen willkürliche
Erfindungen aus. So heißt der Mund tatertrap (Kartoffelfalle), die Nase
pasw dorn (Klcistertvpf), das Blut claret (Rothwein), die Schuhe oraksdells
(Krebsschalen), die Zähne clominoes, ein Regenschirm anhin-von (Pilz), das
Gefängniß stone- ^ux sSteinkrug) u. s. w. "Can ,pe>u r"K<zr Koran^? heißt:
Können Sie Nothwälsch sprechen? "Wdat, is zwur monekeer?" Was ist Ihr
Name? ">Vdsr(i no zon se.aU to 'in tke Ime??" Wo wohnen Sie in der Stadt?
,,On, I clrap t,K<z main tvjzsr an6 .LlinK inen to Keil in tUs dack atrum.°° Oh
ich mache mich aus der Hauptstraße fort und schlüpfe in die Herberge im
Hintergäßchen. "'Will >on Kaps " sluint o' xattsr aller all tlris clvvry ok
para^'?" Wollen Sie ein Glas Bier haben nach all diesem vielen Regen?
,,1'vo Ave a tsviss tett in mz? olyv?" Ich habe noch einen Schilling in mei¬
ner Tasche. Dies sind einige Proben dieses Jargons, der sich von der Sprache,
in welcher Burke und Fo,r redeten, allerdings wesentlich unterscheidet.


Dann kommt das wahre englische „Klanx" oder Nothwälsch, die Gauner-
und Diebssprache. Dieses ist ein Gemisch von mittelalterlichen Latein, hebräi¬
schen Worten, zigeunerischen Ausdrücken, willkürlichen Erfindungen und solchen
Bezeichnungen, die dem heutigen Englisch, der deutschen und italienischen
Sprache entnommen sind.

Da Schriftsteller, wie Dickens und Ainsworth häufig davon Gebrauch
machen, gehen wir etwas näher darauf ein. Das Wort „rMter", welches der
rothwälsche Ausdruck für „speizolr" ist, wurde von dem Paternoster entlehnt,
welches die alten Bettler zu murmeln pflegten. ,FaK«z" ferner, welches thun
oder- machen heißt, ist das lateinische kaoeriz, woher auch „kakoment", welches
in der Gaunersprache etwas Gemachtes, dann speciell einen Bettelbrief bedeu-
tet. Da der Hauptzweck des Nothwälsch der ist, eine Geheimsprache zu sein,
so wird es von den Eingeweihten fortwährend durch fremde Worte ergänzt,
welche man den Strolchen vom Festlande ablernt, wenn sie in die „pacläin^
Kens" d, h. in die Diebesherbergen Londons einkehren. So ist das Wort
„chi-ser" (ein vornehmes Haus) das italienische vasa, welches man /ich von
den Savoyardenknaben angeeignet hat, die mit dem Leierkasten herumziehen; so
das Wort „a^w" (ein kleines Auge) von den Holländern an Bord der Aal¬
boote in Billingsgate, so das Wort „sKovlUIl^ (schlecht) von den Juden,
denen wir das gleichklingende „schofel" verdanken und so das Wort „toKle" (ein
Taschentuch) wahrscheinlich von den deutschen Herumstreichern, welche hier mit
Vögeln handeln. Endlich haben sich in dein Slang- auch Neste der alten Spra¬
chen des Landes erhalten, wie „xamm^" (schlecht) das welsche xam, gekrümmt/
wunderlich, und die Redensart „it is not etre olwose" (es ist nicht, was ich
wählen würde) das altenglische, noch bei Chaucer zu findende Lltessö für
ednosL.

Den größten Theil des englischen Nothwälsch jedoch machen willkürliche
Erfindungen aus. So heißt der Mund tatertrap (Kartoffelfalle), die Nase
pasw dorn (Klcistertvpf), das Blut claret (Rothwein), die Schuhe oraksdells
(Krebsschalen), die Zähne clominoes, ein Regenschirm anhin-von (Pilz), das
Gefängniß stone- ^ux sSteinkrug) u. s. w. „Can ,pe>u r»K<zr Koran^? heißt:
Können Sie Nothwälsch sprechen? „Wdat, is zwur monekeer?" Was ist Ihr
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ich mache mich aus der Hauptstraße fort und schlüpfe in die Herberge im
Hintergäßchen. „'Will >on Kaps » sluint o' xattsr aller all tlris clvvry ok
para^'?" Wollen Sie ein Glas Bier haben nach all diesem vielen Regen?
,,1'vo Ave a tsviss tett in mz? olyv?" Ich habe noch einen Schilling in mei¬
ner Tasche. Dies sind einige Proben dieses Jargons, der sich von der Sprache,
in welcher Burke und Fo,r redeten, allerdings wesentlich unterscheidet.


