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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Stadium mit der centralamerikanifchcn Frage, wird aber wol in dieser ver¬
schwinden, wenn die neuesten Nachrichten, sich bestätigen, daß die Vereinigten
Staaten General Walker anerkannt haben.




Die Straßen Londons.
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"London ist keine Stadt mehr, es ist eine mit Häusern bedeckte Provinz",
sagt Horace Say, der bekannte französische Staatsökonom. ,

Diese Bemerkung ist indeß, wie viele französische Phrasen ähnlicher Art,
mehr geistreich und glänzend, als klar und bestimmt. Denn wenn der Aus¬
druck "Provinz", wie das von Unüberlegsamen häufig geschieht, als gleichbedeu¬
tend mit dem englischen "LNire" gebraucht wird, so ist trotzdem, daß jenes
Wort ungeheuer viel zu sagen scheint, zu wenig damit gesagt. Ausgemacht
ist, daß es in England kein County und in Frankreich kein Departement
gibt, welches sich nach der Menge seiner Bevölkerung mit der britischen Metro¬
pole vergleichen ließe. Nicht nur enthält London fast doppelt so viel Seelen,
als der ausgedehnteste Bezirk des französischen Reichs, es ist auch von mehr
als einer Viertelmillion Menschen mehr bewohnt, als irgend eine Grafschaft
Großbritanniens.. Die Bevölkerung des Departement du Nord beträgt un¬
gefähr 1,-140,000, die des Seinedepartements -1.380,000 , die von Lancaster
andrerseits 2,03-1,236.

Ja es scheint förmlich kleinlich, von London als' einer bloßen Provinz zu
sprechen, wenn es innerhalb seiner Grenzen eine größre Zahl von Menschen
als manches Königreich hat. Das ist keine bloße Redensart, da die Haupt¬
stadt Englands über eine halbe Million Einwohner mehr hat als Sachsen,
welches von ungefähr -1,900,000, als Hannover, welches von ziemlich -1,800,000
und, als Würtemberg, welches von etwa -1,730,000 Menschen bewohnt ist,
und da allein auf der Middleserseite der Themse mehr Menschen sind, als im
ganzen Großherzogthum Baden.*)

Aber noch mehr: gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts hatte das
ganze Königreich Englanv noch lange nicht so viel Bewohner, als das heutige
London umschließt; denn die Bevölkerung Englands belief sich im Jahre-1377
auf nicht mehr als 2,092,978 Seelen.



*) Hierzu mag bemerkt werden, daß Dänemark ohne die deutschen Herzogthümer fast eine
volle Million weniger Einwohner und selbst mit diesen noch nicht ganz so viele hat, als Lon¬
don. Die Einwohnerzahl des sogenannten dänischen Gesainmtstaatö nämlich betrug -18os circa
2,i'00,00ö, die der Herzogthümer für sich "00,000..

Stadium mit der centralamerikanifchcn Frage, wird aber wol in dieser ver¬
schwinden, wenn die neuesten Nachrichten, sich bestätigen, daß die Vereinigten
Staaten General Walker anerkannt haben.




Die Straßen Londons.
-->.'^

„London ist keine Stadt mehr, es ist eine mit Häusern bedeckte Provinz",
sagt Horace Say, der bekannte französische Staatsökonom. ,

Diese Bemerkung ist indeß, wie viele französische Phrasen ähnlicher Art,
mehr geistreich und glänzend, als klar und bestimmt. Denn wenn der Aus¬
druck „Provinz", wie das von Unüberlegsamen häufig geschieht, als gleichbedeu¬
tend mit dem englischen „LNire" gebraucht wird, so ist trotzdem, daß jenes
Wort ungeheuer viel zu sagen scheint, zu wenig damit gesagt. Ausgemacht
ist, daß es in England kein County und in Frankreich kein Departement
gibt, welches sich nach der Menge seiner Bevölkerung mit der britischen Metro¬
pole vergleichen ließe. Nicht nur enthält London fast doppelt so viel Seelen,
als der ausgedehnteste Bezirk des französischen Reichs, es ist auch von mehr
als einer Viertelmillion Menschen mehr bewohnt, als irgend eine Grafschaft
Großbritanniens.. Die Bevölkerung des Departement du Nord beträgt un¬
gefähr 1,-140,000, die des Seinedepartements -1.380,000 , die von Lancaster
andrerseits 2,03-1,236.