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[0420] Dann kommt das wahre englische „Klanx" oder Nothwälsch, die Gauner- und Diebssprache. Dieses ist ein Gemisch von mittelalterlichen Latein, hebräi¬ schen Worten, zigeunerischen Ausdrücken, willkürlichen Erfindungen und solchen Bezeichnungen, die dem heutigen Englisch, der deutschen und italienischen Sprache entnommen sind. Da Schriftsteller, wie Dickens und Ainsworth häufig davon Gebrauch machen, gehen wir etwas näher darauf ein. Das Wort „rMter", welches der rothwälsche Ausdruck für „speizolr" ist, wurde von dem Paternoster entlehnt, welches die alten Bettler zu murmeln pflegten. ,FaK«z" ferner, welches thun oder- machen heißt, ist das lateinische kaoeriz, woher auch „kakoment", welches in der Gaunersprache etwas Gemachtes, dann speciell einen Bettelbrief bedeu- tet. Da der Hauptzweck des Nothwälsch der ist, eine Geheimsprache zu sein, so wird es von den Eingeweihten fortwährend durch fremde Worte ergänzt, welche man den Strolchen vom Festlande ablernt, wenn sie in die „pacläin^ Kens" d, h. in die Diebesherbergen Londons einkehren. So ist das Wort „chi-ser" (ein vornehmes Haus) das italienische vasa, welches man /ich von den Savoyardenknaben angeeignet hat, die mit dem Leierkasten herumziehen; so das Wort „a^w" (ein kleines Auge) von den Holländern an Bord der Aal¬ boote in Billingsgate, so das Wort „sKovlUIl^ (schlecht) von den Juden, denen wir das gleichklingende „schofel" verdanken und so das Wort „toKle" (ein Taschentuch) wahrscheinlich von den deutschen Herumstreichern, welche hier mit Vögeln handeln. Endlich haben sich in dein Slang- auch Neste der alten Spra¬ chen des Landes erhalten, wie „xamm^" (schlecht) das welsche xam, gekrümmt/ wunderlich, und die Redensart „it is not etre olwose" (es ist nicht, was ich wählen würde) das altenglische, noch bei Chaucer zu findende Lltessö für ednosL. Den größten Theil des englischen Nothwälsch jedoch machen willkürliche Erfindungen aus. So heißt der Mund tatertrap (Kartoffelfalle), die Nase pasw dorn (Klcistertvpf), das Blut claret (Rothwein), die Schuhe oraksdells (Krebsschalen), die Zähne clominoes, ein Regenschirm anhin-von (Pilz), das Gefängniß stone- ^ux sSteinkrug) u. s. w. „Can ,pe>u r»K<zr Koran^? heißt: Können Sie Nothwälsch sprechen? „Wdat, is zwur monekeer?" Was ist Ihr Name? „>Vdsr(i no zon se.aU to 'in tke Ime??" Wo wohnen Sie in der Stadt? ,,On, I clrap t,K<z main tvjzsr an6 .LlinK inen to Keil in tUs dack atrum.°° Oh ich mache mich aus der Hauptstraße fort und schlüpfe in die Herberge im Hintergäßchen. „'Will >on Kaps » sluint o' xattsr aller all tlris clvvry ok para^'?" Wollen Sie ein Glas Bier haben nach all diesem vielen Regen? ,,1'vo Ave a tsviss tett in mz? olyv?" Ich habe noch einen Schilling in mei¬ ner Tasche. Dies sind einige Proben dieses Jargons, der sich von der Sprache, in welcher Burke und Fo,r redeten, allerdings wesentlich unterscheidet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/420>, abgerufen am 27.06.2024.