Ja es scheint förmlich kleinlich, von London als' einer bloßen Provinz zu
sprechen, wenn es innerhalb seiner Grenzen eine größre Zahl von Menschen
als manches Königreich hat. Das ist keine bloße Redensart, da die Haupt¬
stadt Englands über eine halbe Million Einwohner mehr hat als Sachsen,
welches von ungefähr -1,900,000, als Hannover, welches von ziemlich -1,800,000
und, als Würtemberg, welches von etwa -1,730,000 Menschen bewohnt ist,
und da allein auf der Middleserseite der Themse mehr Menschen sind, als im
ganzen Großherzogthum Baden.*)

Aber noch mehr: gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts hatte das
ganze Königreich Englanv noch lange nicht so viel Bewohner, als das heutige
London umschließt; denn die Bevölkerung Englands belief sich im Jahre-1377
auf nicht mehr als 2,092,978 Seelen.



*) Hierzu mag bemerkt werden, daß Dänemark ohne die deutschen Herzogthümer fast eine
volle Million weniger Einwohner und selbst mit diesen noch nicht ganz so viele hat, als Lon¬
don. Die Einwohnerzahl des sogenannten dänischen Gesainmtstaatö nämlich betrug -18os circa
2,i'00,00ö, die der Herzogthümer für sich »00,000..
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[0416] Stadium mit der centralamerikanifchcn Frage, wird aber wol in dieser ver¬ schwinden, wenn die neuesten Nachrichten, sich bestätigen, daß die Vereinigten Staaten General Walker anerkannt haben. Die Straßen Londons. -->.'^ „London ist keine Stadt mehr, es ist eine mit Häusern bedeckte Provinz", sagt Horace Say, der bekannte französische Staatsökonom. , Diese Bemerkung ist indeß, wie viele französische Phrasen ähnlicher Art, mehr geistreich und glänzend, als klar und bestimmt. Denn wenn der Aus¬ druck „Provinz", wie das von Unüberlegsamen häufig geschieht, als gleichbedeu¬ tend mit dem englischen „LNire" gebraucht wird, so ist trotzdem, daß jenes Wort ungeheuer viel zu sagen scheint, zu wenig damit gesagt. Ausgemacht ist, daß es in England kein County und in Frankreich kein Departement gibt, welches sich nach der Menge seiner Bevölkerung mit der britischen Metro¬ pole vergleichen ließe. Nicht nur enthält London fast doppelt so viel Seelen, als der ausgedehnteste Bezirk des französischen Reichs, es ist auch von mehr als einer Viertelmillion Menschen mehr bewohnt, als irgend eine Grafschaft Großbritanniens.. Die Bevölkerung des Departement du Nord beträgt un¬ gefähr 1,-140,000, die des Seinedepartements -1.380,000 , die von Lancaster andrerseits 2,03-1,236. Ja es scheint förmlich kleinlich, von London als' einer bloßen Provinz zu sprechen, wenn es innerhalb seiner Grenzen eine größre Zahl von Menschen als manches Königreich hat. Das ist keine bloße Redensart, da die Haupt¬ stadt Englands über eine halbe Million Einwohner mehr hat als Sachsen, welches von ungefähr -1,900,000, als Hannover, welches von ziemlich -1,800,000 und, als Würtemberg, welches von etwa -1,730,000 Menschen bewohnt ist, und da allein auf der Middleserseite der Themse mehr Menschen sind, als im ganzen Großherzogthum Baden.*) Aber noch mehr: gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts hatte das ganze Königreich Englanv noch lange nicht so viel Bewohner, als das heutige London umschließt; denn die Bevölkerung Englands belief sich im Jahre-1377 auf nicht mehr als 2,092,978 Seelen. *) Hierzu mag bemerkt werden, daß Dänemark ohne die deutschen Herzogthümer fast eine volle Million weniger Einwohner und selbst mit diesen noch nicht ganz so viele hat, als Lon¬ don. Die Einwohnerzahl des sogenannten dänischen Gesainmtstaatö nämlich betrug -18os circa 2,i'00,00ö, die der Herzogthümer für sich »00,000..

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/416>, abgerufen am 05.07.2024.